Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Montag, 19. März 2012

Hausmitteilung - schlank und fit in den Frühling

Wie ich schon berichtet habe, hat die Firma Teekanne ihr Herz für Frauen entdeckt. Das Testsortiment muß zufriedenstellende Umsatzzahlen erzielt haben, denn nun schickt sie sich an den Markt zu fluten oder besser; aufzukochen. Man steckt zwar in der Frau nicht drin, aber ich denke die aktuelle Kollektion läßt kaum noch Wünsche offen. Mir würden zwar noch welche einfallen, aber damit traut sich niemand an der Kasse vorbei.


Neben »Hol Dir Kraft«, »Innere Ruhe«, »Atme dich frei« und »Freu dich« dürfte besonders »Schlank und fit« der Renner sein. Ganze zwei Päckchen stehen stehen noch zum Verkauf. Es wurde auch höchste Zeit für den Erwerb, denn der Frühling bläst schon milde durch verschiedene Oberstübchen und manch Schwabbelbäuchlein bedarf der Zähmung.


Zu spät! Da dreht man noch fix eine Runde durch das Areal, um vergessenes einzuholen, und schon ist das Teeregal durchwühlt und geplündert worden. »Schlank und fit« ist damit ausverkauft. Tja, da hilft nur noch der Kauf von einem Doppelpack »Innere Ruhe« und »Träum schön«, um in den Frühling, wenn auch verhaltener, zu starten.


Nein, das war natürlich Quatsch. Hier hinten hat sich noch ein Päckchen versteckt. Ich habe nur getan als ob, weil ich es liebe, wenn Frauen in Panik verfallen. Da steigt ihre Körpertemperatur und sie werden leicht rotfleckig. Das hat schon was von einem gelungenen Vorfrühling.

Donnerstag, 15. März 2012

Wo die Kaufkraft zu Hause ist...


... liegt Meißen.

Fleurop, 5 Filialen; Sparkasse, 4 Filialen; Vodafone, 4 Filialen; Ringfoto, 3 Filialen; Netto Marken-Discount, 3 Filialen; Buchhandlung, 3 Filialen; Commerzbank, 2 Filialen; Goldmeister, 2 Filialen; Aldi Nord, 2 Filialen; Lidl, 2 Filialen; Atlasreisen, 2 Filialen; Euromobil, 2 Filialen; AWG, 2 Filialen; Schlecker, 2 Filialen; Go 1a, 2 Filialen; Suzuki 2 Filialen; Sternenbäck, 2 Filialen; Mercedes Benz 2 Filialen; Bäckerei Raddatz, 2 Filialen; Aral, 2 Filialen, Avis, 1 Filiale; AD Auto Dienst, 1 Filiale: Citroen, 1 Filiale; Mazda, 1 Filiale; Ford, 1 Filiale; Holiday Land, 1 Filiale, Teppich Schmidt, 1 Filiale, Jack Wolfskin,1 Filiale; Nah und gut, 1 Filiale; Home Market, 1 Filiale; Spielzeug-Ring, 1 Filiale, Wiener Feinbäckerei, 1 Filiale; Fielmann, 1 Filiale; Der Club Bertelsmann, 1 Filiale; Renault, 1 Filiale; Fristo, 1 Filiale; Fischer Modehaus, 1 Filiale; Bonita, 1 Filiale; AUTOFIT 1 Filiale; McDonald's, 1 Filiale; diska, 1 Filiale; Deutsche Bank, 1 Filiale; McPaper, 1 Filiale; Biomarkt, 1 Filiale; Base, 1 Filiale; Dänisches Bettenlager, 1 Filiale; Ernsting's family, 1 Filiale; Tchibo, 1 Filiale; Reiseland, 1 Filiale; Apollo Optik, 1 Filiale; C&A, 1 Filiale; MEDIMAX, 1 Filiale; Eckert, 1 Filiale, Norma, 1 Filiale; MFO Matratzen, 1 Filiale; K+K Schuh-Center, 1 Filiale; Sprint Tank,1 Filiale; Reformhaus 1 Filiale; Roßmann, 1 Filiale; Volkswagen, 1 Filiale; BMW, 1 Filiale; Würth 1 Filiale; REWE, 1 Filiale; A.T.U. AutoTeile Unger; 1 Filiale; Fitneßstudio 1 Filiale; o2, 1 Filiale, DEICHMANN, 1 Filiale; vivesco Apotheke; 1 Filiale; Mode Express No 1, 1 Filiale; KüchenTreff, 1 Filiale; Skoda, 1 Filiale; Optik Plus, 1 Filiale; Pfennigpfeiffer, 1 Filiale, Mayers, 1 Filiale; Kind Hörgeräte, 1 Filiale; Mäc-Geiz, 1 Filiale; Takko Fashion, 1 Filiale; ACR, 1 Filiale; Dacia, 1 Filiale; KiK, 1 Filiale; Esso, 1 Filiale; Nissan,1 Filiale; OBI 1 Filiale; Pit-Stop, 1 Filiale; EDEKA1 Filiale; Audi, 1 Filiale; toom BauMarkt, 1 Filiale; Telekom Shop, 1 Filiale; Mitsubishi, 1 Filiale; Thalia, 1 Filiale
(Quelle: www.kaufda.de)

Es ist kaum zu glauben aber scheinbar wahr. Rund 100 Filialen können sich nicht irren. Dabei erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität.

