Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Freitag, 12. Juli 2013

Hausmitteilung – Octapolis wohlauf!


Heute drudelte diese schon lang erwartete Papier-Mail bei mir ein. Aus Informantenschutzgründen mußte ich sie etwas neutraler gestalten. Die Hinterseite habe ich deswegen komplett geschwärzt. Man weiß ja nie, wer noch mitliest. Außer dem Staatsschutz natürlich. Der war vorher schon am Werk. Allerdings stellt der keine Gefahr da. Wir schreiben ja unchiffrierten Klartext. Der ist so harmlos, daß er von den Schlapphüten als besonders gefährlich eingestuft wird. Der Mediamarkt kann gar nicht so schnell nachliefern, wie denen in der Kryptodingsda die Rechner abrauchen. So kann man den Laden auch lahmlegen. Ein klein wenig ist unsere, aus konspirativen Gründen nur einseitige, Korrespondenz doch verschlüsselt: Wetter schlecht = Bier hier schmeckt nicht, oder starker Wind = keine Tankstelle zum Bier holen in der Nähe. Was er in dieser P-Mail geschrieben hat, habe ich auch gleich wieder vergessen. Sicher ist sicher. Nur eins kann ich noch mitteilen. Er ist wohlauf und kommt bald wieder.

Dienstag, 9. Juli 2013

Der Zoo in Dresden – eine Betrachtung


Nein, das ist nicht der Eingang zum Zoo, so sah er vielleicht vor dem Krieg aus, sondern der zu den Toiletten, direkt hinter dem Haupteingang. Strategisch gesehen ergibt dieser Standort durchaus einen Sinn. Bevor man sich auf eine Safari begibt, sollte man sein Wasser abschlagen, um, wenn Not am Mann ist, in der unbekannten und einem feindlich gesinnten Wildnis keinem Baum vertrauen zu müssen. Das wußten schon die alten Großwildjäger in ihren afrikanischen Kolonien und hier im Zoo wird diesem Erfahrungsschatz Rechnung getragen.


Die Toiletten selbst versprühen nicht nur den gewohnten Charme den gepflegte Stätten der Notdurft ihr eigen nennen, sie spiegeln auch ein wenig Glanz der Emanzipation auf den sauberen Kacheln wider. Ein Zeugnis vom Kampf des Mannes um Gleichberechtigung legt der in der Männerabteilung plazierte Babywickeltisch ab. Davon darf man in anderen öffentlichen Einrichtungen nur träumen. Ansonsten fühlt man sich darin wie in einer ganz normalen Toilette. Nichts deutet darauf hin, daß diese sich in einem Tierpark befindet. Ein paar Totenkopfschaben (Blaberus craniifer) könnten da schnell das richtige Flair verbreiten. Es müssen ja nicht gleich die Schlammspringer (Periophthalmus) sein. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Diese Tierchen haben einen ausgeprägten Sturkopf und finden ihre hohle Gasse von ganz allein. Das ist nur eine Frage der Zeit.


Der Zookasper ist krank. Gemeint ist wohl ein richtiger Kasper und kein alberner Tierpfleger. Wenn ich das Schild so sehen, fällt mir als passende Unpäßlichkeit nur eine mittel- bis schwere Depression ein. Das dazugehörige Kasperlehäusel macht einen seltsam verlassenen Eindruck und nach dem Laub, was sich unter den Zuschauerbänken angesammelt hat, zu urteilen, ist der Spaßmacher schon eine halbe Ewigkeit abwesend. Nun gut. Nein, so schlecht. Für mich ist es wenig dramatisch, denn wegen einer Kleinkunstvorführung bin ich ja nicht hier.


Vielleicht wollte er ja »Daniel in der Löwengrube« aufführen und wurde dabei angeknabbert. Das ist so ein alttestamentarisches »Glaube-an-Gott-und-bleib-ihm-treu-so-ward-dir-sicher-heimgeleucht« Spektakel, was kleine Kinder anspricht und dabei hilft, sie mit dem rechten Glauben zu vertoxen. Als Künstler ist man gezwungen religiöse Themen aufzugreifen, um sich zu nähren, auch wenn man sich selbst verleugnen muß. »Wessen Brot ich esse, dessen schmierige Komödie ich spiele.« Daniel soll gerade dies nicht getan haben. Das war wohl des Künstlers Denkfehler. In so einem Fall kann man zwar auch auf einem Gottvertrauen aufbauen aber ob das für einen auch gut ausgeht ist zweifelhaft. Es ist nicht neu, daß man sich auf dieser Basis selbst über- und den Hunger ausgewachsener Großkatzen unterschätzt. Nicht nur zu früh verblichene Großwildjäger, auch Spaßmacher aller Art mußten so, auf die eine oder andere unappetitliche Weise, Gottes Brachialpädagogik erfahren.

