Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Sonntag, 28. August 2011

BEIM SCHEITAN!!!


Von wegen Klasse 3 Nebel! Der Partnerblog Channel666 täuscht sich hier. Das ist definitiv der Leibhaftige persönlich. Neid! Bei mir kommt nicht mal Gott zu Besuch.

Freitag, 26. August 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 11 (Schluß)


»Das Leben ist wie eine gespannte, aber vergessene Mausefalle. Irgendwann schnappt sie von alleine zu.« Til van der Hasze

Frühling – Im nächsten Jahr:


Großstadtdschungel, dieselbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf sechs brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, 29 volle Flaschen und ein halbvoller Aschenbecher.
Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter freundschaftlicher Abend werden.
Sie schaut aus dem Fenster und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, ist dir schon mal aufgefallen, daß es immer regnet, wenn ich bei dir zum lecker Essen bin? Es war übrigens wieder köstlich. Frühlingsrollen selbst gemacht. Seit wann ißt du eigentlich so etwas? Da ist doch nur Gemüse drin?«

»Es ist junges Gemüse. Das mag ich schon. Warum ich gerade auf Frühlingsröllchen gekommen bin, erzähle ich dir noch und es ist mir aufgefallen, daß es immer regnet. Du, mit deiner miesen Laune immer, wirst das verursachen. Schwingungen und Resonanzen, einer uns unbekannten Physik, wirbeln durch die Atmosphäre. Was du ausstrahlst, ziehst du auch an. Gib mir mal die Pulle Wein rüber. Da ist noch eine Neige drin.«

»Eine Neige? Die Flasche ist noch fast voll! Säufst du jetzt schon auf Goethe-Niveau? Aber das kann ja nicht sein. Die 29 Flaschen standen das letztemal schon hier herum. Oder sind das etwa schon wieder neue?«

»Quatsch, drei Liter Wein am Tag schaffe ich nicht. Die haben früher nur soviel Wein oder Bier getrunken, weil sie einen Wasserersatz brauchten. Das war ja ständig vergammelt.«

»Du machst ja auch nix anderes. Bei dir wird kein Wein schlecht! Ich mache gleich noch eine Pulle auf. Es steht ja genug davon hier herum. Das sind doch neue Flaschen. Das Etikett sieht anders aus!«

»Mensch, meine Seele ist 800 Jahre alt! Da bin ich es so gewohnt. Und ja, es sind neue Flaschen! Die Frau Rot-Weiß-Erfurt hat mich angerufen. Der Baumarkt auf der Goetheallee hat so eine Osteraktion durchgeführt. Derselbe Wein wie sonst, aber zum halben Preis. Da bin ich natürlich sofort hingefahren und habe mir 10 Kartons mitgenommen. Fünf davon liegen wie gehabt noch im Auto.«

»Ja ja, die Kassiererin hat dich von der Weinfestaktion natürlich sofort wiedererkannt und dich mit den Kisten durchgewunken. Die Frau-Rot-Weiß-Erfurt treibt sich immer noch den ganzen Tag dort herum?«

»Nicht nur dort. Genauer in allen Baumärkten der Stadt. Dabei kauft sie nie etwas. Es ist immer dasselbe. Früh stürmt sie in einen Markt und verirrt sich darin hoffnungslos. Irgendwann kommt sie an einen Flucht- und Rettungsplan vorbei. Den klemmt sie sich unter den Arm, und so bewaffnet schlendert sie bis Ladenschluß zwischen den Regalen hin und her. Anhand des Plans findet sie dann den Ausgang wieder.«


»Und was macht sie dann mit den Schildern? Bei sich zu Hause an die Wand pinnen?«

»Korrekt. Inzwischen hängen bei ihr 53 Rettungspläne von jedem Heimwerkerparadies dieser Stadt im Wohnzimmer. Sie muß also keinen mehr klauen, sondern nimmt den entsprechenden früh einfach mit.«

»Aber hier gibt es doch nur 52 Baumärkte! Das ist einer zuviel!«

»Ach, die hatte mal ein seelisches Tief, da brauchte sie dringend eine Veränderung. Also ist sie zu IKEA gefahren. Aber das hat ihr nicht geholfen. Im Gegenteil. Der Laden geht ja über zwei Etagen. Drei Tage hat sie gebraucht, um da wieder herauszufinden. Das wäre nicht so schlimm gewesen, sagt sie. Die Hotdogs dort wären lecker, die Betten immer frisch bezogen, nur die Duschen würden nicht funktionieren.«

»Die hat doch ein Ding an der Waffel! Gekauft hat sie dort bestimmt auch nichts. Hat die einen Treffer aus der Kindheit weg? Der Herr Papa war Heimwerker und hat in seiner Hobbywerkstatt nur getischlert, anstatt mit ihr mal auf den Spielplatz zu gehen?«

»Was soll sie bei IKEA auch kaufen? Einen Klappstuhl, der auf einen männlichen Vornamen hört? Als Männerersatz? Ach, was weiß ich, welchen Span sie sich mal eingezogen hat. Egal. Es regnet immer noch.«

»Egal, ich gehe eh noch nicht nach Hause, sondern mache uns eine Pulle Wein auf. Hier steht ja immer noch genug davon herum. Wenn ich an den Garten denke … Dieses Scheiß-Schneckenwetter! Regen, Regen, nichts als Regen.«

»Schneckenwetter ist bei mir etwas anderes. Da scheint die Sonne und nur leicht bekleidetes, junges Gemüse flaniert durch die Stadt. Dazu ein laues Sommerlüftchen … Herrlich!«

»War klar, du Spinner! Mensch, bei Regen rücken die Schnecken an und vergehen sich an meinen Zucchinipflanzen. Ich habe doch dieses Jahr wieder welche angebaut. Guck nicht so! Mir war einfach danach. Immer nur faul in der Sonne liegen, ist nichts für mich. Also bin ich doch rückfällig geworden und habe die Kürbisse angesetzt. Da gehe ich eben morgen in den Garten und sammele das Viehzeug wieder ein. Der Plage wird man eh nicht Herr, aber ich kann es zumindest versuchen.«

»Eine kleine Schneckenplage wäre etwas für mich. Zwei, drei, nur mit so einen dünnen Fummel oben herum … Egal, ich muß nicht sammeln. In der Laube liegt 500 kg Schneckenkorn. Das dürfte erstmal reichen.«

»500 was? Bist du bescheuert? Was willst du mit Schneckenkorn? Und soviel? Du spinnst doch total.«

»Ich weiß, deshalb bist du doch hier. Gehe mal auf den Balkon und nimm den Aschenbecher mit.«

»Was soll ich dort? Die Asche wieder auf die Straße kippen? Zu den Pennern am Kiosk? Ist dein Mülleimer immer noch voll? Und jetzt lenke nicht ab! Wozu brauchst du 500 kg Schneckenkorn?«

»Der Mülleimer steht im Sommer immer auf dem Balkon. Wenn es zu warm wird, stinkt er mir nur die Bude voll. So spare ich mir das öftere Runterschaffen. Also kippe die Asche einfach da rein. Dabei siehst du auch, wofür ich die Chemie brauche. Und übrigens: Die Penner vom Kiosk nehmen ihren Job inzwischen sehr ernst. Dafür hat ein als Streetworker getarnter Sozialpädagoge gesorgt. Die sind jetzt jeden Morgen, pünktlich 9.00 Uhr, wenn der Laden aufmacht, im Blaumann und mit Werkzeugtasche an ihrem Arbeitsort. Blaumann deshalb, weil es am Kiosk keine Umkleidekabinen gibt. Aber das will der Sozpäd noch ändern. Wenn die Gelder bewilligt werden, gibt es auch separate Duschen. Das wäre ein neues Modellprojekt. Egal, jedenfalls krempeln die sich die Ärmel hoch und knallen sich das erste Bier rein. Das geht so weiter bis zur Mittagspause. Eine halbe Stunde dürfen sie aufatmen und ihren Arbeitsort verlassen. Dann geht es wieder zur Schicht bis 17.00 Uhr. Das sind zwar keine 40 h pro Woche aber dafür werden sie auch nicht voll bezahlt. 1.50 € pro Stunde ist ganz ordentlich für diesen Job, meint der Sozpäd.
Du wolltest auf den Balkon! Den Aschenbecher … und die kleinen Blumentöpfe bestaunen.«