Mir ist kein Ort bekannt, der so wie Meißen fest im Würgegriff verschiedener Handelsketten ist. Das liegt möglicherweise daran, daß ich keine vergleichbaren Städte kenne und um mir meine Subjektivität bewahren zu können, auch nicht entsprechend recherchiert habe.

Allein bei den Lebensmitteldiscountern habe ich bei 15 Standorten aufgehört zu zählen. Aldi, Netto, Lidl usw. sind fast überall dort vertreten, wo man ein Fabrikgelände geschliffen und Baufreiheit geschaffen hat. Einzig Penny kneift immer noch und beschränkt sich darauf, die Stadt mit Kaufhallen einzukesseln.
Dagegen kann niemand etwas sagen. Wir haben die soziale Marktwirtschaft gewählt, ihr Wolfsgesetz auch und so muß die Konkurrenz das Geschäft beleben oder erlegen, was dem Kunden zugute kommen sollte. Wenn für alle genug vom Meißner Kaufkraftkuchen bleibt, und der Verdrängungswettbewerb mit lauteren Mitteln und ohne Waffengewalt – wie in anderen Ländern üblich – ruhig vor sich hinplätschert, hat jeder etwas davon und alle sind zufrieden. Bis auf diejenigen, die dabei außen vor und leer ausgehen. So hart wie deren Los auch erscheinen mag, so ist es doch von Gott gewollt und es trifft nur die von ihm Auserwählten. Auserwählt zu sein ist zweifellos etwas Besonderes, aber es heißt auch, daß man benachteiligt wird.

Gottes Wege und die der Kaufkraft haben folgendes gemeinsam: Sie sind voller Falltüren, Irrgärten und immer für eine Überraschung gut.

So mußte man, plötzlich und unerwartet, in einschlägigen Kreisen feststellen, daß die Kaufkraft in Meißen so gewaltig angestiegen ist und stetig weiter wächst, daß sie immer öfter nach Dresden abwandert und mit den ortsansässigen Einkaufsmärkten nicht mehr abzuschöpfen ist. Der Bürger, in seiner Not, muß weit reisen, bis in das Elbecenter oder noch weiter nach Dresden hinein, um sein Geld in fremde Rachen, in fremde Steuereinzugsgebiete zu werfen. Eine knallharte Bedarfsanalyse hat demzufolge herausgefunden, woran es dem Bürger in Meißen so fehlt, wo das Portemonnaie drückt und wie man dem begegnen könnte.

Das Ergebnis barg keinerlei Überraschung: Ein neues Einkaufscenter mußte her. So weit so gut. Ein zentral gelegenes Areal – natürlich ein ehemaliges Fabrikgelände – war auch schnell gefunden. Nur kann man selbst in Meißen nicht einfach so einen Neubau hinzimmern. Da hat der ignorante, sich dem Fortschritt verweigernde, demokratisch gesinnte Bürger schließlich auch ein Wörtchen querzuschießen.
Das ganze Theater um Stadtratssitzungen, Unterschriftenlisten und den ganzen »Ich-bin-wichtig, Ich-bin-betroffen, Ich-muß-mitpalavern« Schnickschnack, über Jahre hinweg, erspare ich mir jetzt. Was zählt, ist das zu Beton gewordene Ergebnis der Bemühungen aller Beteiligten. Die AVW Immobilien AG machte 23 Mio Euro locker, um das Teil in 15 Monaten Bauzeit auf das Gelände des ehemaligen Plattenwerkes am Neumarkt hinzurotzen. Ein Fachmarktzentrum, in dem keine Wünsche der Kaufkraft in Meißen offen bleiben würden. Auf knapp 12 000 qm Verkaufsfläche können sich ab sofort rund 30 Mietparteien tummeln und ihre Waren feilbieten. Die AVM versprach noch 250 neue Arbeitsplätze und einen Parkplatz mit mindestens 350 Stellplätzen. Letzteres hätte mich stutzig machen müssen.

Ein paar Tage nach dem offiziellen Eröffnungstermin reiste ich mit meinem Wagen nach Meißen, um den neuen Einkaufstempel in Augenschein zu nehmen und um der Internetwelt davon berichten zu können. Informationsbedarf über derartige Neueröffnungen scheint es ja zu geben, denn mein Bericht über das Hofbrauhaus zu Dresden und seinem EDEKA führt meine Counterstatistik nach wie vor unangefochten an. Der Sinn des Lebens scheint beim Bürger vorrangig in einem vorteilhaften Einkauf zu bestehen. Dafür nimmt er weite Wege und dessen Gefahren in Kauf, oder revoluzzt durch die Kante, bis sich die Balken biegen, um Berge und Grenzen zu verschieben. Warum auch immer. Seine Beweggründe erschließen sich mir nicht, aber ich bin zufrieden mit der Rolle des stillen Beobachters oder des Schmierfinkes.

Kurzfassung: Niemand muß dort einkaufen und niemand muß den Text hier weiterlesen.