Aber sicher irre ich mich und der Graben ist nur eine innerbetriebliche Flutrinne. Der angrenzende Große Garten soll ja bei der letzten göttlichen Prüfung auch mit abgesoffen sein. Das wäre auf Dauer ein prima Freigehege für Wattwürmer gewesen. So weit vermag der Tierliebhaber aber nicht zu gehen, obwohl sich so ein ungeheures Potential in der Hundezucht ergeben hätte. Der Dresdner Schlammspringer wäre ein direkter Ableger der rentnerfreundlichen, rattenähnlichen Promenadenmischung geworden, wie sie jetzt schon im Park massenhaft vorkommt. Der ansteigende Bedarf an einem Hochwasserhund, der nicht im Matsch versinken kann, und der seinen Dienst auch bei einem Wasserstand oberhalb der Haustürklinke versieht, wird in Zukunft durch herkömmliche Rassen nicht zu decken sein. Aber ich schweife ab.

Zurück zur Pädagogik. Was bin ich? Es gibt ein Spiel, was sich unter Sozialpädagogen großer Beliebtheit erfreut und auf keiner ihrer Geburtstagsfeiern fehlen darf. Vorausgesetzt, man ist dabei mindestens zu zweit. Das ist die erste Hürde, die es bei diesem Zeitvertreib zu meistern gilt. Das Spielprinzip ist einfach und baut auf der Persönlichkeitsstruktur und dem Wunschdenken der Gescheiterten auf.
Man schreibt im geheimen auf einen kleinen Zettel, was oder wer man lieber auf dieser bösen Welt wäre und klebt es seinem Gegenüber auf die Stirn. Das machen alle Mitspieler, bis jeder so einen Schnipsel auf der Stirn trägt. Eine Problemprojektion nennt man das. Da man selbst das einem aufgeklebte Papier nicht sehen kann, muß man nun durch mehr oder weniger geschickte Fragen erraten, welche Rolle einem aufgedrückt wurde und sie für sich annehmen und erkennen. Das heißt, er muß herausfinden, wer er ist. Reihum darf jeder jeweils eine Frage stellen, die mit ja oder nein beantwortet wird. Von ihren realen Erlebniswelten unterscheidet sich das Spiel somit nicht, was es so beliebt und einfach nachzuvollziehen macht. Auf die Idee, Sozpäd auf den Zettel zu schreiben, ist noch keiner gekommen, weil es sich von selbst verbietet. Ein Spiel, in dem keiner gewinnen kann, aber der Erste, der am Ende ist, sich freuen darf.


Warum mir gerade, beim Anblick dieser Schautafeln, dieses Spiel ins Hirn schießt, weiß weder ich noch mein Psycho, der seit Jahren versucht meine Assoziationsketten zu ergründen. Vielleicht sind es die einfach gehaltenen Abbilder von Rindviechern (Bovini) auf den großen (gelben) Klappen. Da ist nicht viel dahinter, außer noch ein Bild vom jeweiligen Horn- oder Geweihträger (Bovidae). Im anliegenden Gehege, oder einem kleinen Reservat – wie man es auch bezeichnen möchte – tummelt sich in aller Ruhe das Viehzeug selbst. Dort passiert nicht viel. Ab und zu ein unerhörter Brunftschrei von einem eingeschränkten Platzhirsch – das war es schon.


Zu den aufgeblasenen, fliegenden Fischen (Exocoetidae) fällt mir schon wieder das Sozpäd-Spiel ein. Oder Schlimmeres. Bunt bemalt, innen hohl, recht dünnhäutig und in sich zusammenfallend, wenn man ihr Inneres ergründen will – ein Sinnbild für so manches Ungemach auf diesen Planeten. Es muß nicht zwangsläufig eine, einem näher bekannte, Frau sein, nein, es steht, zum Beispiel, auch für überteuerte und mit Helium gefüllte Luftballons. Eine wahre Seuche die Kinderherzen erfreut und die eigene Geldbörse schröpft. Oder gesundschrumpft, wie eine andere Epidemie behauptet.