»Ja doch! Ich bin gleich unterwegs. Das soll ein Modellprojekt sein? Für was soll das denn gut sein? Betreutes Saufen oder wie? Wer bezahlt so etwas? Das gibt es nicht!«

»Doch gibt es. Es macht zwar keinen Sinn und nützt nur dem Sozpäd. Der bekam dadurch seinen Vollzeitjob, bei voller artgerechter Bezahlung, weil er glasklar erkannt hat, daß die Penner da unten – wie die Punks am Bahnhof – ein zu schützendes Kulturgut dieser Gesellschaft sind und damit auch einen Touristenmagnet darstellen. Das spült Geld in die Stadtkasse. Die hat auch keinerlei Ausgaben, weil das Ganze von der Anstalt für Arbeit bezahlt wird. Die Stadt soll nur die Umkleidekabinen und die Duschen bezahlen. Das ist zwar auch nur rausgeschmissenes Geld, aber der Sozpäd meint, daß er damit etwas bewegt. Was direkt, weiß er allerdings auch nicht. Aber das wäre auch nicht so wichtig. Mülleimer gefunden?«


»Hier steht kein Sozpäd herum. Kleiner Scherz. Es gibt wahrscheinlich nichts, was es nicht gibt in diesem Staat. Das gibt es nicht! Das sind mindestens 60 Pflanzen! Kürbisse oder so. Hast du sie nicht mehr alle? Ich fasse es nicht! 60 Kürbispflanzen? Was willst du damit machen? Etwas bewegen? Aber was, weißt du auch nicht? Hast du heimlich ein Sozpädstudium angefangen? Mir kannst du es ja erzählen! Ich halte dicht! 60 Kürbispflanzen auf dem Balkon! Das gibt es nicht!«

»Bist du auch etwas sozpädisch veranlagt? Du siehst 60 kleine Kürbispflanzen auf meinem Balkon und behauptest trotzdem, daß es die nicht gibt? Wären es THC-reiche Hanfpflanzen, würdest du es glauben, deren Anzahl im Oberstübchen auf 120 verdoppeln und entweder die Polizei rufen oder darauf hoffen, daß du an der Ernte beteiligt wirst. Fifty-fifty natürlich. Aber daraus wird nichts. Das sind Zucchini-, Pattisson- und Kürbispflanzen in verschiedenen Sorten. Insgesamt sind es ca. 150 Kräutlein. Die andere Hälfte ist schon auf dem Feld. Mitte Mai müssen die Dinger ausgepflanzt werden. Ich bin gerade dabei, dies zu tun. Bei einem Feld von 300 qm fange ich nicht mit Schneckensammeln an. Da gibt es eben Schneckenkorn satt.«

»Ich habe gar nicht gewußt, daß man sich so eine Pulle Baumarktplörre auf Ex reindrehen kann. Igitt. Aber das war jetzt nötig.«

»Du hättest auch Absinth bekommen können. Der ist effektiver. Die ›Grüne Fee‹ liegt noch in der Tiefkühltruhe. In welcher allerdings, weiß ich nicht mehr. Vergessen.«

»Du hast mehrere Tiefkühlen? Wozu? Ich verklage deinen Psycho! Wo stehen die Dinger? Ich greife mir die ›Grüne Fee‹ persönlich! Die nehme ich mir mal zur Brust! 150 Kürbispflanzen! Auf 300 qm! Da kann nur eine Frau dahinter stecken! Natürlich eine von den Grünen! Wo ist die Pulle?«

»In meiner Kommandozentrale, sprich Arbeitszimmer. Den Rechnerkrempel hat sich die Aleksa geborgt. Den brauche ich im Moment auch nicht. Da ist erstmal Platz für die Truhen geworden.«


»Wer? Die Aleksa? Die ist doch seit einem halben Jahr spurlos verschwunden? Bei dem Buch von ihr … Der Knaller der Menschheitsgeschichte sag ich dir! Warte mal. Die Fee … Ich brauche jetzt dringend mentalen Beistand. Die Aleksa steckt dahinter? Hinter 150 Kürbispflanzen? Auf 300 qm? Und 500 kg Schneckenkorn? Wo hast du denn die Aleksa getroffen? Die ist doch völlig unsichtbar geworden!«


»Bei mir im Keller. Sie ist dort eingezogen. Dort müßte sie keine Fenster putzen. Das wäre ihr bei der Wohnungswahl sehr wichtig gewesen. Was sagt die Fee?«

»Nichts mehr. Alle. Ich habe sie gar nicht zu Wort kommen lassen. Langsam glaube ich, daß du Recht hast.«

»Mit was genau? Gewöhnlich habe ich immer Recht. Meine Seele hat ja 800 Jahre Lebenserfahrung …«

»Blödmann! Damit, daß ich vielleicht sozpädisch veranlagt sein könnte! Die, die mit mir reden mußte, habe ich gar nicht zu Wort kommen lassen. Das ist doch eine der drei Grundstrukturen, aus denen diese Leute gestrickt sind.«

»Und was sind die anderen zwei? Nicht zuhören können und trotzdem alles besser zu wissen? Das normale pädagogische Paradox? Mensch! Die ›Grüne Fee‹ war nur eine Pulle Schnaps! Wenn du dich unbedingt mit der unterhalten willst, bist du ein Sozpäd auf Entzug!«

»Blödmann! So habe ich dich heute schon mal bezeichnet. Sozpäds wiederholen sich auch ständig. Langsam glaube ich dran. Ich will aber nicht so veranlagt sein! Ist noch Wein da?«

»Das wird eng. Hier stehen nur noch 25 Pullen rum.«

»Reicht völlig. Mache noch eine auf. Auf das Harald-Juhnke-Niveau beim Saufen werde ich es nie schaffen. Wozu auch? Aber langsam muß ich wieder was essen. Ist noch eine Frühlingsrolle da? Was ist denn nun eigentlich damit? Wieso ißt du plötzlich die Dinger? Was ist mit der Aleksa? Wieso wohnt die bei den Kürbissen?«

»Die wohnt im Keller. Oder besser im Souterrain. Was es mit der Frühlingsrolle und mit der Aleksa auf sich hat, erzähle ich dir später. Wollen wir nicht mit den Kürbispflanzen weitermachen? Sonst kommst du ganz durcheinander. Die Röllchen sind alle, aber ich habe noch ein paar Bockwürste da.«

»Normale oder Sicherheitsbockwürste? Ich nehme zwei. Egal von was.«

»Normale. Senf? Ketchup?«

»Und Mayo! Gut, was ist nun mit den Kürbissen?«

»Das fing ganz harmlos an …«

»Harmlos? Nichts ist bei dir harmlos! Das Wort harmlos kommt in deinem Sprachgebrauch doch gar nicht vor!«

»Halt die Klappe Sozpäd und unterbrich mich nicht dauernd! Deine Würste sind gleich warm. Muß ich sie in Scheiben schneiden oder kannst du dich beherrschen? Gib mal den Wein rüber.«