Oben auf dem Parkdeck des Neumarkt-Centers angelangt, wäre ich am Liebsten wieder umgedreht. Aber das ging nicht, ohne den Totalverlust von einem Euro Einkaufskapital. Von der Straße her, war es für mich nicht ersichtlich, daß der Herrscher über die Stellplätze die Contipark sein und demzufolge eine Gebühr fällig werden würde. Wenn es da unten ein Hinweisschild gibt, so habe ich es nicht gesehen. Ist man erstmal in der Einfahrt zum Parkdeck, so gibt es kein Zurück. Man muß auf den Parkplatz fahren und löhnen. Dumm gelaufen. Hätte ich gewußt, daß ich für eine Stunde Einkaufsbummel einen Euro oder für das unbegrenzte Parkvergnügen zwei Euro bezahlen muß, wäre ich unten geblieben und hätte mir vielleicht den ganzen Recherchebummel geschenkt. Gleich und gleich gesellt sich gern, so sagt man und ich hätte annehmen können, daß ich in den Geschäften noch einmal Eintrittsgeld entrichten muß. Möglich ist alles, was der Gewinnoptimierung dient und das bar jeder Vernunft.

Für was zahlt man da eigentlich? Und warum an die Contipark, über deren Geschäftsmodell schon oft in Funk- und Fernsehen berichtet wurde? Weil sie ein Partner der Deutschen Bahn AG ist? Laut Pressegetrommel soll ja gleich hinter dem Neumarkt-Center der lang ersehnte S-Bahn Haltepunkt entstehen.

Klick. S-Bahn Haltepunkt. In meinem Unterbewußtsein ordnet die Erfahrungsbibliothek das bisher Gesehene und schaltet mein Gehirn auf erhöhte Aufmerksamkeit. S-Bahnhof?
Das Einkaufsparadies ist ein Flachbau, der über das Erdgeschoß nicht hinausgekommen ist. Die gesamte Nutzfläche des Daches nennt sich Parkdeck und versprüht den Charme eines Flugzeugträgers der rumänischen Streitkräfte. Bestenfalls. Ein Kellergeschoß gibt es nicht. Das Betriebsgelände wurde komplett mit einer Betondecke versiegelt. Was darunter im Erdreich an Altlasten lagert, weiß niemand so recht genau. Man wollte auch nicht zu neugierig sein und beließ es bei ein paar Probebohrungen. Falls da unten wirklich ein paar Chemikalien vor sich hinseuchen, so ist das nicht allzu tragisch. Irgendwann wird daraus mal Erdöl oder das Grundwasser spült die Relikte in homöopathischen Dosen in die Elbe.


Abwärts geht es über Rolltreppen oder diesem Abstieg, der im Nordatlantikwall-Gedächtnisstil gestaltet wurde. So sehen Bahnhofsabgänge aus, wenn sich noch nicht von der Muse gepeinigte Graffiti-Künstler daran vergangen haben. Das dürfte demnächst der Fall sein. Sprayer schlafen nicht.
Sollten den Bau nicht Keramikfliesen zieren? So als Erinnerung an das alte Plattenwerk? Hier wäre genug Platz dafür gewesen. Aber wenn der Bauträger ein Herz für junge Sachbeschädiger hat, muß man das akzeptieren.


Deichmann und Medimax sind hier schön über Eck arrangiert. Da wird sich jeder Tourist sofort wie zu Hause fühlen. Oder wie auf einem Bahnhof. Der Gedanke daran läßt mich einfach nicht mehr los.


Obwohl es links einen Durchgang zu weiteren Geschäften gibt, wähle ich den Gang über diese Treppe, um erst einmal Abstand zum Gebäude zu finden und mich zu sammeln. Die Treppe ist sehr steil gehalten und wirkt irgendwie lieblos an diesen Reling geklatscht. Aber für den, der steil nach oben will, ist sie maßgenau gebaut. Schüler, Azubis, Rentner und Wehrdienstleistende, die damit überfordert sind, können ja den barrierefreien Zugang wählen.


Gegenüber scheint die Baufreude weiter frohgemut zu wüten. Vielleicht hat die Kaufkraft in Meißen Blut geleckt und eine Bedarfsanalyse festgestellt, daß noch Verkaufsflächen benötigt werden, um der Kapitalkraft des Bürgers stand halten zu können? So abwegig ist das gar nicht. Investoren, denen die Bank und die eigenen Aktionäre im Nacken sitzen, kommen auf noch seltsamere Ideen. So lange gebaut wird, sprudelt die Geldquelle notgedrungen auf dem fahrenden Zug mit. So hat man Spielraum, um die Finanzen nach Belieben hin und her zu schieben. Vielleicht rentiert sich sogar eine Investition? Wer kann das schon wissen? Die Arbeitsmethode nach Dr. Jürgen Schneider hat gute Grundlagen, sie müßte aber noch etwas ausgefeilt werden, damit am Ende nicht nur eine themenbezogene Stadtführung den eigenen Namen trägt.


Wieder rechts herum führt eine Auffahrt zurück ins vollendete Neubauwerk. Noch ziert es sich, noch ist nicht viel zu sehen...


... aber ist man oben angelangt, offenbart es sich. Wie man es nimmt. Rechterhand führt ein Tunnel zurück zu Deichmann und Medimax, den, neben C & A, sogenannten Ankermietern. Bis dahin haben links Mietpartner ihre Heimstatt gefunden. Ein Hoch den Worterfindern in der Immobilienbranche. Die letzte Kategorie, in die ein Mieter eingestuft werden kann, heißt vermutlich Mietling.
Etwas duster erscheint das Ganze, aber so kommt die Leuchtreklame gut zur Geltung und die Schaufenster würden auch ohne Inhalt optimistisch strahlen. Strategisch in die Zukunft gesehen, macht das sicher einen Sinn.


