Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Sonntag, 30. September 2012

Schuhzeitlose



»Tür zu! Und Schuhe abtreten!«

Die Tür geht von allein wieder zu und meine Schuhe sind abgeputzt. Gut, trampele ich eben noch ein wenig auf dem Abtreter rum.

»Ist das ein Sauwetter heute! Also der Kachelmann hat gesagt, – mein Sohn guckt jeden Abend bei dem im Internet vorbei – daß es morgen auch nicht besser wird. Ein Tief zieht vorüber und bringt kalte Polarluft mit. Heute Nacht soll es sogar schon Bodenfrost geben. Gott sei Dank hab ich die Dahlien schon ausgegraben. Das heißt, mein Mann war das. Der merkt auch, wenn es kälter wird. Dann hat der es im Kreuz. Das Reißen. Furchtbar sag ich ihnen. Leidend sieht der aus und er kann kaum noch krauchen. Ihren Mann haben sie doch auch an den Bandscheiben ...? Wie ...«

Geht das mal weiter hier? Die alte Schabracke quasselt quer über die Theke auf einen alten Garderobenständer ein. Das heißt, die zweite Mumie habe ich für einen gehalten, bis die anfing von ihren Mann und seinen geschrotteten Bandscheiben zu erzählen. Das passiert, wenn einen die Brille beschlägt und man nicht darüber nachdenkt, warum hier plötzlich ein Garderobenständer steht, den eigentlich keiner braucht, der aber trotzdem wüst behangen ist.

»Junger Mann! Ihr Schuh ist offen. Nicht das sie auf einen Senkel treten und hinfallen!«

Der Garderobenständer nickt zustimmend. Jetzt erkenne ich ihn. Das ist die vermoderte Alte aus dem vergammelten Haus unten an der Ecke. Die bekommt seit 200 Jahren Rente und hat den ganzen Tag nichts zu tun. Deswegen lungert sie hier herum und mimt die interessierte Zuhörerin. Aber es stimmt. Der Senkel ist lose. Bei den Latschen merkt man gar nicht, wenn der Knoten offen ist.

»Sind das etwa Springerstiefel?«

Was? Und wenn? Die sind bequem, rutschsicher, wasserdicht und halten ewig.

»Nein, das sind Arbeitsschuhe. Da sind Stahlkappen drin. Das sehe ich sofort. Mein Sohn hat auch solche Dinger. Warum auch immer.«

Außerdem kann man damit alten Schachteln, die einem mit ihrem Gewäsch auf den Keks gehen, wunderbar in den Allerwertesten treten. Gut, könnte man.

»Als er mir mit diesen Stiefeln das erstemal unter die Augen trat, ist mir was passiert! Ich hab doch gleich gesehen, daß der neue Schuhe anhat. Die waren geputzt. Also nicht geputzt, sondern noch sauber. Nicht so, wie bei dem jungen Mann hier. Der hat die heute früh frisch mit Schuhcreme eingeschmiert und blankpoliert. Das sehe ich sofort.«

Die Quasseltante zeigt auf meine Latschen und die Vogelscheuche nickt mir wohlwollend zu. Natürlich putze ich jeden früh meine Stiefel. Ich muß die jeden früh putzen. Das ist eine Zwangshandlung, eine Neurose die mich seit meinem Grundwehrdienst bei den bewaffneten Organen der DDR zuverlässig begleitet.

»Nicht, wie bei meinem Sohn. Der putzt sich ja nie die Schuhe. Der war auch nicht bei der Armee, wo er es hätte lernen können. Das war ja meine Hoffnung, daß man ihn dort zur Ordnung erzieht. Aber bei der Bundeswehr hatte man wohl andere Sorgen, als meinem Sohn etwas Vernünftiges beizubringen. So verlottert, wie sie ihn einberufen hatten, haben sie ihn auch wieder entlassen.«

Und vernünftig zu Saufen lernt man dort von ganz von allein.

»Der junge Mann hier war bestimmt bei der Armee, so schön wie der seine Stiefel geputzt hat.«

Sicher, ich war bei einer richtigen Armee und habe jeden Tag dort genossen. Beim Stiefelputzen.