»Blödmann! Erzähl weiter!«

»Das war kurz nach Ostern. Die Frau Rot-Weiß-Erfurt rief mich an. Sie war gerade im Baumarkt am Schillerplatz. Die haben dort Schneckentod im Angebot und ob ich nicht welches gebrauchen kann. Ich war nicht richtig bei der Sache und habe ihr nur geantwortet, daß ich den Schneckentod mit der Muttermilch aufgesogen habe. Sonst würde ja mal eine normale Frau bei mir bleiben und nicht nur die Mutantin. Die scheint dagegen resistent zu sein.«

»Die Mutantin? Ist das Fischlein etwa noch aktuell? Was machen die Würste?«

»Die sind fertig. Mach mal ein bißchen Platz. Wo die leeren Flaschen hingehören, weißt du ja.«

»Später, ich stelle sie derweile unter den Tisch. Erst Wurst essen. Sind das wenigstens Eberswalder?«

»Keine Ahnung. Das Glas habe ich vor Urzeiten mal gekauft. Das Etikett ist vor ein paar Jahren abgefallen. Vielleicht sind die ja noch gut.«

»Die schmecken noch. Außerdem habe ich soviel Alkohol im Blut, daß alles, was nicht zu mir gehört, abstirbt. Was ist nun mit dem Fischlein?«

»Die kam gerade herunter, als die Frau Rot-Weiß-Erfurt auflegte.«

»Die kam herunter? Von was?«

»Von ihrer Wohnung. Sie wohnt seit Februar über mir. Die Vormieter haben sich scheiden lassen und sind ausgezogen.«

»Da hätte sie ja gleich zu dir ziehen können. Ich wollte sie schon immer mal kennen lernen. Wieso ist sie nicht hier? Hast du sie wieder irgendwo mit Spanngurten festgezurrt? Wieso zieht die in so ein vergammeltes Haus? Wem gehört das eigentlich?«

»Einem älteren Ehepaar. Die wohnen in Schwerin, haben dieses Haus noch nie gesehen und die erinnern sich nur daran, daß sie diese Bruchbude besitzen, wenn ihre Enkelin die Kontoauszüge mit den Mieteinnahmen sichtet. Irgendein Makler hat denen dieses Haus als Altersvorsorge aufgeschwatzt.«

»Toll! Eine Villa im Jugendstil von 1910 im Originalzustand erhalten und voller Risse! Daß dich das nicht stört, wundert mich nicht. Deiner ach so alten Seele muß diese Ruine wie ein Neubau vorkommen. Und was ist nun mit dem Glibber? Warum ist sie nicht hier?«


»Zusammenziehen ging nicht. Wir passen nicht zusammen, nur ich gut in sie. Erst wollte sie das nicht einsehen, da habe ich ihr einfach meine tiefroten Kontoauszüge gezeigt. Da ist sie schnell da hoch geschnipst. Wenn du sie unbedingt kennen lernen willst, darfst du nicht an einem Donnerstag her kommen. An diesem Tag ist sie zum Beschleunigungstraining. Das geht 18.00 Uhr los und weil sie erst ein halbes Jahr daran teilnimmt, bis weit nach Mitternacht.«

»Was für ein Training? Macht die Sport? 100 m Lauf?«

»Nein, das würde sie zur Zeit umbringen, hat ihr Arzt gesagt. Das Training ist eher mentaler Natur. Ich habe dir doch erzählt, daß sie sehr zeitverzögert unterwegs ist. Eh die mal fertig wird ...«

»Mit was? Was macht die eigentlich beruflich?«

»Nichts, das heißt, die arbeitet als Sozialpädagogin in so einem komischen Amt, was für Ausländer, die hier wohnen, zuständig ist. Irgendwann hättest du es ja eh herausbekommen. Ich hoffe du hältst dicht.«

»Ach du Scheiße! Mach ich. Wo ist der Korkenzieher? Was macht die Seegurke dort? Zeitlupe spielen?«

»Der liegt vor dir und so in etwa. Die arbeitet in einem Team von 6 Leuten, das sich seit Jahren um illegal in der Stadt lebende Ausländer kümmern soll, um sie zu integrieren. Nur kennen die keinen einzigen, weil die ja illegal hier sind. Also haben die sich darauf verlegt, Pläne erarbeiten zu wollen, wie diese Illegalen im Kriegsfall mit Lebensmitteln versorgt werden könnten. Aber dazu ist es noch gar nicht gekommen.«

»Na, wenn die anderen Kollegen auch so unterwegs sind?«

»Sind sie. Du, sie hat mich zur Amtsweihnachtsfeier mitgenommen. Im kleinen Rahmen. Sie und ihre 5 Kollegen mit Anhang, also mich. Ganze 7 Leute. Die sind nicht über die Begrüßung hinausgekommen. Als die sich was zu Essen bestellen wollten, war schon Küchenschluß und als die sich überlegt hatten, daß sie trotzdem was trinken wollen, auch Ausschankschluß. Nur ich war satt und breit. Die sind es nicht anders gewohnt. Das Fischlein meint, daß, wenn sie früh ins Büro kommt, erstmal Kaffee getrunken wird. Wenn sie damit fertig sind, stellen sie fest, daß sie die Mittagspause verpaßt haben. Die Zeit würde immer so schnell vergehen auf Arbeit. Deswegen macht sie diesen Job ja auch so gerne. Na ja, und dann lohnt es sich nicht, noch irgendwas anzufangen. Schnell noch Blumengießen und ab nach Hause. Deswegen habe ich sie auch zum Arzt geschickt. Ich wollte wissen, ob ihr Verhalten eine Berufskrankheit ist oder eine Vorraussetzung, um diesen Beruf überhaupt ausüben zu können. Der Doc steht vor einem Rätsel und experimentiert erstmal an ihr herum. Der hat auch ein Modellprojekt entwickelt. Aber wie das heißt, und was es genau beinhaltet, will er mir nicht verraten. Das würde unter die ärztliche Schweigepflicht fallen.«

»Es gibt nichts, was es in diesem Land nicht gibt. Zurück zu den Kürbissen. Was wollte der Rochen von dir, als sie zu dir herunterkam? Hemmungslosen Sex? Zeitverzögert?«

»Ach, beim Sex geht es schon. Länger als eine Stunde braucht sie nicht um fertig zu werden. Das halte ich locker durch. Da ist mein Körper gerade warm geworden und schaltet die 6 Gänge zügig nach oben.«

»Blödm…, Angeber!«

»Sie hatte mich davon unterrichtet, daß die Bondage-Outdoor-Saison offiziell eröffnet wurde. Der entsprechende Verband hat die, wie jedes Jahr auf seinem ersten Jahreskongreß, mit einer Gedenkfesselung eingeläutet, und das sie selbst eine andere Birke ausprobieren möchte.«

»Einer was? Gedenkfesselung? Die spinnen doch!«

»Das ist so eine Art Gottesdienst, bei dem denen gedacht wird, die bei der Auslebung ihrer Sexualität in der Vorsaison ums Leben gekommen sind. Die vom Blitz oder von umstürzenden Bäumen erschlagen oder schlicht und ergreifend vom Förster erlegt wurden. Anschließend gibt es immer eine Modenschau. Der Großmeister Mato Ujeshiba Rosenholz stellt da, wie jedes Jahr, seine neue Kollektion an Frühlingsknoten vor. Der nimmt dafür ganz normale Baumwollseile und verziert mit seinen Knoten ganz normales junges Gemüse – äh, ganz normale nackte Frauen – die aber so verknotet und gefesselt nicht über den Laufsteg schreiten können, sondern – je nach Körpergewicht – getragen oder eben auch gerollt werden müssen. Daher kommt der BDSM-Fachbegriff ›Frühlingsrolle‹. Seitdem ich mir die Videos davon im Internet angesehen habe, stehe ich eben auf Frühlingsrollen. Total lecker!«