Einkaufen kann so schön sein. Wenn man woanders hinfährt. Wieso gibt’s hier kein Glasdach? Weil damit dieser Billigbetonbau von der Stange einen Wiederverkaufswert hätte? Wer hatte getönt, man habe mit diesem Bau etwas Großes erschaffen? Davon will man sich schließlich nicht so schnell wieder trennen. Das ist ja verständlich. Und es tut ja noch nicht Not. Die Kaufkraft zu Meißen wird hier schon nicht im Regen stehen bleiben und zur Traufe weiterlatschen.


Womit sie auf dem Promenadendeck wäre. Die Kaufkraft. Ich identifiziere mich schon mit ihr. Das kann nicht gut gehen. Egal. Einsichtig verläßt sie mich ja sofort wieder.

Rechts gibt es Shopping-Adventures und links den berühmten Stau von Meißen. Aber das wäre ein gesondert zu behandelndes Thema, was den Rahmen meiner Berichterstattung sprengen würde. Außerdem fließt der Verkehr gerade flüssig Richtung Elbe. Das zu erwähnen kann ich mir wegen der vielen Unkenrufe aus dem Miesmacherlager nicht verkneifen. Nix ist es mit Dauerstau trotz einer neuen Ampel. Die zehn Autos, die ich auf dem Parkdeck gesehen habe, vertun sich bei der Abfahrt. Wegen denen bricht der Verkehr nicht wie gewohnt zusammen. Bei elf Autos könnte es allerdings eng werden. Eine kleine Testfahrt wird sich wohl anschließend nicht vermeiden lassen.


Apropos Verkehr: Die Bushaltestelle gibt’s direkt vor der Haustür. Eine Fahrspur ist auch nur für den Nahverkehr vorgesehen. Vorbildlich. Der Meißner kommt so ganz gut durch die Stadt. Für Touristen ist das weniger interessant. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt lassen sich erlaufen oder müssen erlaufen werden.


Auf der anderen Straßenseite erregt ein Schild meine Aufmerksamkeit. Es zeugt von der völlig unbegründeten Angst der Kleinhändler vor dem Fachmarktcenter. So viel hat sich seit seiner Eröffnung im Angebotsgefüge ja nicht geändert. So viel wie ich weiß, sind die meisten Händler, die jetzt im Betonprunkbau residieren, nur innerhalb der Stadt umgezogen. Nur zwei oder drei Handelsketten sind neu. So viel zum Thema 250 neu geschaffene Arbeitsplätze. Sie wurden nur an einem anderen Standort neu eingerichtet. Die Händler werden ihre Angestellten ja nicht irgendwo an einen Baum gebunden haben, sondern sie mit in das neue Ambiente umziehen lassen. Wer tönte von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen im niedrig qualifizierten Bereich? Gemeint sind wohl Jobs im Niedriglohnsektor. Niedrig qualifizierte Arbeitnehmer hat die Stadt schon genug, obwohl die sich einen Wolf studiert haben. Aber das ist auch schon wieder ein anderes Thema.


Nur welche Geschäfte meint das Schild? Spaß beiseite. Die Läden sind natürlich auf der anderen Seite. Die Sanierung des Hahnemannplatzes steht wohl als Nächstes an. Allerdings vollführt das die Stadt in Eigenregie. Zumindest gehe ich davon aus. Noch einmal wird sie sich ja nicht von einem Investor so verkaspern lassen.


Richtig. Der Traum in Stahl und Beton heißt offiziell Neumarkt-Arkaden. Und warum? Weil er am Neumarkt steht. Eine Arkade ist nichts weiter als ein Bogen auf zwei Säulen oder neuerdings ein Marketing-Trick. Dieser heißt Penny-Arkaden oder Amusement-Arkaden und darf vollständig auf Bögen und Säulen verzichten. Gemeint sind damit schnöde Einkaufspassagen, wie man sie von hier aus gesehen vermuten darf.


Man muß dem Architekten schon dankbar sein, daß er es nicht bei einem einfachen Flachdach belassen, sondern kurze Blechbögen mit Stahlsäulen, als Regenschutz für die Treppen vom Parkdeck nach unten, verwurstet hat. Somit wäre der Bezeichnung Arkaden genüge getan. Lobet ihn; er hätte es nicht tun müssen.
Was er tun mußte, war eine Vorgabe der Stadt zu erfüllen, die vorschrieb, in der Fassadengestaltung keramische Platten einzuarbeiten. Eben aus historischen Gründen. In Dresden sind rund um den Altmarkt deshalb zwingend Sandsteinverkleidungen vorgeschrieben. Hier in Meißen sollten wenigstens die Säulen im historischen Keramikgewand den Fachmarkt zieren. Was sie auch tun. Siehe Pfeil. Den Bauausschuß der Stadt zierten lange Gesichter, als er seine Auflage verwirklicht sah. Warum auch immer.


Zurück im Arkadengang möchte ich noch auf den rollstuhlgerechten Zugang verweisen. Die Kaufkraft wird ihn ja nicht nötig haben, aber dem einem oder anderem Passanten den Weg ins Einkaufszentrum erleichtern. Stichwort: Zu steile Treppen.