»Nur, wie man sie sich ordentlich zubindet, muß er noch lernen.«

Klar, wir hatten nur Schaft- aber keine Schnürstiefel und im Kindergarten habe ich beim »Schleife binden lernen« gefehlt. Und zwar entschuldigt! Die Alte hat doch einen Treffer weg! So ein Knoten kann sich schon mal lösen. Egal, wie fest man den bindet.

»Also, ich sehe ja alles sofort. Mein Sohn kommt nun mit seinen neuen Schuhen und seiner Freundin aus dem Urlaub wieder. Die Freundin ist so eine blonde Superschlanke. Bei der habe ich immer Angst, daß sie vor Schwäche aus den Latschen kippt. Zu ihrer Jugendweihe muß die das letzte Mal etwas gegessen haben. Genau so verhungert sieht die aus.«

Und im Alter wird sie dem Garderobenständer gleichen. Die hat vor dem Krieg das letzte Mal gespeist. Seit dem gab es nur Flüssignahrung. Nicht gerührt oder geschüttelt, aber auf Ex.

»Bißchen fülliger wirkte sie da aber. So um die Hüfte und im Gesicht.«

So expandieren alle Frauen. Genau in der Reihenfolge: Erst schwabbelt die Hüfte über die Hose, dann wird das Gesicht schwammig, der Arsch wird breit und die Oberarme flach, nur der Busen bleibt so mickrig, wie er ist.

»Das habe ich sofort gesehen. Ich dachte schon, daß die schwanger ist. Aber von meinem Sohn? Na, ich weiß nicht. Und wozu hat der Stahlkappen in seinen Schuhen? Na, und dann ist mir was rausgerutscht!«

Erzähle! Die Altkleidersammlung stirbt gleich vor Neugier. Oder an den vielen Neuigkeiten die es hier gerade gibt. Ach, egal ...

»Da sag ich ihr, so als Spaß: ›Paß auf, das du meinem Sohni nicht auf die Füße trittst. Die Stahlkappen in seinen Schuhen halten nur 200kg aus!‹ Oh Gott! Da hatte ich ja was gesagt! Rums! Da war die Tür zu und die Frau weg!«

Köstlich. Die Frau ist rausgerannt, um zu kotzen. Das konnte sie aber nicht, weil sie nichts gegessen hatte.

»So ein Theater! Nur weil die im Urlaub 1kg zugenommen hat? 1kg? Das ist doch gar nichts!«

Bei dir sicherlich. Da fallen 20kg mehr oder weniger nicht ins Gewicht.

»Mein Sohn war den Tränen nahe! Angefleht hat der mich, damit ich sie um Entschuldigung bitte!«

So ein Weichei! Naja, Bundeswehr. Was will man da erwarten? Höchstens ungeputzte Stiefel.

»Gut, da habe ich eben um Verzeihung gebeten. Mit Blumen. Fresien. Die waren im Angebot. Beinahe hätte ich der noch eine Bonboniere geschenkt. Naja, egal. Regnet das eigentlich immer noch?«

Der Garderobenständer und ich schauen aus dem Fenster. Es regnet. Immer noch.

»Junger Mann? Meinen sie nicht auch, daß sie etwas zu luftig für dieses Wetter angezogen sind? Bei dem Regen ohne Jacke? Nicht, daß sie sich erkälten!«

Die spinnt doch! Junger Mann! Theoretisch könnte ich einen schulpflichtigen Enkel dabeihaben. Wobei eigentlich? Warum bin ich hier? Die macht einen ganz meschugge. Außerdem wohne ich gegenüber. Für einmal über die Straße flitzen brauche ich keine Jacke.

»Das nächste Mal ziehen sie sich aber etwas über! Sie hätten wenigstens an einen Schirm denken können!«

Zum Abwehren von bösen Geistern oder was? Hätte ich geahnt, daß mich hier eine Gespensterbahn erwartet ... Aber »Denken« heißt auch Erinnern. Was wollte ich hier?