»Es gibt etwas in diesem Land, was es garantiert nicht gibt: Das ich von dir etwas Vernünftiges zu hören bekomme! Das habe ich schon immer gesagt! Egal, wenn ich was sage, interessiert das eh keinen. Höchstens dich. Ihr seid also eine Birke suchen gegangen? Und was hat das, mit dieser Kürbispflanzenarmee zu tun?«

»Eine ganze Menge. Ohne das Birkenwäldchen, hätte ich den alternden Hippie nicht kennengelernt.«

»Den was? Alternden Hippie? Könntest du dich mal kürzer fassen? Es ist schon spät!«

»Ein Typ Mitte 4o. Der hat nur geschimpft, wie ein Rohrspatz. In einem Faschistenstaat würde er leben und lauter so ein Zeug. Der ist vielleicht unterwegs … Aber Hallo oder Halleluja! Aber zurück zum Birkenwäldchen.«

»Wo wir noch gar nicht waren. Erzähl der Reihe nach! Das ist so ein wirres Zeug! Dem kann ich nur unter erhöhter Alkoholzufuhr folgen. Damit wollte ich sagen: Der Countdown läuft. Flasche 23 ist plangerecht erledigt. Flasche 22 wird gerade erfolgreich von mir bekämpft. Bitte keinen Dank! Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik!«

»Wenn du mit mir unbedingt in dieses Wäldchen willst? Am nächsten Donnerstag? Da ist das Fischlein im Beschleuniger. Erst Picknick und dann Birke ausprobieren? Für dich würde ich das schon machen! Mit dir kann ich ja auch eine alte Birke nehmen. Eine die schon ein rotes Schleifchen trägt. Das erfährt die nie.«


»Du machst mich alle! Was für ein Schleifchen?«

»Sie wollte doch neue Birken ausprobieren. Unsere erste Alte im Stadtwald war ihr langweilig geworden. Ist ja klar. Jeder braucht beim Sex etwas Neues zur Reizsteigerung oder jemand anderen. Aber ihr reicht noch eine neue Birke. Soweit, um mich auswechseln zu können, ist sie noch nicht. Das Birkenwäldchen, in das wir jetzt regelmäßig fahren, umfaßt in etwa 600 Bäume. Davon will jeder einmal ausprobiert werden. Damit wir nicht durcheinanderkommen, bekommt jeder von uns besuchte Baum ein rotes Schleifchen. Ein Fünftel der Bäume ist bereits geschafft und trägt ein Schleifchen. Nur einer hat 12 Bänder. Das ist die größte Birke und die einzige nutzbare Regenvariante. Bist du ohnmächtig geworden? Du sagst gar nichts?«

»Ich lausche dir andächtig. Weißt du, was mein größter Wunsch ist? Einmal mit einem nicht gestörten Mann reden und dabei etwas essen zu können. Flasche 21 …«

»Warte auf den Winter und baue dir einen Schneemann. Eine andere Chance hast du in diesem Land nicht.«

»Hier gibt es doch nicht einmal zuverlässig Schnee. Und wenn, dann nur für zwei Tage.«

»Länger erträgt der Schneemann dich auch nicht. Egal. Der Fisch und ich fahren seitdem jeden Tag in das Wäldchen.


Während sie sich eine Birke aussucht, bringe ich die Pflanzen zum Feld und schaue ob der Hippie, wie vereinbart, den alten Kuhtränkentankanhänger frisch mit Wasser gefüllt hat. Wenn nicht, erinnere ich ihn über Funk daran. Das hat allerdings erst einmal geklappt, weil der sein Handy nur selten anhat. Was auch nicht weiter schlimm ist. Der wohnt ja in Rufweite. Dann wird sie, an die, von ihr auserwählten Birke gefesselt und begattet. Wenn sie sich für eine entscheiden konnte. Meistens muß ich das für sie tun. Das dauert, wie gesagt, etwa eine Stunde. Dann darf ich sie nicht losbinden, sondern muß sie, wie bei unseren ersten Mal, zudecken und nachziehen lassen. Nur nehme ich dafür keine heruntergerissene Äste mehr, sondern die alte Outdoor-Einsatzdecke, die mein Vater im Trabbi immer mit sich führte, um sie für seine spontanen Schäferstündchen parat zu haben.«

»Mit über 40 vögelt alles sinnlos durch…«

»Genau. Die Decke ist noch original. Sie wurde noch nie gewaschen. Auch von mir nicht. Das wäre ja eine Todsünde oder besser ein Sakrileg. Sie ist sich der Ehre bewußt, unter diesen Lappen ihr Nachspiel genießen zu dürfen. Diese Zeit nutze ich, um die Pflanzen auf dem Feld auszusetzen und sie anzugießen. Und das nicht per Schlauch! Bei mir wird noch per Kanne handvergossen! Jeder Pflanze das ihre. Dafür brauche ich den Hippie und die Kuhtränke. Dann schnappe ich mir die Sense und es geht zurück zum Fisch.«


»Himmelhergottnochmal! Warum zum Teufel! Du Blödmann machst mich alle! Warum! 40.000 Kürbispflanzen? Wozu brauchst du die Sense?«

»Alles hübsch der Reihe nach. Als wir das erste mal dort im Wald waren, und sie am Baum noch ein bißchen durchzog, verkrümelte ich mich zu einem kleinen Spaziergang. Dabei kam mir der Anruf von der Frau Rot-Weiß-Erfurt in den Sinn. Was wollte die Frau eigentlich von mir? Keine Ahnung und ich beschloß sie später zurückzurufen.


Inzwischen bin ich an ein brachliegenden, ca. 300 qm großem Feld und einen total vergammelten Bauernhof angelangt. Besser Bauernhaus plus Scheune bzw. das was davon übrig ist. Die Grundmauern müssen aus der Zeit der Völkerwanderung stammen. Der Rest wurde regelmäßig abgebrannt und dann wieder aufgebaut. Das letzte Mal vor dem Krieg. Den Bauernkrieg meine ich. Die Scheune taugt auch nur noch als Seniorenwohnheim für alterschwache und zahnlose Termiten. Hier kann unmöglich noch jemand wohnen. Dachte ich. Dann fällt mein Blick auf die an der Wand lehnende Sense und mir fällt ein, daß ich etwas bestimmtes vergessen habe.«

»Den Rasen zu mähen? Bei mir im Garten? Ein Stück davon ist noch da.«

»Quatsch, mein Messer. Normalerweise liegt es seit dem Herbst griffbereit im Auto. Nur ist es im Laufe der Zeit stumpf geworden. Da habe ich es zum Schärfen mit nach Hause genommen und dort vergessen.«

»Wozu brauchst du ein Messer? Um dich gegen altersschwache Termiten zu verteidigen?«

»Nein, das Fischlein mußte doch wieder geerntet werden. Die will nur noch freigeschnitten werden. Einfach Schleife lösen, geht nicht. Das wäre der Kick an sich, behauptet sie. Der kühle Stahl an ihrer Haut und von ihm befreit zu werden … Also fahre ich jeden Freitag an die Tanke und kaufe uns 10 Abschleppseile. Manchmal brauche ich ja zwei oder drei am Tag. Das meistens am Wochenende. Da haben wir mehr Zeit. Außerdem gibt es bei 10 Seilen Rabatt. Ich muß nur neun davon bezahlen.«

»Weißt du, was mein größter Wunsch ist? Weißt du das? Flasche 20 …«

»Das wir mal zusammen eine Birke ausprobieren? Angebot steht!«

»Du blöder Angeber! Na klar! Der Herr verschleißt 10 Seile pro Woche! Das ist ja schon eine olympische Leistung!«