Im Inneren des Ganzen angekommen, klingelt es endlich bei mir. Klar, nach was sieht das denn aus? Richtig. Den Meißnern hat man hier unter falschem Vorwand einen niegelnagelneuen Bahnhof untergejubelt. Mit Einkaufspassage. Respekt! So tut man Gutes ohne lange Diskussionen und stellt die notorischen Nörgler und Querulanten vor vollendete Tatsachen. Platz für Fahrkartenschalter ist zwar keiner, aber so einen überflüssigen Kostenfaktor sieht die Bahn AG sowieso nicht mehr vor. Abkassiert wird dann im Zug.


Links oben befindet sich das S-Bahn Gleis, was angezapft werden soll. Genauer: Ein zweites Gleis soll noch verlegt werden und dazwischen bliebe noch Platz für einen Bahnsteig in Insellage. Bei Insellage fällt mir spontan Inselbegabung ein. Aber die hat mit meinem Recherchen wohl nichts zu tun.
Hier schwant mir Einiges. Ich bin ja lernfähig und nicht gegen ein Paddel geknallt. Über die Konstellation S-Bahn Haltepunkt, und Zugang zum Neumarkt, dürfte kein schneller Segen liegen. Ich höre die Schildbürgerstreiche und Fehlplanungen schon vom Dach des Arkadenbahnhofs pfeifen.


Mondäne Eleganz aus Stahl und Glas. Wer hier aus der S-Bahn fällt, muß den Eindruck haben, in einer Weltstadt angekommen zu sein. Die Bahnhofshalle ist ja so hoch, daß man von Meißen nichts mehr sieht.


Für mich wird es jetzt Zeit für einen kleinen Einkauf, mit einer auf Sparflamme regulierten Kaufkraft. Dafür wähle ich den REWE-Markt. Außer einem Fleischer mit Imbißbude, zwei Bäckern – einer davon ist Sternenbäck (über 200 Filialen), der andere Möbius (nur knapp 50) – bietet keiner Lebensmittel an oder ich habe etwas übersehen (der Blumenladen zählt nicht). Der REWE sieht aus, wie ein REWE auszusehen hat. Da gibt es nichts zu meckern.


Vier Kassen sind installiert und könnten gleichzeitig am Start sein. Da war wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken. Machen wir uns nichts vor; mehr als zwei Kassen werden hier nicht gebraucht. Aber das sieht so etwas von mickrig aus. Vier dagegen stellen schon etwas dar.


Weiter geht’s durch die Halle. Entweder drohe ich zu unterzuckern oder vor mir steht wirklich die Kaufkraft von Meißen? Ein wenig pixelig im Gesicht, als würde sie nicht erkannt werden wollen?


Ich weiß nicht. So lässig wie sie sich auf den Einkaufswagen stützt? Es könnte sie sein! Oder ist es das Maskottchen des Neumarkt-Arkaden-Bahnhofs-Fachmarktes? Das Rätsel kann ich jetzt nicht lösen, denn ich bin zu feige, um nachzufragen und zu unterzuckert, um bei einer Schlägerei mit einem ausgewachsenen Mann bestehen zu können.


An der Kasse gibt es eine gelungene Überraschung für mich. Die Frau im blütenweißen Kittel zaubert eine Geldwertkarte über einen Euro aus dem Ärmel. Damit kann ich meine Parkgebühren bezahlen oder die Parkzeit auf unbegrenzte Zeit (was die Contipark unter unbegrenzt versteht, weiß sicher jede Verbraucherzentrale bundesweit) verlängern. Aber warum sollte ich das tun? Die Märkte hier gibt es überall. In jedem neu eröffneten Karnickelstall, irgendwo auf dem Dorf natürlich nicht. Aber sonst? Wer hat getönt, die Kaufkraft mit diesem »Bahn«-brechenden Bauwerk nicht nur in Meißen zu binden, sondern sie auch von Auswärts anziehen zu können? Dem empfehle ich einen Rundgang durch das Elbecenter. Die wissen, wie man so etwas macht.


Was bleibt, ist ein Blick in die Schandgasse zu Meißen. Auch Schandgang genannt. Hier müssen alle durch, die den Bau, in dieser Form, zu verantworten haben. Oben vom Dach darf der geneigte Bürger dabei Teer und Federn fallen lassen. Auf Antrag können auch Steinigungen genehmigt und durchgeführt werden. Nein, das ist natürlich Quatsch. Hier müssen nur Verkäufer Spießruten laufen, wenn deren Umsatz zu wünschen übrig läßt.


Auf das Parkdeck gelange ich diesmal über eine Rolltreppe. Dabei kann man den Mannen vom 300.000. Vodafone-Laden zwar nicht über die Schulter, aber beim Kundengespräch zusehen. Vodafone muß traumhafte Provisionen zahlen, anders kann ich mir diese Expansion nicht erklären.
Die Führungsbunkertreppe ist vermutlich schon in der Umgestaltungsphase. Dem Schriftzug »SGD« oder »SG Dynamo« oder »Dynamo Dresden« wird sie sich nicht entziehen können. Dem möchte ich nicht störend entgegenlaufen. Vermutlich sind die Künstler sogar bewaffnet. Mit Spraydosen und Dummheit. Das muß ich mir nicht auch noch antun.


Von hier oben gelingt noch ein Blick in die nicht überdachte Passage. Das sieht so trostlos aus, daß in mir schon fast Mitleid aufkeimt. Mir wird nur nicht klar, mit wem.