»So, was bekommen sie denn nun?«

Schuhcreme. Nein! Ein Mischbrot und fünf Semmeln.

»Aber junger Mann! Das hätte ich nun nicht von ihnen gedacht. Sie sehen nicht aus, als könnten sie keine ganzen Sätze bilden. Bei meinem Sohn, ja, da hätte ich nichts anderes erwartet. Der war ...«

... ja auch nur beim Bund, ich weiß. Dann eben im ganzen Satz. Das ist jetzt auch egal. Hauptsache sie hält jetzt endlich ihre Klappe und gibt mir meine Brötchen.

»Sehr schön. Es klappt doch, wenn man sich etwas Mühe gibt. Wollen sie dazu eine Tüte oder geht das so?«

Es geht ohne. Ohne Tüte und Gelaber. Ich bin eh am Ende meiner Kraft. Dieses pädagogisch wertvolle Gesabber konnte ich noch nie lange ertragen. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich erstmal meine Schuhe putzen, um mich wieder zu beruhigen. Manche gehen duschen, wenn sie sich angepißt und schmutzig fühlen und ich poliere eben meine Latschen.

»Das geht doch nicht so. Nehmen sie mal lieber eine Plastetüte mit. Nicht, daß wieder ihr Schuh aufgeht und sie dann stürzen. Bei dem Regen wird sonst das Brot auch so naß, da müssen sie nicht erst hinfallen.«

Aaaaarrrghhhhhhh

Samstag, 22. September 2012

Wenn die Seele verdorrt, treibt sie seltsame Blüten


An einem Seelenbaum zum Beispiel. Man möchte es nicht glauben, aber das abgestorbene Mickerding soll tatsächlich einer sein, und die bunten Kärtchen an ihm seine Blüten. Aber, um diese geht es mir gar nicht. Ich habe ihre Botschaften an die Welt, den Wind und den Landschaftsgärtner nicht einmal gelesen. Was soll schon darauf stehen? Regelmäßig, mindestens zweimal pro Woche, gießen? Nein, es sind mit Sicherheit Verse aus einem Selbstfindungsbuch einer bürgernahen Betroffenheitsbibliothek. Das muß ich mir nicht antun.


Mir reicht schon die offizielle Beschilderung. In einem leidgeprüften Deutsch gehalten, informiert sie uns darüber, daß hier drei »Vereine« plus Werbeagentur am Werk waren, um einen Baum zu pflanzen. Da wurde augenscheinlich am falschen Ende gespart. Hätte man noch das Goethe-Institut für die ersten zwei Sätze, und ein Forstamt für das Pflanzen des Baumes bemüht, wäre aus dem Mahnmal vielleicht etwas geworden. Aber so sind die feierlich gemeinten Worte nur zum inhaltslosen Gestammel, und der Baum an sich, verkommen.

Warum zum Teufel, müssen im Grunde ehrenwerte Anliegen, wie diese, immer durch derart symbolhafte Rituale der Lächerlichkeit preisgegeben werden? Weil den Sozialpädagogen nichts Besseres einfällt? Weil die in ihrer Kindheit zu lange vor einem Altar gekniet haben? Weil sie womöglich von ihren Eltern dort ausgesetzt oder vergessen wurden? Und warum machen Therapeuten so einen Unfug mit? Weil sie den Glauben an den Chemiebaukasten verloren haben, und deshalb denken, auf die magischen Kräfte der Natur zurückgreifen zu müssen? Bei Sozialpädagogen? Da können sie auch gleich schamanische Schwitzhütten errichten, Misteln mit goldenen Sicheln schneiden, wie die keltischen Druiden es taten, und daraus bildungsferne Zaubertränke brauen. Helfen wird das genau so wenig, wie man verwirrten, manischen Helfern eben nicht helfen kann.