»Das weiß auch das Schnurzi in der Tanke. Die hat immer Freitag nachmittag Dienst. Der ihre Augen leuchten mich demütig an und sie wird ganz fahrig, wenn sie mich erblickt. Na wenigstens fällt sie nicht mehr in Ohnmacht, wenn ich die Seile verlange. Wenn das Fischlein in die Geschichte eingetaucht ist, ist die dran. Ich habe mir schon überlegt, ob ich beide parallel laufen lasse. Aber das geht aus Zeitgründen nicht.«

»Ich rutsche auch gleich vom Stuhl. Aber nicht weil ich ohnmächtig werde! Willst du noch einen Schluck aus dieser Flasche? Zu spät. Alle. Hihi.«

»Dann mache ich mir eben eine Neue auf. Ich schnappe mir also die Sense, um den Fisch zu befreien. Als ich die Sense bei ihr ansetze, bäumt die sich wild auf, zappelt wie frisch gewürgt und sie legt einen Spontanorgasmus hin, der mich auf die Sense neidig machte. Sie meint, das wäre der absolute Hit und mein bester Einfall, seit sie mich kennt.«

»Alles klar. Jetzt wird der Fisch immer mit der Sense geöffnet.«

»Genau. Jedenfalls habe ich dem Fischlein vom Bauernhof erzählt, und daß wir die Sense ja wieder zurück bringen müssen. Dort kommt sie bestimmt nicht weg und eine Sense kommt mir nicht ins Auto. Dort angekommen, traue ich meinen Augen nicht. Dort wohnt doch jemand!«

»Der Hippie Mitte 40.«

»In kurzen Hosen. Dort wo die Sense stand, gebärdet er sich wie das Rumpelstilzchen. Dabei schreit er, daß das Ministerium für Staatsicherheit ihn geortet hätte. Er hätte doch nur aus Versehen sein Handy angemacht. Daß diese Stasischweine ihm die Sense geklaut hätten! Ehrlich, mir wurde ganz mulmig, so mit der Sense in der Hand, aber der Fisch war nicht mehr zu halten. Von wegen zeitverzögert. Da tanzt einer herum, dem sie helfen konnte! Aber dazu ist sie gar nicht gekommen. Der sieht, wie ich die Sense wieder an die Wand lehne und nimmt uns dann wahr. Was jetzt kommt, ist unnachahmlich und nicht wiedergebbar. Ein Monolog ungeahnten Ausmaßes prasselt über uns ein. Daß wir von Faschisten regiert würden, die alle zwei Autos hätten, die wiederum einen Polizei- und Überwachungsstaat hier installieren würden, …«

»Da hat er ja auch recht. Jede Tankstelle hat hier mehr Videokameras auf dem Dach, als alle Bezirksverwaltungen der Staatsicherheit insgesamt.«

»… daß er sich von einer Besatzungsmacht gar nichts sagen läßt, und seit wann die gültige Ausweise ausstellen könnten usw. und so fort. Der Mann ist keinesfalls dumm. Das war mir spätestens klar, als der mir vorrechnete, wieviel man von dem Sprengstoff TNT braucht, um den selben Effekt zu erzielen, wie wenn ein 40 Tonner mit 100 km/h in ein Stauende knallt. Dasselbe spielte er dann noch mit C4 und Semtex Sprengstoff durch. Mir war klar, daß der Mann völlig harmlos und ungefährlich ist. Der Staatsfeind Nummer 1 sieht anders aus.«

»Wie denn? Sieht der aus, wie der Frontmann der linksautonomen Häuserkampfbrigade Klein-Kummersdorf West?«

»Nein, eher wie der aus Klein-Kummersdorf Ost. Schwachsinn! Der Typ ist völlig harmlos. Der quasselt nur. Aber der Fisch legt nun ein mittleres sozpädisches Einfühlungsvermögen auf der nach oben offenen Kachelofenskala an den Tag und startet ein Deeskalationsprogramm. Zumindest das, was sie dafür hält! Vorher war mir nur mulmig, jetzt hatte ich echt Angst. Der Mann setzt die Sense garantiert anders an dem Fisch an, als ich! Sie fragt den ernsthaft, was er da für Pflanzen in den Töpfen hätte! Die sähen so niedlich aus! Ich weiß, daß die drei Meter groß werden und deren Blüten getrocknet als Rauch enden und daß man von solchen Pflanzen besser nichts weiß.«

»Fisch entgrätet? Auf Hippieart?«

»Ich habe den Typen völlig richtig eingeschätzt. Intelligent und harmlos. Der hat sofort mitgeschnitten, daß die Null Ahnung hat. Er meint nur ganz gelassen, daß dies Zucchini-, Pattison- und Kürbispflanzen wären. Das Zeug könne man zwar nicht essen, weil es nach nichts schmeckt, aber er hätte ein paar Freundinnen, die ganz scharf auf dieses Scheingemüse wären.«

»Ich ahne etwas … Wenn das keine Kürbispflanzen sind, hat er nichts für seine Mädels.«

»Der Gedanke war da noch in meinem Unterbewußtsein. Erst als das Fischlein erzählte, daß Zucchinis total lecker wären und er ja ein Riesenfeld zum Auspflanzen dafür hätte, machte es bei mir: Buff! Mein Unterbewußtsein und mein Bewußtsein trafen sich zur Krisensitzung.«

»Erster Tagungsordnungspunkt: Schneckentod ist gleich Schneckenkorn oder eine Fischvergiftung, wenn man es falsch einsetzt.«

»Ihr habt doch alle ein Ding an der Waffel! Ein Jahr habt ihr Kürbisjunkies durchgehalten und nichts angebaut. Jetzt fangt ihr wieder damit an! Und das in Unmengen, die ihr selber nicht verbrauchen könnt! In diesem Sommer wird zurückgeschossen! Dabei warte ich nicht auf den 1. September und überfalle die Gärtnerei Gleiwitz! Das hat sich eh nicht bewährt! Mein Ding ist da eher der Partisanenkampf! Im Rücken des Feindes, der bei mir klingelt! Der, mit einem Kürbis unterm Arm! Der, der mir damit eine Freude machen will! Weißt du, was ich anbaue?«

»So breit bin ich nun auch wieder nicht. Zucchinis, Pattissons, Kürbisse in einer waffenscheinpflichtigen Anzahl.«

»Munition baue ich an! Munition für den Einsatz gegen freizeitgärtnerisches Humankapital! Jeder, der hier erscheint und sein Gemüse bei mir loswerden möchte, bekommt von mir den finalen Rettungsschuß! Mindestens 20 mal! Zwischengelagert werden die Geschosse nicht in Gorleben, sondern in meinen Kühltruhen! Der Feind wird also kalt erwischt! Aus den Ohren soll euch das Zeug kommen! Ich will, daß ihr dieses geschmacklose Gelumpe – unter meinen Augen – auf den Komposthaufen werft, weil ihr es nicht mehr ersehen könnt! Das ist die wahre Sozialpädagogik! Da wird nicht gekuschelt, sondern scharf geschossen!«

»Von mir hast du nichts zu befürchten. Ich habe gerade mal drei Pflanzen. Die werden diese Nacht garantiert von den Schnecken platt gemacht. Kann man Kürbisse alkoholisch vergären? Ist das nun Flasche 18 oder 17?«


»Du kannst alles vergären, wenn du nur ordentlich Hefe und Zucker dranschmeißt. Kürbisse, Schnecken, Fische oder alte zerschnippelte Abschleppseile. Die Frage ist nur, ob das jemand schmeckt. Flasche 17 habe ich gerade aufgemacht. Ersatzpflanzen kannst du von mir bekommen. Reichen 20 Stück?«