Ja, das war fast zu erwarten. Meine schöne Geldwertkarte wird vom Contiparkautomaten nicht akzeptiert. Mir ist es echt scheißegal, wer die Schuld dabei hat. Es paßt einfach ins Bild und ich trolle mich in Richtung Triebischtal.
Das hat seinen Grund. Hier ist zwar nicht die Kaufkraft zu Hause, aber ein grundlegendes Ungemach. Ich meine jetzt nicht die Spezialisten für Park- und Bahnhofsanlagen, die man gern im Niedriglohnsektor unterbringen würde, um das Stadtsäckel zu entlasten, sondern den Ursprung allen Übels dieser Stadt: Den Stau. Er ist der Dämon, der Schrecken für die Konjunktur, die Gewerbeansiedlung, den Tourismus und was sich sonst noch an den Haaren herbeiziehen läßt. Trotz diverser Baumaßnahmen, wie die neue Brücke, der Tunnel Richtung Nossen (Deutschlands steilster Tunnel und sozusagen die Steilvorlage zu den Treppen am zukünftigen S-Bahn Haltepunkt Altstadt) und diverser anderer Straßenbauarbeiten, bekommt man das Problem einfach nicht in den Griff. Vom Triebischtal aus kann man nur über eine Straße Richtung Elbe fahren. Blöderweise münden in sie Zufahrtswege, deren Autos in dieselbe Richtung wollen. Also hat man Ampeln aufgestellt oder vertraut auf das Reißverschlußsystem, was dem Meißner Autofahrer ins Blut, in die Gene übergegangen ist und damit seit Jahrzehnten auch vererbt wird. Die einzigen Kunden weltweit, die sich im Supermarkt an der Kasse nach dem Reißverschlußprinzip einordnen, sind Meißner Herkunft.

Für meine Recherche habe ich drei Stunden eingeplant, aber nur eine in Anspruch genommen. Bleiben zwei Stunden die ich im Stau, zu Testzwecken, verbringen könnte. Das würde unter Umständen zwar knapp werden aber da ich alle Zeit dieser Welt habe, bin ich bereit ein paar Überstunden zu schieben.


Wenn der Stau mich gelassen hätte. Wider Erwarten ging es zügig voran und an den bekannten Engstellen zeigte man sich kooperativ. Das Reißverschlußprinzip. Die geplante grüne Welle fand zwar nur von Ampel zu Ampel statt, aber ein guter Wille war erkennbar. Nicht mal 15min brauchte ich von der Porzellanmanufaktur bis über die Elbe zu Meißens Hauptbahnhof. Der wiederum ein Thema für sich ist.


Mein Resümee: In Ruhe betrachtet, gibt es keinen Grund sich über Neumarkt-Arkaden aufzuregen. Jeder Beteiligte hat seinen Schnitt gemacht, der Bürger wird sich an alles gewöhnen, er hat was zum Shoppen, einen neuen Bahnhof und es ist schon größerer, allerdings preisgekrönter, Bockmist gebaut worden. Jetzt heißt es für den Meißner damit leben und es akzeptieren müssen. Vielleicht bietet sich, in den nun leer stehenden Ladenlokalen Restmeißens, für manchen die Chance seines Lebens? Die Mieten dürften sich jetzt nach unten anpassen lassen. Was spricht eigentlich gegen einen Penny Markt? Gibt’s schon einen Freßnapf? Einen Erotikshop? Sex geht eigentlich immer. Schlecker? Nein? Ein Sonnenstudio vielleicht? Zum Kaufkraft blenden? Etwas Unternehmergeist hat noch niemandem geschadet, und was am Markt alles möglich ist, weiß keiner besser als der Bürger Meißens. Der von Gott Auserwählte.

Wieviel von den nötigen 23 Mio wurden eigentlich verbaut?

Ach ja, was ich ganz vergaß ist, daß, sozusagen in einem Abwasch, das denkmalgeschützte Teichert-Haus, was in den Bau der Neumarkt-Arkaden Meißens integriert werden mußte, komplett saniert wurde. Mieter sind da noch willkommen.

Montag, 5. März 2012

Friedhofsbummel 2 – ein Nachtrag


Wie angedroht, schiebe ich nun die Bilder vom Äußeren Friedhof Briesnitz dem Bericht über den Inneren Friedhof meines Kollegen Octapolis auf Channel666.blogspot.com nach.
Aber ich dachte mir, den Octa mit seinen morbiden Photos, so voller in Sandstein gehauener Todesnähe, kannst du eh nicht toppen, da schmetterst du dem Frühling ein lautes »JA!« entgegen und machst einen auf bunte Bilder voller Enthusiasmus und Lebensfreude. Solange man einen Friedhof alleine wieder verlassen kann, sollte dies nicht schwerfallen und wenn nicht, ist es doch eh egal. Das Schöne am Todsein ist, daß man davon nichts mehr mitbekommt und es weder bedauern noch sich darüber aufregen kann. Und da ich mit der Zeit flexibler umzugehen vermag als andere Zeitgenossen, gibt’s ein paar Bilder, auf denen es schon wärmer und grüner ist.


Von außen sieht der Todesacker aus wie ein normaler Friedhof, obwohl nichts explizit darauf hinweist. Es könnte sich auch um eine Baumschule, eine rumänische Kaserne oder eine Abdeckerei handeln, aber auf die Idee kommt man gar nicht, wenn man den Eingang so sieht. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch eine Bushaltestelle. Warum auch immer.