Komm, wir pflanzen ein Bäumchen, setzen ein Zeichen, und erfreuen uns daran. Blinder Aktionismus, wie er in manchen sozialen Berufen zur Hauptbeschäftigung mit sich selbst gehört – auch gute fachlich-qualifizierte Arbeit genannt – anstatt ergebnisorientierter Aufgabenstellung und deren Bewältigung. Ich weiß, daß die Initiatoren dieser Aktion es sich nicht so einfach machen. Mit ein wenig halbherziger Recherche erlangt jeder diese Erkenntnis. Aber ich kann nichts dafür, wenn das Bäumlepflanzen diesen Eindruck bei mir hinterläßt. Auch gebe ich gerne zu, daß ich selbst keine brauchbaren Vorschläge habe, um der Problematik des dramatischen Anstiegs seelischer Erkrankungen in unserem Land eine Öffentlichkeit zu geben. Mit mittelalterlich-magischen Ritualen funktioniert das sicher nicht. Vor allem, wenn man diese dann vergammeln läßt. Im Volksmund heißt es dann: Das waren die Bekloppten.

Das sogenannte klassische Eigentor. Ich wähle hier bewußt die Fußballsprache, weil ich weiß, daß die von der breiten Masse auch verstanden wird. Aber die Flanke zum volksnahen Sprachschatz eines Helmut Kohl oder zum Sprachgebrauch eines, der Müllhaufen der Geschichte habe ihn selig, Franz Josef Strauß will mir nicht gelingen. Das wäre notwendig, um mich partei- und intelligenzübergreifend zu diesem Thema nachhaltig äußern zu können.

Vielleicht hilft da wirklich das metaphern vom Seelenbaum? Der Appell an kindliche Urinstinkte und -ängste verklausuliert in faunische Wunsch- oder Alpträume? Die unerschütterliche Kraft eines uralten Baumes an seiner Seite zu wissen, ist doch eine feine Sache. Vor allem, wenn er die eigene Seele verkörpert. Da kann einem nichts passieren. Wenn man, zum Beispiel, den Freitod durch Erhängen in Erwägung zieht. Wer das schon mal probiert hat, weiß, daß dieses Unterfangen, oder Unterhangen, einen vor unlösbare Probleme stellen kann. Ist der Strick zu kurz, und damit die eigene Fallgeschwindigkeit zu gering, greift das Trägheitsgesetz nur halb und es knackt nicht wie erwartet im Genick, sondern man zappelt eine gefühlte Ewigkeit da herum, bis einem die Luft ausgeht. Andererseits kann es durchaus passieren, daß man nur den Ast abreißt, auf den man vorher gesessen hat und dieser einen dann, wenn nicht er-, nur krankenhausreif schlägt. Dort – wir ahnen es – muß man dann Bäumchen pflanzen oder nur still malen.

Quelle: larimarenergiebalance.blogspot.com

Dann, beim Malen oder »drüber Reden«, stellt sich einem unweigerlich die bohrende Frage, welcher Baum nun für einen zuständig ist, aus welcher Pflanze man seine Kraft schöpfen kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um dies zu ermitteln, welche mich wegen ihrem Gehalt an konsequentem Schwachsinn faszinierten. Die eine sieht vor, so lange an seinem Geburtsdatum herumzurechnen, bis eine einstellige Zahl übrig bleibt, zu der ein Baum zugeordnet wurde. Witzig dabei ist, daß die Zahlen 10 bis 12 als einstellige Zahlen gelten. Nachdem ist ein mir bekannter, strauchartiger Baum meine Seelenhülle, und er steht des Weiteren für gefühlsbetonte, harmonische Naturen. Seit ich das weiß, bin ich so von Harmoniesucht durchdrungen, daß man mir die Räucherstäbchen gar nicht so schnell nachreichen kann, wie ich sie abfackele. Das kann auf Dauer nicht gesund für mich sein und in Anbetracht der Tatsache, daß man sich unmöglich an einem Strauch erhängen kann, vertiefte ich mich noch in das keltische Baumhoroskop.