Die der Falschmünzer im weiteren Sinne. Wipper und Kipper hießen sie früher und heute wohl Banker und deren Hehler Staat. Im engeren, ganz engen Sinne aber leider nicht so eng, wie es nur ein Strick um den Hals zu sein vermag. Gut gegangen ist deren Geschäft schon damals nicht, die Preise explodierten und die Not war groß, und heutzutage sieht es, zwar unter einem anderen Omen, nicht anders aus.


Um diesen Umstand anzuklagen, nicht um die Freunde der Dyskalkulie zu erfreuen, hat man diesen Münzprägeautomaten aufgestellt. Oben versenkt man 1,05 € an echten Geld, dreht an der Kurbel und bekommt dafür 5 Cent Falschgeld wieder. Welch einprägsamer pädagogischer Effekt. So lernt man, wie ein Staat funktioniert.


Da wir gerade wieder bei der Pädagogik sind: Auffallend sind die sehr zahlreichen, lieb gemeinten, aber völlig überflüssigen Hinweisschilder. Wer beim Anblick einer zähnefletschenden Bestie (Bestia) sein Kind nicht in Sicherheit bringt und mit ihm die Absperrung zu derselben übersteigt, dessen Unvermögen ist so gravierend, daß er des verstehenden Lesens nicht kundig sein kann. Dem ist nicht zu helfen, außer sehr nachdrücklich beim Verlassen des Tierparkes.


Auf die Idee das kleine Faultier (Homo folivora) zu berühren kommt kein Mensch. Wozu auch? Es würde nur aufschrecken, den ernsthaften Besucher vor die Füße fallen und ihn in seinen Betrachtungen stören. Wenn man unbedingt irgend etwas streicheln muß, kann man ja das dafür vorgesehene Gehege aufsuchen.
Für Faultiere gelten die sonst rigiden Sicherungsvorkehrungen in Form von Absperrungen, Zäunen, Mauern usw. bis hin zu hermetisch abgeschirmten Arealen nicht. Je nach Gefährdungslage wurde die passende Abgrenzung gewählt.


Warum hier so nachlässig gearbeitet wurde, erschließt sich mir nicht. Was man hinter dem Fangnetz vage erkennen kann, sieht alles andere als harmlos aus. Es scheint sich auch um eine Futterstelle zu handeln, um einen hochsensiblen Bereich der einer besonderen Sicherung bedarf. Gerade bei der Nahrungsaufnahme kommt es immer wieder durch den angeborenen Futterneid zu Rangkämpfen, die leicht schwere Verletzungen nach sich ziehen können. Vielleicht ist das nur ein Provisorium, was mit Wasserwerfern und Gummigeschossen in Zaum gehalten wird. Von hier unten aus, sind diese wohl nicht zu bemerken.


Woanders wurde dieses Problem schon vollendet gelöst. Durch eine Glasscheibe abgeschirmt, hat man Einblick auf einen Einzelfutterplatz. Was hier weggesperrt wurde, muß weiblich sein. Zumindest essen die Frauen, die ich kenne, mit Vorliebe nichts anderes und wenn sie den Tisch verlassen, sieht es genau so aus. Welcher Mann jetzt mit der Idee der Glasscheibe liebäugelt: Vergeßt es. Damit kommt ihr nicht durch.


Nebenan ist der Kletterbaum vom Affen (Anthropoidea) verlassen. Wenn die Touri-Kinder Ferien haben, nehmen die sich Urlaub. Ihr Geschrei erträgt kein Primat auf Dauer. Auf den Tierschutz können sie nicht bauen. Der ist im Undercover-Einsatz in einem Hühnerstall.
Dieser Baum könnte auch ein Mahnmal für das Waldsterben sein. Der sieht aus, als würde er jeden Morgen im sauren Regen stehen. Er erinnert mich an einen Nachbarn. Wenn der vom Regen in die Traufe kommt, ist diese auch sauer. Der warme Regen ist die Freundin und die Traufe die Gattin. Beide sind chronisch sauer. Aufeinander und auf ihn. Aber er hat wenigstens die Wahl, wer auf ihm herumturnt und bei wem er verrottet.