Die Alarmanlage deutet eher auf ein Ladengeschäft in einem von Braunkohlentagebau bedrohten Dorfes hin als auf einen Totenhain. Man könnte einen EDEKA oder einen Getränkehandel vermuten. Was der Knaller wäre, verspüre ich doch ein Verlangen nach etwas Erfrischung.


Das Schild unmittelbar links nach dem Tor, passend zum Zaun, läßt keine Zweifel aufkommen. Ich befinde mich tatsächlich auf dem Äußeren Friedhof. Aber alles, was ich bis jetzt sah, verströmte einen Hauch der zweiten Moderne und den eines nationalen Aufbauwerkes. Erbaut oder eingerichtet wurde der Gottesacker um 1880, weil die Kapazität des Inneren Friedhofes, der sich in unmittelbarer Nähe, an der alten Briesnitzer Kirche, befindet, zu wünschen übrig ließ. Der besteht vermutlich seit 1270 und ist demzufolge auch hoffnungslos veraltet. Schon alleine seine Toiletten müßten inzwischen zum Himmel stinken.


Hier haben die Toiletten sogar einen eigenen Warteraum. Herrlich. Sind alle Boxen besetzt, muß man trotzdem nicht in der Schlange stehen, sondern man setzt sich in das Wartezimmer und kann derweil in der Apothekenrundschau oder in der Bibel schmökern. Gut, dabei einen Kaffee trinken, wäre nicht die beste Idee, aber vielleicht hinterher? Wenn man noch auf jemanden warten muß? Wer geht schon auf einem Friedhof alleine aufs Klo? Na, also.


Die Solaranlage verrät, daß die Friedhofsverwaltung im Hier und Heute angekommen ist. Damit läßt sich der schnelle Rubel machen, den man scheinbar in den Erhalt der Außenanlage wieder investiert. Weit gekommen bin ich im Gelände zwar noch nicht, aber der erste Eindruck überzeugt mich schon. Alles wirkt gepflegt und mit Liebe erhalten, wie man es sich von einem Familienbetrieb wünschen würde. Sogar auf das übliche Kirchentrallala wird weitestgehend verzichtet, so daß man sich als Atheist auch nicht belästigt fühlt. Daß hier keine Katholiken am Werk sind, muß ich nicht extra betonen. Die hätten hier alles ausgemerzt und getilgt, was einem am Leben erhalten kann und man sähe vor lauter Todesengeln und ans Kreuz Geschlagenen den Friedhof nicht mehr. Warum die erst auf die Welt kommen, wenn sie sich in ihr sowieso nicht zu recht finden können und so sehr am Tod hängen, daß sie paradoxerweise ohne seine ständige Nähe gar nicht lebensfähig sind, konnte mir bis jetzt auch noch keiner schlüssig erklären.


Neben dem Warteraum und der Kapelle, ich gehe mal davon aus, daß das eine ist, hat man noch etwas Freiraum gelassen. Hier könnte so ein Bierwagen mit Bockwurst und Limo für Zerstreuung und Sättigung sorgen. Vom Friedhof aus wäre er auch nicht zu sehen und könnte so kaum irgendeine Pietät stören. Ich weiß, daß der Gedanke daran etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber ich bin mir sicher, daß man irgendwann auf die Idee kommt, daß so ein schöner Park, mit den vielen schönen Steinen, belebt werden muß, um sich neue Einnahmequellen zu erschließen. Totenruhe hin, Totenruhe her. Hat die jemals einer gefragt, was sie von einer Cafeteria hier halten würden? Nein. Die sind tot, die haben die Klappe zu halten. Schöne Demokratie. Bei den Amis sind sie mal wieder weiter. Auf dem Friedhof in Hollywood gibt’s in der Sommersaison abends Freilichtkino und die angesagtesten DJs legen am Wochenende auf. Da wird auf den Gräbern getanzt, Bierbecher umgeschmissen und in weniger frequentierten Ecken Kinder gezeugt. Letzteres natürlich nicht einfach so, als Spaß an der Freude – man guckt vorher schon, wer beim Akt unter einem liegt. Da gibt’s genug Prominente, denen das schon zu Lebzeiten gefallen hätte. Was ist dagegen einzuwenden? Jeder hat seinen Spaß, die Friedhofskasse klingelt und von den dort Beerdigten hat sich auch noch keiner beschwert.


So aber nun weiter, sonst wird’s dunkel und ich will hier nicht als Geist mit einer Kerze herumirren. Die Gerätewand läßt fast keine Wünsche offen. Harken, Hacken und Spaten warten griffbereit und gut sortiert auf ihren Einsatz am jeweiligen Grab. Nur eine Feuerwehraxt zur Selbstverteidigung fehlt.


Gießkannen gibt’s in Zink und grünem Plaste, also werden beide Parteien, die jeweils auf ein Material bei der Grabbewässerung schwören, bedient. Nur keinen Streit. Die Wasserentnahmestellen sind großzügig bemessen ...