»Hihi, Abschleppseilwein als Schlüpferstürmer! Ich haue mich weg! Auf dem nächsten Frühjahrskongreß des entsprechenden Verbandes gibt es nicht nur Matos Frühlingsknoten, sondern auch ein Catering. Kleine, mit Schnürsenkeln zusammengehaltene Frühlingsrollen und Abschleppwein in den Geschmacksrichtungen Zucchini/Kürbis/Pattisson. Der Hippie war sicher schwer begeistert von deinem Plan.«

»Reichen 20 Stück?«

»Bleib mir vom Halse damit. Insgeheim hoffe ich ja, daß in dieser Nacht die Schnecken ganze Arbeit leisten und das Gemüse plattmachen. Dann kann ich mich tierisch darüber aufregen und auf die Schnecken schimpfen, aber ich muß das Zeug nicht essen. Das schmeckt ja nach nichts. Dir muß ich es auch nicht, wie vor zwei Jahren, andrehen. Jetzt, wo ich weiß, daß du mich damit zubomben würdest, wäre ich ganz erleichtert, wenn ich morgen Nachmittag verbrannte Erde im Garten vorfinden würde.«

»Verbrannte Erde ist nichts dagegen, wenn ich eine Kürbisstreubombe in deiner Küche zünden würde. Natürlich war der Hippie von meinem Plan schwer begeistert. Wir sind uns sofort handelseinig geworden, als ich seine Grundsatzerklärung nicht nur akzeptiert, sondern ihr auch zugestimmt habe.«


»Laß mich raten: Kein Kürbis bekommt ein Handy und Zucchini mit Sonnenbrillen oder Patissons mit Schlapphüten werden sofort ausgemerzt?«

»Das dachte ich auch zuerst. Nein, er verlangt nur, daß ich keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbaue. Es gäbe Leute, die alles essen und dann komische Sachen studieren würden. Heraus käme mutierter Nachwuchs, was an sich sicher richtig wäre. Die Probleme der Menschheit würden nicht durch eine Revolution gelöst, wohl aber durch die Evolution. Nur was im Tierreich erfolgreich funktioniert, klappt bei den Menschen nicht mehr. Schon gar nicht, wenn die ihr Futter selber mutieren lassen. Das ist der Mutter Natur ihr Job und die hätte sich bis jetzt nie geirrt. Dabei schielt er auf seine Pflanzen. Das klingt wahrscheinlich, vor allem weil das Fischlein bei dem Wort Mutanten zusammengezuckt ist und dann verlegen zur Seite geschaut hat.«

»Was sind ihre Eltern von Beruf?«

»Beide haben promoviert. Die Mutter in Sozialpädagogik und ihr Vater in Biologie und Lebensmittelchemie.«

»Alles klar, wie vermutet. Die Frau ist praktisch grätenfrei und damit unbrauchbar. Und wie sieht dein Deal mit dem Hippie genau aus?«

»Von der Ernte auf seinem Feld bekommt er den klassischen Zehnt. Also den zehnten Teil von dem, was ich dann jeden Tag ernten werde. An geraden Tagen will er die Munition nutzen, um ein paar weiblich dominierte Küchen plattzumachen, und an ungeraden wirft er sie einfach auf den Komposthaufen, um so seinem Protest gegen diese faschistische und übersättigte Scheindemokratie Ausdruck zu verleihen. Im Gegenzug bekomme ich von ihm das Wasser und die Sense zur Verfügung gestellt.«

»Hat der dich nicht gefragt, wozu du die Sense brauchst?«

»Nein, der ist doch nicht doof und vermutlich ein Frauenversteher. Als die Sprache auf die Sense kam, hat er nur einen Seitenblick auf das Fischlein verschwendet und gemeint, daß er auch mal mit einem Taschenmesser angefangen hat und ob ich mir mein Material an der Tanke oder auf dem Baumarkt hole. Ich war etwas sprachlos und der Fisch puterrot. Dann gibt er mir den Tipp, daß ich auf dem Baumarkt wesentlich preisgünstiger dabei bin und daß nach der Sense – nach seinen Erfahrungen – die Axt kommt. Dann gibt der mir die Telefonnummer von der Frau Rot-Weiß-Erfurt mit dem Hinweis, daß die mich beim Axtkauf bestens beraten kann. Abschleppseile müßten auch nicht sein. Es gäbe eine billigere Alternative.



Aber das würde die Frau Rot-Weiß-Erfurt besser wissen. Wenn ich einmal dabei wäre, sie anzurufen, soll ich ihr einen schönen Gruß vom Hippie sagen und das er noch 3000 Kubikmeter Kies für seine Bio-Kläranlage braucht. Das muß das Ministerium für Staatsicherheit nicht wissen, die ihn abhören würden. Deshalb muß ich das für ihn tun. Der hat laut gelacht bei dem Gedanken, daß die dann dumm aus der Wäsche gucken würden, wenn er die 3000 Kubikmeter Kies mit seinem kleinem Anhänger schichtweise streng konspirativ hierher bringen würde, und die dann unvermittelt vor der Tatsache stehen, das er ihnen ein 3000 Kubikmeterschnippchen geschlagen hat.«

»Und? Hast du die Frau Rot-Weiß-Erfurt angerufen oder die Birthler-Behörde?«

»Die Psychiatrie. Ich habe dort ein paar Freundinnen.«

»War klar. Was nimmst du so?«

»Nichts. Die Frauen gehören der Fraktion an, die den Schlüssel haben. Eine kennt den Typen, aber nicht von ihrer Arbeit her. Ich hätte ein Riesenglück, ihm persönlich zu begegnet zu sein. Da würde ich im Ernstfall sogar einen Termin bei ihm bekommen. Das wäre der gefragteste Gutachter Deutschlands. Von ihm beurteilt zu werden, ist wie ein 6er im Lotto.«

»Weißt du, was du mich mal kannst? Du spinnst doch total! Erzähle!«

»An eine Birke …? Nein heute nicht mehr. Obwohl mir danach wäre. Der Mann geht nur 3 Tage im Monat arbeiten, dann hat der sein Geld rein. Er erstellt Medizinisch-Psychologische Gutachten. Kurz MPU genannt. Und das mit 100% Erfolgsgarantie. Selbst wenn du volltrunken und zugedröhnt bei ihm zur Untersuchung erscheinst, findet der immer einen Dreh, damit du deine Fleppen wiederbekommst. Der hat mal Zerspaner gelernt. Vor dem ist nichts sicher.«

»Wann wird wieder Winter? Ich möchte mit dem Schneemann kuscheln. Auch, wenn es nur für zwei Tage wäre.«

»Selbst das lehnt die Aleksa jetzt ab. Alles, was irgendwie mit Mann zu tun hat, ist für sie gestorben.«

»Das glaubt der Hungerhaken doch selbst nicht. Wegen der Hochzeit oder hattet ihr inzwischen wieder miteinander Sex?«

»Hungerhaken war einmal. Die BH Größe 75 A auch. Wenn ich grob schätze, müßte das jetzt die 130 G sein. Jeder BH der größer als 75 A ist, bleibt bei mir an der Frau. Mehr ist ja lebensgefährlich. Ich habe nichts gegen etwas, was an Konsistenz eine mittlere sächsische Speckbrust nicht unter- und an Masse nicht überschreitet.«

»Du Arsch! Da bin ich ja wohl aus dem Rennen! Birke ausprobieren! Haha!«

»Ich wollte dir schmeicheln und dir mal etwas Nettes sagen. Das macht ja sonst keiner. Eine Frau ist übrigens so alt, wie sie aussieht. Aleksa ist demzufolge jetzt Mitte 40. Du würdest die Frau nicht wiedererkennen. Und das ist gut so. Sie will ja nicht erkannt werden.«