Quelle: www.gaertnerei-prauser.at

Was daran keltisch sein soll, steht in den Sternen. Man muß nicht jeden Mist als gegeben hinnehmen, nur weil es der Psychopath von nebenan behauptet. Die alten Kelten mißtrauten der Schrift und gaben ihr Wissen nur mündlich weiter. Als die Römer ihre Gebiete eroberten, schlugen sie jeden Druiden, den Bewahrern des Wissens, den Kopf ab, ohne ihn vorher über seine Kultur großartig zu befragen und diese zu protokollieren. Damit wurde den keltischen Stämmen nicht nur ihre religiöse und politische Führung, sondern auch weitestgehend ihre Identität genommen. Aus der Zeit vor der Romanisierung gibt es keine schriftlichen Zeitzeugen von den Kelten selbst, allenfalls Bericht von anderen Völkern über sie.

Und da soll ausgerechnet der Baumkreis als urkeltisches Wissen überliefert worden sein? In dem weder eine Krüppelkiefer, noch eine Trauerweide verzeichnet ist? Wo die Seele schon bei der Namensgebung Pate stand? Wer es glaubt ... Aber, wer heilt hat recht, daß wußten schon die alten Schamanen. Ob uns purer Budenzauber oder eine uns unbekannte Physik dabei hilft, den Alltag zu bestehen und unseren Baum zu finden, ist letztendlich egal. Bei der Wahl der Mittel sollte man auch keine Grenze ziehen. Was spricht gegen eine probiotische Seelenmassage oder eine gehörige Tracht Prügel, wenn die gewünschte Heilsbringung eintritt? Deren Mißbrauch. Wenn eine Frau nach Hause kommt und erstmal ihren Mann – oder andersherum – zur Streßbewältigung vermöbelt, sollte man diesem ablehnend gegenüberstehen. Ein finsteres Kapitel – was ich hier ausblende, denn es führt zu nichts – ist auch der skrupellose Handel mit Seelenbäumen.

Dem Nummerologie-Zauber, was beide Verfahren zur Seelenbaumbestimmung zweifelsohne sind, sollte die Vernunft folgen. Diese weist an, daß man zuerst alle Bäume ausschließen soll, die sich zum Suizid durch Erhängen nur bedingt oder gar nicht eignen. Dazu zählen fast alle Nadelbaumarten, sowie solche vom Wuchs her unsichere Kandidaten, wie Birke, Pappel und alle niedrigwachsende Obstgehölze. Dann sollte man seine Seele baumeln lassen und sich einfach den Baum suchen, der zu einem paßt und sich dabei nicht von Eigenschaften irre leiten lassen, die einst Dichter ins hölzerne Gewirr projizierten. Das führt unweigerlich auf den verzweigten Holzweg in die baumlose Wüste des Seins. Dichter ließen sich ja von einem Baum der jeweiligen Art inspirieren. Aber jeder Baum, sagen wir mal jede Eiche, ist so individuell wie unsere Seele. Es nützt also nichts, uns eine Art zu suchen, nein, wir müssen uns genau »unseren« Baum suchen, ihm begegnen und seine Wirkung auf uns gleiten lassen.


Dieser Baum am Wegesrand gefiel mir schon ganz gut. Rauh, von Wind und Wetter zerrissen, bietet seine blättrige Schuppenborke (?) es geradezu an, meine Seele aufzusaugen und 1:1 widerzuspiegeln. Aber der Stamm ist viel zu dünn, um sie aufzunehmen und ich hatte das Gefühl, daß in ihm schon die Seele einer Frau Anfang Dreißig ihr Heim gefunden hat. »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.« (Goethe, Faust) Manchmal sind des Dichters Worte einem doch von Nutze. In meiner Brust wohnt zwar nur eine Seele, aber da diese möglicherweise eine dissoziative Identitätsstörung oder veraltet: multiple Persönlichkeitsstörung aufweist – multipel oder nicht, gestört muß sie sein: Würde ich mir sonst einen Baum suchen? – vertraute ich einen Teil von ihr diesem Geschöpf an, damit sie sich eventuell derber Liebeslust hingeben kann. Mal sehen, was dabei herauskommt – spüren kann ich noch nichts.