So ist das Leben.


Das die Einkaufswagen alle sind, verwundert mich nicht. Die Leute löhnen tatsächlich 12 € Eintrittsgeld, um hier billig einkaufen zu können. Die Parkgebühren und den einen oder anderen 5 Euroschein, den man hier verschleudert, mal außer Acht gelassen. Aber was rege ich mich auf. Das Viehzeug braucht Futter und die Tierpfleger auch. Insofern ist es gut angelegtes Kapital. Welcher Discounter seine Kralle auf dem Tierpark und zu wenig Einkaufswagen hat, ist erst einmal egal. Einkaufen werde ich lieber zu Hause, im Laden nebenan – es ist schon spät, der Zoo schließt bald – und die zwei Beutel mit den leeren Flaschen nehme ich wieder mit. Deswegen war ich ja auch nicht hier.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Spaß mit Handwerkern – Episode 2


»Mensch, daß das so hoch ist!«

Deckenbeleuchtungen, auch wenn sie sich im Flur befinden, sind oben an der Decke angebracht. Das war früher im Osten so und es ist jetzt im Westen nicht anders. Der Unterschied besteht nur darin, daß man heutzutage einen Spezialisten braucht, um sie zu reparieren, während man früher einfach selbst die Glühbirne wechselte.

»Und die ist wirklich kaputt? Können sie mal knipsen?«

Kann ich nicht. Mein Handwerker steht genau vor dem Lichtschalter.

»Ach so, den habe ich nicht gesehen. Dann schalte ich mal. Mensch, daß die so hoch ist!«

Wenn man weiß, daß zu den natürlichen Feinden des Handwerkers der Kunde zählt, toleriert man in der ersten Kontaktaufnahme zu ihm seine Mätzchen. Man muß ihm das Gefühl geben, daß man ihn nicht nur ernst nimmt, sondern auch, daß er das Heft des Handelns in der Hand hält. Schließlich hat man ihn nicht gerufen, um sich mit ihm herumzustreiten.

»Geht nicht. So ein Mist aber auch!«

Meine Rede.

»Was mache ich denn da jetzt?«

Reparieren?

»Mensch, daß die so hoch ist! Ich habe doch keine Leiter mit! Die hat der Schorsch auf der Baustelle. Der baut eine Deckenbeleuchtung ein. Dafür braucht der die Leiter. Sonst kommt der nicht hoch!«

Hinfahren? Schorschi von der Leiter schubsen und mit dem Ding hier wieder antanzen?

»Nein, das geht nicht. Der Schorsch hat gleich Feierabend. Ich übrigens auch. Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Hause und wollte nur auf einen Sprung vorbeischauen. Ich dachte, daß wäre schnell erledigt. Aber, daß die so hoch ist! Das hätte ich nicht gedacht.«

3,80m lichte Höhe der Zimmer ist für ein altes Bürgerhaus die Norm. Auf meiner Straße wurden nur solche Häuser gebaut und man kann dies unschwer von außen feststellen, wenn man keine Leiter vor dem Kopf hat. Wieso hat seine Firma nur eine Leiter?

»Wir haben zwei! Eine ist weg. Die hat der Schorsch irgendwo stehengelassen. Ein Theater war das! Aber die hätte sowieso nicht in das Auto gepaßt. Ich bin doch mit meinem Privatwagen hier.«

Und mit dem Werkzeugkasten wollte er seinen Privatwagen nicht belasten, deshalb hat der das Teil in der Firma stehengelassen.

»Nein, der ist unten im Auto. Ich wollte bloß erstmal gucken kommen. Vielleicht geht die Beleuchtung inzwischen wieder. Manchmal ist es doof. Da fährt man los und dann ist nichts. Ich hole den jetzt mal.«

Ist das, was mir der Vermieter da geschickt hat, überhaupt eine Firma oder ist das so ein scheinsozialer Verein der sich Ein-Euro-Sklaven hält?

»Wie kommen sie jetzt darauf? Natürlich sind wir eine Firma! Seit 1948 legen wir Strom in die Häuser! Die Deckenbeleuchtung hier hat der Schorsch gemacht. Halogenstrahler! Zwei separate Stromkreise! Jeder hat seinen eigenen Trafo. Hübsch in die Decke eingelassen. Vor 5 Jahren war das erst! Die kann gar nicht kaputt sein, sagt der Meister. Den habe ich gerade angerufen.«

Was ist das: Man drückt auf den Lichtschalter und nichts passiert? Funktionstüchtig, aber abstrahlungsfrei?