»Um nicht bejubelt zu werden? Ihr Buch ist ja eingeschlagen wie eine Bombe. Seit Monaten ist es auf den ersten Platz aller Bestsellerlisten.«

»Auch auf der des Ministeriums für Staatssicherheit. Allerdings heißt die dort Abschußliste.«

»Du Spinner! Klar, hat die sich damit auch ein paar Feinde gemacht. Aber ihr kann ja eigentlich nichts passieren. Ihr Manifest wurde ja unter Pseudonym veröffentlicht.«

»Das Ministerium für Staatsicherheit hat beim MOSSAD um Amtshilfe ersucht. Die Schwarte wurde ja nicht nur in alle Sprachen des Abendlandes – also Staaten wo eine Eheschließung gewaltfrei erfolgen sollte – übersetzt, sondern auch ins hebräische. Diese Typen verstehen keinen Spaß. Die finden jedes bunte Gummibärchen in jedem Strohhaufen dieser Welt.«

»Du Hippie! Und deswegen ist sie bei dir im Keller untergetaucht?«

»Mal ganz im Ernst: Eigentlich wollte sie in Ruhe arbeiten und keine Fenster putzen. Außerdem ist der Keller fast schalldicht und falls es doch mal herauskommen sollte, daß sie hinter dem Machwerk steckt, glaubt das keiner. Das Buch muß ja von einer Frau geschrieben worden sein. Unter diese Definition fällt eine übermäßig expandierte Kellerdingsda nicht.«

»Und weil sie über dreißig ist? Du Arsch! Was will sie denn da unten arbeiten? Und wieso muß der Keller schalldicht sein? Ihr Ex-Mann wird ja kaum auch mit eingezogen sein!«

»Sie schreibt ein neues Buch. Der Arbeitstitel lautet: ›Die 299 Arten NEIN zu sagen‹. Deswegen braucht sie auch meinen Rechnerkrempel und schalldicht muß er sein, weil die Aleksa jetzt asexuell lebt und dies bis in die letzte Konsequenz.«

»Du machst mich … ich bin müde! Wirf mir nicht nur solche Brocken vor! Aber konsequent bis zum Letzten bin ich auch! Flasche 16! Die Aleksa und asexuell leben? Die ist Anfang 30! Da bekommt jede Frau – auch die Handfeger, die sich dafür halten – ihren Hormonschub. Die ist doch dauerrollig!«

»Naja, sie sagt ja selbst, daß sie jetzt sehr ungewöhnlich leben würde. Sie wäre zwar nicht verheiratet und noch keine 40 Jahre alt, aber sie würde eben jetzt schon so tolerant enthaltsam leben müssen. Deswegen hat sie sich auch den 380 Volt Kraftstromanschluß in den Keller und das parallelgeschaltete Notstromaggregat in den Garten legen lassen.«

»Ich sehe hier nicht mehr durch. Kraftstrom? Da faßt sie jeden früh in die Stromdose und ist danach 24h asexuell?«

»Nein, das Teil, was sie sich bei der Gerda im Porno-Eck bestellt hat, braucht Kraftstrom. Ursprünglich wurde es als Hinrichtungsgerät projektiert. Aber dann haben sich die Ingenieure überlegt, daß die Todesstrafe ja keinen Spaß machen darf und sie haben die Übersetzung im Getriebe heruntergesetzt. Jetzt ist es eben als Spaßteil auf den Markt gekommen. Du, das Ding ist kein Spaß mehr und du bekommst es nur gegen Vorlage deines Ausweises.«

»Um Minderjährige davor zu schützen? Klingt interessant!«

»Genau! Der T-34 unter den Selbstspaßpanzern wird an Frauen unter 30 Jahre nicht herausgegeben und in Sibirien hergestellt. Genauer in Omsk. Kennst du die Stadt? Da gibts nur Schnee oder Schlamm. Die Frauen dort brauchen so einen tiefergelegten Turbokram, um überhaupt mal Spaß im Leben zu haben.«

»Wie teuer? Bekomme ich den auch im Baumarkt?«

»Ab 468,95€. Aber die Frau Rot-Weiß-Erfurt rät davon ab, sich das Teil im Baumarkt zu holen. Dort gibt es nur Rabatt auf alles, was keinen Stecker hat. Und der Lusthammer hat einen! Und was für einen! Nein, gehe ins Porno-Eck zur Gerda. Die gewährt auf alles, was mehr als 230 Volt braucht, um zu funktionieren, satte Preisnachlässe und du bist ja Stammkunde. Das Modell heißt übrigens ›Iwan der Schreckliche‹. Den gibts auch mit Dieselantrieb.«

»Quatsch Diesel! Aber knapp 470€ ist zu teuer. Vielleicht bequemt sich ja mein Schnuffi mal. Aber wenn er mal willig ist, kannst du es auch vergessen.«

»Wer? Dein Niedlicher? Der immer nicht weiß, was er machen soll, heißt Schnuffi?«

»Scheiße, das muß an Flasche 15 liegen. Willste einen Schluck? Zu spät! Pulle alle. Hihi. Ach Mensch, so lange habe ich dicht gehalten und mich nun doch verquatscht. Jetzt, wo ich dabei bin, ihn wieder zu entsorgen – sexuell ist der völlig unterbelichtet – muß mir das noch herausrutschen. Eine schöne Scheiße! Was macht Aleksas Ex? Hat der die Gehwegplatten endlich mal ausgetauscht?«

»Nein, erst hieß es, daß es noch vor der Hochzeit werden soll. Dann wollte er warten, bis diese vorbei ist. Es könnte ja wieder etwas kaputtgehen. Jetzt heißt es, daß die Frau Rot-Weiß-Erfurt noch kein grünes Licht zum Fliesenkauf gegeben hat. Die wären noch zu teuer, und er müsse warten, bis die Gehwegplattenverlegesaison vorbei wäre. Da wären sie wieder erschwinglich und er ist eh knapp bei Kasse. Die Hochzeit in der Stülpnerklause hätte Unsummen verschlungen. Seine ganze bucklige Verwandschaft war doch diesmal mit von der Partie. So eine Skandalhochzeit, wie die mit der Aleksa, wollten sie auch miterleben, aber sie wurden bitter enttäuscht. Sie war stinklangweilig, wie alle anderen Hochzeiten vor Aleksa auch. Seitdem ist er bei denen endgültig abgehakt. Erledigt.«

»Die Scheidung von der Aleksa ging so fix? Das er so, mir nichts dir nichts, wieder heiraten konnte? Das ist sehr ungewöhnlich. Die Gerichte sind doch völlig überlastet. Inzwischen wartet man ja 3 Jahre, ehe man aus der Nummer wieder raus ist. Du, ich habe gehört, es soll bald Schnellscheidungen geben!«

»Der, der sie beantragt, wird erschossen? Das wäre effektiv, aber man müßte das geheimhalten. Daran dürfte es scheitern.«

»Blöd… ach egal. Nein, es soll weniger Formalitäten geben und einfachere Verfahren. Hast du was davon gehört? Und wen hat der alte Sack geheiratet? Eine Urenkelin?«