Dieser Baum war der Volltreffer. Mein ersehnter Lebensquell verbeißt sich hier in seine Grenzen. Oben und unten in seiner Pracht beschnitten und bekämpft, wird er nicht müde gegen die Übermacht der Gefilden meiner Ahnen anzukämpfen. Grimmig widersteht er dem schnöden Stahl der Umzäunung meiner Klinik, seiner Hoffnungslosigkeit bewußt. Paßt perfekt. Das er bei einem Freitod wenig hilfreich sein wird, stört kein bißchen, sondern fügt sich in mein Zerrbild.

Jetzt habe ich sozusagen eine Dreiecksbeziehung geschaffen. Das paßt auch wunderbar zu meiner zerrütteten Seele. Ich hoffe mal, daß es sich nicht als ein kleines Bermuda-Dreieck erweist. Das Wurmloch zur Hölle. Aber da gibt es sicher einen Ablaßhandel, der die Flugbahn meiner Seele umkehrt. »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!« Oder so ähnlich hieß es ja schon im Mittelalter. Vielleicht hat ja das Seelenbaum-Pflanzen denselben Hintergrund wie der Ablaßhandel. In welcher Zeit bin ich jetzt eigentlich?

Irgendwie habe ich den Überblick verloren. Das widerfährt einem schnell, wenn man über Dinge fabuliert, von denen man keine Ahnung hat. Ehrlich gesagt, habe ich auch nur eine unklare Vorstellung von dem, was man Seele nennt. Aber da stehe ich mit den Seelenbaumgärtnern nicht alleine da. Das ist kein Makel, sondern Grundvoraussetzung für den Glauben. An wen oder was auch immer. Wem nützt ein Wissen, wenn sich daraus nur neue Fragen ergeben und einzig der Glaube schnelle Linderung verspricht?

Was sagt die Weltliteratur zu diesem Thema?

»Den Glauben, daß man mit Initiativen und deren Unterschriftensammlungen irgend etwas gegen den steten Anstieg von Erkrankungen die das Denken, Fühlen und das Verhalten eines Menschen betreffen, ändern kann, vermag ich nicht zu teilen. Wir selbst sind die Propagandisten einer Welt, die nur dann funktioniert, wenn es Sieger und Besiegte, wenn es Verlierer und Verlorene gibt. Wie wollen wir etwas erfolgreich bekämpfen, wenn wir es täglich selbst generieren? Im Kleinem, wie im Großem? Die Ursache sind wir ja selbst. Unser Denken, unser Handeln und unser Verhalten führen uns selbst und andere in die seelische Belastung bis hin zur Krankheit. Aber das ist nicht änderbar, weil all das, nach dem wir streben, für uns nur erreichbar ist, wenn wir es unserem Nächsten streitig machen. Was wir haben wollen, müssen wir einem anderen wegnehmen und dabei aufpassen, daß uns nichts genommen wird. Auch auf die Gefahr des eigenen Untergangs. So funktioniert unser Miteinander, so funktioniert unser Wolfsgesetz und wir werden nur anerkannt, wenn wir selbst so funktionieren. Das ist unsere Welt. Das ist das, was uns ausmacht und auf was wir stolz sind. Die Verlierer sind ja immer nur die anderen. Die Schwachen, von denen wir uns nehmen können, was uns beliebt und denen wir ein Almosen zurückgeben, damit sie uns erhalten bleiben, weil wir sie brauchen. Sie sind genau so ein Bestandteil des Systems, wie wir selbst. Der Kranke braucht den Therapeuten und der Therapeut den Kranken. Jeder für sich allein ist nutzlos. Das ist unsere göttliche Ordnung.«
Zitat aus: Til van der Hasze, Predigt 2/8 März 2011

Gut, das war wenig hilfreich. Was meint die zeitgenössische Literatur?