... und auch selbst reichlich vorhanden. Ich bin kurz versucht, darin ein Bad zu nehmen, so warm ist es heute geworden. Gleich so, wie Gott mich von der Leine, von der Nabelschnur gelassen hat. Ein frisch gewaschenes Handtuch habe ich ja immer mit dabei (Anmerk. d. Abt. Satz: Hinweis auf weiterführende Literatur). Nach kurzem Überlegen verweigere ich mir aber diese Wohltat. Wer weiß, wer da alles in den letzten 100 Jahren schon seine Füße drin gewaschen hat. Aus diesem Grund würde ich auch von Kindstaufen in den Natursteinbecken hier abraten. Es sei denn, man schmeißt vorher ein paar Chlortabletten zum desinfizieren in die grüne Suppe. 10 Stück müßten es schon sein. Meiner Schwester reicht eine für ihren Swimmingpool im Garten, da ist das Wasser aber auch wesentlich sauberer. Aber das läßt sich schwer mutmaßen, sie führt ja keine Taufen durch und da fehlt es schlicht an Erfahrungswerten. Außerdem weiß ich nicht einmal genau, ob die Evangeliken hier ihre Kinder nach der Geburt auch unters Wasser halten müssen, wie die Katholiken.


Womit wir beim Abfall wären. Ein ganz wichtiger Punkt. Umsonst heißt es ja nicht: Zeige mir deinen Abfall, und ich sage dir, was du wegschmeißt. Aber hier bin ich etwas irritiert: Was ist der Unterschied zwischen Laub, Blumen und Pflanzenresten? Gut, ich sehe die Welt wieder viel zu düster. Das »usw.« nach verrottbaren Abfällen interpretiere ich mal so: Einwickelpapier, Stullenreste, Kaffeesatz und leere Eierverpackungen. Für alles andere haben die ja die Gräber hier.


Was mir auch auffällt, sind die vielen Bänke am Wegesrand. Aller 15m kann man zusammenbrechen und sich ausruhen. Als wäre eine riesige Lagerhalle voll mit Parkbänken über das Areal geflogen und hätte sich hier über Bombenschächte genußvoll entleert. Oder ein edler Stifter hat vor hundert Jahren seine Goldminen in Südafrika via Testament instruiert, vom erwirtschafteten Gewinn 20 Parkbänke dem Briesnitzer Friedhof zu spenden. Was als Einmalwohltat gedacht war, wiederholt sich nun jedes Jahr, weil in der Verfügung die Jahreszahl schwer zu lesen ist und die Erben nichts falsch machen wollen.
Der Fels vor der Bank bietet sich geradezu als Opferstein an. Ob er momentan in Gebrauch ist, weiß ich nicht. Für schwarze Messen ist der Friedhof allerdings nicht gruftig genug. Ich glaube nicht, daß das Ambiente hier ausreicht, um Satan zu beschwören. Der würde sich einen Ast lachen und höchstens Erich Mielke nach oben schicken. Bestenfalls. Aber bestimmt käme nur Pittiplatsch oder Schnatterinchen durch die Grasnarbe geschossen.
Für eine Frau müßte der Fels reichen. Abends, wenn er ganz heiß strahlt, weil er von der Sonne aufgeladen wurde, seine Wärme ihren Rücken entspannt, und ihr die Nackenhaare willig vor Lust nach oben stehen ...


Überhaupt wäre der Friedhof gerade für Studentinnen eine Entdeckung. Hier sind sie an der frischen Luft, könnten sich sonnen, dabei fleißig lernen, sie hätten hier ihre Ruhe und wären doch nicht allein.


Ein Vögelchen würde ihnen Gesellschaft leisten und sie an die schönen Dinge im Leben erinnern.


Ganz hinten am Friedhof befindet sich noch eine schattige Wiese. Hier habe ich übrigens damals die Mauer durchbrochen und meine Bahn der Verwüstung durch die Gräberfelder gezogen. Aber das ist verjährt und der Friedhof ist von seinen Wunden genesen.
Gerüchten zu Folge ruhen hier Gorbitzer Kinder, die der Pest zum Opfer gefallen sind. Das muß aber gewesen sein, bevor der Friedhof entstand. Meines Wissens gab es 1680 das letzte große Pestjahr in Dresden. Wie dem auch sei. Hier jedenfalls will man es bei der Wiese belassen. Der Brennholzstapel ist nur eine Attrappe oder er wird woanders abgefackelt.


So, da sind wir schon am Ende der Exkursion angelangt. Abschließend möchte ich noch auf die hier oft verbauten Grabstelen hinweisen. Irgendwie faszinieren sie mich. Nicht, weil sie sicher nur ein Drittel kosten, als ein herkömmlicher Grabklotz, sondern, weil sie so außerirdisch wirken. Eher wie ein Andenkmal als ein Denkmal. »Wir waren hier, es war schön, bis zum nächstenmal! Seid gegrüßt!« Irgend so etwas.


Naja, wollen wir es dabei bewenden lassen. Wie immer nach so einem Friedhofsbesuch, überdenke ich meine letzte Ruhestatt. Was aus meinen Atomen so werden wird. Ein Teil davon wird sich beim Einäschern im Rauch und in der Luft davonmachen und ich hoffe, daß niemand, oder nur die eine oder andere auserwählte Person, daran erstickt und der Rest von mir sehnt sich dann nach einem verwilderten Garten. Einfach ausgekippt und breitgelatscht könnten sich meine Atome anderweitig zusammenkuscheln und als Dünger dienen. So stelle ich mir ein »nach Hause gehen« vor. Man möge mich mit einem Friedhof verschonen, zumindest, wenn es dort noch keine Kinovorstellungen gibt.

P.S. Ich haue die Fälle und Zeitformen nicht durcheinander. Ich gehe nur flexibler und genauer damit um. ☺

P.P.S. vom 6.3.: Kollege Octapolis hat es sich nicht nehmen lassen, zum Thema noch mal multimedial nachzulegen: Hier gucken!