»Lichtschalter ist ein gutes Stichwort. An dem kann es eigentlich nicht liegen aber manchmal steckt da der Teufel drin. Ich baue mal schnell einen neuen ein. Wo ist eigentlich der Sicherungskasten? Haben sie da mal reingeschaut?«

Dieser Kasten befindet sich direkt über dem Lichtschalter, auf Augenhöhe und steht offen.

»Gut, den habe ich nicht gesehen. Sicherung ist drin. Das war jetzt ein bißchen meine Hoffnung, daß es die nur rausgefeuert hat.«

Rausfeuern ist auch ein gutes Stichwort.

»Mist, mit dem neuen Schalter geht die auch nicht. Jetzt wird es eng.«

Nein, nicht eng, sondern hoch.

»Haben sie mal eine Leiter? Der Meister sagt, sie müssen eine haben!«

Woher will der das wissen?

»Bei solchen hohen Räumen braucht man eine Leiter, wenn zum Beispiel das Licht mal nicht geht. Zum Glühbirne wechseln.«

Meine Leiter steht als Blumenbank im Garten. Aber das werde ich dem nicht erzählen. Ich schleppe das Ding jetzt nicht in die dritte Etage. Der soll seine eigene Leiter mitbringen und wenn er sie verbummelt hat, gefälligst suchen!

»Das war der Schorsch, nicht ich! Aber eine zweite Leiter wäre schon nicht schlecht. Haben sie nicht eine Leiter?«

NEIN!

»Oder der Nachbar? Vielleicht hat der eine?«

NEIN! Wie wäre es mit einem Baumarkt? Die haben Leitern!

»Das kann ich nicht entscheiden. Da muß ich den Chef fragen, ob der mir eine neue Leiter zugesteht. Ich kann nicht einfach eine Leiter kaufen. Selbst brauche ich keine. Das heißt: Privat habe ich sogar zwei. Falls eine mal kaputt geht und ...«

... das Licht auch?

»... aber wissen sie was? Ohne Leiter wird das jetzt nichts. Außerdem habe ich Feierabend. Meine Frau wartet. Morgen Nachmittag habe ich ein bißchen Luft. Da fahre ich von der Firma aus erst zum Schorsch auf die Baustelle, ein paar Sicherungskästen hinbringen, da komme ich bei mir zu Hause vorbei, dort schnappe ich mir meine zweite Leiter und wenn der Schorsch mich nicht braucht, der braucht mich nie, schneie ich bei ihnen rein und wir gucken mal nach dem Licht.«

Wir?

»Zum Leiter halten brauche ich sie schon. Die ist ein bißchen wacklig und ich muß ja bis ganz da hoch! Mensch, daß das so hoch ist! Das hätte ich nicht gedacht! Haben sie morgen Zeit? So ab 15.00 Uhr?«

Das war an einem Dienstag. Nachdem ich am Mittwoch Nachmittag vergeblich auf den Schrauber gewartet hatte, rief mich abends sein Meister an und sagte den Termin für Donnerstag ab. Das war vorbildlich, wenn ich von dem Termin gewußt hätte. Das sein Mann schon am Dienstag am Werk war, nach meiner persönlichen Terminabsprache mit ihm höchst selbst, war ihm wohl entfallen. Womöglich lag es auch an seiner Unkenntnis über die Namen der einzelnen Wochentage. In seinem Wirrwar von »morgen«, »gestern« und »übermorgen« hatte er sich so verheddert, daß er meinen Strohhalm, in Form der Frage nach dem aktuellen Wochentag, ignorierte und mich auf »überübermorgen« vertröstete.
Wie ich erwarten konnte, klingelte es am Freitag und nicht am Sonnabend an meiner Tür. Der Meister persönlich hatte sich die einzig verbliebene Firmenleiter geschultert und den Werkzeugkasten unter dem Arm. Die Operation dauerte keine zwei Minuten, dann brannte das Licht wieder. Ein Mann vom Fach – so etwas ist ganz selten. Falls ich ihn noch einmal brauchen sollte, werde ich ihn allerdings gleich aus der Firma abholen. Ohne Terminabsprache. Sicher ist sicher.