»Gegen das gesunde Volksempfinden kommt man sowieso nicht an. Da kann man ganze Haine mit Seelenbäumen hinrotzen, Mahnmale aller Art errichten und in Seelen-Workshops allen möglich Unfug betreiben. Im Mittelalter galten die Kaputten als verhext, vom Teufel oder Dämonen besessen und ganze Heerscharen von Kirchendienern, Exorzisten, Henkern und Wunderheilern haben sich eine goldene Nase daran verdient, in dem sie die verirrten Seelen ins Diesseits oder ins Jenseits beförderten. Später nannten sich die Folterknechte Psychiater, aber ihr Tätigkeitsfeld blieb das gleiche. Außer das sie das Brandeisen gegen das Elektroschockgerät tauschten. Aber immerhin nahmen sie den Kranken ernst. Heutzutage gilt die landläufige Meinung, daß die geknickten Seelen selber Schuld an ihrem Elend sind, welches sowieso nur auf Einbildung beruht. Die hätten nur Zucker in den Arsch geblasen bekommen und nie gelernt sich durchzubeißen. Die sollten einfach zur harten Arbeit und zu Gott finden, dann kommen sie nicht auf so dumme Gedanken. Und wenn sie zur Arbeit nicht taugen, dann sollten sie eben Künstler oder Psychotherapeut werden und mit 27 Jahren dem Club der toten Dichter beitreten.«
Zitat aus: Til van der Hasze, Mit dem Ohr am Mob, 2009

Quelle: Amazon

Lassen wir das. Vielleicht sollten wir uns lieber Nasenbäume züchten. Mein Kobold hat ein Kinderbuch in dem so ein lustig Ding beschrieben und illustriert ist. Auf dem Baum wachsen Nasen aller Art und wenn uns die eigene nicht mehr gefällt, so pflückt man sich eben eine neue. Die Auswahl ist groß: Schweine-, Füller-, Staubsauger-, Kolibri-, Clowns-, Wasserhahn- oder sogar Regenschirmnasen hängen da parat. Man kann auch die des Nachbarn, die, die man gerade eingeschlagen hat, durch eine andere ersetzen. Mal sehen was mein Therapeut dazu sagt. Vielleicht erlaubt er mir, statt diesen ewig düsteren Seelenbäumen, mal ein Nasenbaum zu malen. Schaden kann es sicher nicht.

Sonntag, 9. September 2012

Telekinese - auch du bist paranormal!

Im Prinzip ist der Nachweis darüber ganz einfach. Wenn man das Prinzip versteht. Am besten ist es, wenn ich es zunächst kurz erläutere, und Du dazu ein wenig übst.


Konzentriere Dich auf das rote Kreuz auf diesem Photo. Dazu atme ruhig und gleichmäßig. Entspanne dich und denk nur an das Kreuz. Dein linker Arm wird schwer, dein rechter Arm wird schwer und deine Beine schlafen ein. Jetzt müßtest du Dein Chi, deine mentale Energie, in Dir spüren können. Ihr Zentrum liegt etwas unterhalb Deines Nabels. Würge sie hoch und presse sie wie einen Kaugummi zwischen Deine Schneidezähne. Nimm ein Ende davon zwischen Daumen und Zeigefinger Deiner rechten Hand und ziehe sie in die Länge auf das Bild mit dem roten Kreuz zu. Wenn du das Gefühl hast, einen Gummi zu spannen und nicht einen Kaugummi, ist Deine mentale Energie ausreichend. Achtung! Nicht loslassen! Das so gebündelte Chi ist, wenn es keinen Freiraum findet, um im Leeren zu verpuffen, in der Lage Deinen PC zu pulverisieren.

Damit dies nicht passiert und du trotzdem Deine Fähigkeiten überprüfen kannst, habe ich hier einen Kanal zu einem konstanten Zeitfenster auf meinem Balkon geschaltet. Konstant heißt, daß der offene Kanal, egal zu welcher Zeit, immer auf dieselben 2 relevanten Minuten für unser Experiment verweist. Jetzt wird es ernst. Konzentriere dich auf das Zeitfenster unterhalb des Textes und vollführe dieselbe Übung, wie oben beschrieben. Ist deine Energie wie eine Saite gespannt, so klicke auf das Dreieck im Fenster, um den Kanal zu freizuschalten und öffne gleichzeitig Deine Kiefer, um die Energie durch den Kanal zu schleudern. Das war es schon.

Donnerstag, 6. September 2012