»Das war die Trulla vorher. Gott sei Dank hat der eine DNA-Analyse machen lassen, die dann die Hochzeit verhindern konnte. Als er es schwarz auf weiß bekam, daß seine ungewöhnlich hohe Anzahl an Gen-Defekten und deren Schwere, mit denen seiner Auserwählten nahezu identisch ist, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie eine Nachfahre von ihm ist, nahezu 100% beträgt, war es mit der großen Liebe gleich vorbei. Ob sie eine Enkelin oder Urenkelin ist, konnte dabei nicht geklärt werden. Die, die er jetzt gehelicht hat, ist so ein Schnattchen. Oder Mutantchen. Vor dem Abi hatte sie ihren ersten Sex. Der tat ihr weh und hat gleich voll reingehauen. Jetzt, nach dem Mutterurlaub, studiert sie Nekromantie und Nekrophilie, um in ihrer angeheirateten Nekropole jedem Problem gewachsen zu sein. Das würde ihn nicht weiter stören und käme ihm entgegen. Ich meine jetzt nicht, daß sie so etwas studieren muß, um als vollwertige Ehefrau zu gelten, sondern, weil sie schon ein Kind hat. Er meint, daß sie so schon mal Sex hatte und nun weiß, was dabei herauskommt. Sie wird ihm keine Schwierigkeiten machen. Da wäre er sich sicher.«

»Wenn er sie in den Keller sperrt und ihr einen Kraftstromanschluß legt sicherlich. Ansonsten wird schnell geschieden. Aber das die Scheidung bei der Aleksa so fix ging? Weißt du mehr?«

»Nein. Ja! Mit dem Richter hatte sie mal was, und sie hat sich doch scheiden lassen, bevor ihr Buch erschienen ist. Die Scheidungswelle kam erst, als die Schwarte den Buchmarkt sprengte. Übrigens wird es keine Schnellscheidungen geben. Der entsprechende Gesetzesentwurf ist über 300 Seiten lang. Wie soll der etwas schnell scheiden können? Da waren Mutanten am Werk.«

»Da hast du auch wieder Recht. Schade, ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, mal schnell den Niedlichen zu heiraten. Wegen der Romantik! Und so könnte ich wenigstens eine Hochzeit beim nächsten Klassentreffen vorweisen. Aber wenn fix scheiden lassen nicht geht … Nee und was das alles kostet! Den entsorge ich einfach ganz klassisch:


Tonne auf und weg ist er. Mit dem Richter hatte die was? Mußte die bei dem auch kotzen, als sie ihn wiedererkannte? Was hat sie eigentlich zu dir gesagt, als sie dich das erstemal durch ihre Brille gesehen hat? Ich weiß schon: Die ist vor Andacht in Ohnmacht gefallen und hat einen Spontanorgasmus hingelegt.«

»Nicht ganz. Sie war positiv überrascht und meinte, daß sie schon immer gewußt hätte, daß es wenigstens einen halbwegs vernünftigen Liebhaber in ihrem Leben gegeben haben muß. Gut, dachte ich mir. Das die Wahrscheinlichkeitstheorie auch einen großen Bogen um diese Frau macht, war mir neu. Wenn es das Beschleunigungs- und Trägheitsgesetz bei ihrer Körperfülle nun auch tun, muß ich mir um dieses Haus keine Sorgen machen.«

»Weißt du, was du bist? Weißt du das?«

»Ich bin der Mann an sich, aber auch der, der dich jetzt ins Bett schickt. So abgefüllt rollst du mir nicht vor die Tür. Ab ins Bett!«

»Ja, das ist vielleicht auch besser so. Wo habe ich meine Handtasche? Hier, wie immer unter dem Schemel. Mal gucken: Schminkzeug, Pille, Kondome, Fahrerlaubnis …«

»Warum schleppst du für dich völlig unnütze Dinge durch die Gegend?«

» … aber keine Zahnbürste.«

»Die Zeiten, wo du sicherheitshalber eine Zahnbürste dabei haben mußtest, weil du genau wußtest, daß du nicht zu Hause wach werden würdest, sind schon lange vorbei. Heute bringt dich doch jeder Mann nach Hause, um sicher zu gehen, daß du auch … Ich habe noch ein paar Einwegzahnbürsten da. Die haben sogar extraweiche Borsten.«

»Ist denn dein Gästebett frei? Oder steht da wieder dein Wäscheständer voll mit Klamotten zum Trocknen darauf? Hast du noch einen Betthupferl für mich? Ein bißchen Schoki?«

»Das Bett ist frei und der Wäscheständer den ich benutze, ist weiblich und wohnt über mir. Und ich habe sogar zwei Betthupferl für dich: Diesen Schokoladenweihnachtsmann – keine Angst du schaffst den schon, du mußt ihn ja nicht essen – und mein altes Plüschtier. Der ist auch niedlich, er heißt auch Schnuffi und macht im Bett auch nichts. Du kannst dich hier also wie zu Hause fühlen.«

»Sadist!«


Mein Dank gilt: Frau Rot-Weiß-Erfurt, B.B., Frau ***, Frau ***, dem *** und seinem Kibbuz, Herr ***, Frau ***, dem ***, meiner jahrelangen Erfahrungen mit Sozpäds und nicht zuletzt der ***. Ohne euch wäre es mir nicht möglich gewesen, »Den Boden der Realität ...« zu schreiben.

Freitag, 19. August 2011

Stadtdingsda – Dré Imbičz

Irgendwie hatte ich mir die Mannen anders vorgestellt. Melodiöser. Dabei spielen sie auch immer dasselbe. Ein paar Nuancen wären da sicher ausfeilbar gewesen:



Warum das Publikum allerdings so fluchtartig das Konzertareal verließ, weiß ich auch nicht. So schlecht klang das gar nicht. Aber vielleicht hat sich auch nur die Bremse vom Bierwagen gelöst und die sind einfach hinterher? K. A.
Jedenfalls sind wir hinterhergelatscht und so an eine Bühne gelangt, auf der die Musiker etwas experimentierfreudiger waren und eine gewisse Freude am musizieren nicht verhehlen konnten:



Und so wurde es doch noch ein angenehmer Abend. Unser Dank gilt dem Nachbarblog, den Channel666, für den Tipp und Frau Rot-Weiß-Erfurt schickt noch einen Extra-Gruß hinterher.

Donnerstag, 11. August 2011

Hausmitteilung – interner Kurzbericht


Da Tantchen vertretungsweise als Special-Guest einspringen mußte, haben wir auch gleich ihren diesjährigen Geburtstag gefeiert. Wann der wirklich ist, weiß ja keiner und Tantchen ist da flexibel. Ob sie dieses Jahr wirklich nur einmal Geburtstag hat, ergibt sich noch.
Wie gesagt, gab es meine Kultrouladen, Rotkraut wurde von CN »Connie« nach einem überlieferten Geheimrezept zubereitet und um die Klöße kümmerte sich Frau Rot-Weiß-Erfurt. Was soll ich sagen – es war legggor!

Nun folgt noch ein bißchen quatschen und gut gekühlten Rosé trinken. Letzteres übernimmt Frau R-W-E.

Das bei uns Diskretion schwarz geschrieben wird, sieht man an den schicken Channel666-Sonnenbrillen. Die Teile sind wirklich überaus praktisch. Da kann man auch Strom sparen und im Dunklen speisen – den Unterschied merkt man nicht.

Mittwoch, 10. August 2011

Hausmitteilung - special guest


Unbestätigten Gerüchten zu Folge erwarten wir morgen, zu der wöchentlichen Kollektivberatung des Kommandos 8. April, einen Special Guest aus dem Nachbarblog. Ich fordere daher um besondere Aufmerksamkeit bei der Kleidungswahl und bitte um Verständnis, da bei diesem besonderen Anlaß keine Blutdruckmessungen durchgeführt werden können. Ich bedanke mich im voraus für eure Kooperation.

Zeit und Ort auf Anfrage via ICQ oder Mail.

Dienstag, 2. August 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 10 (4. von 5)


Großstadtdschungel, dieselbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf sechs brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, 29 volle Flaschen und ein halbvoller Aschenbecher. Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter freundschaftlicher Abend werden. Sie schaut aus dem Fenster und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, der November macht mich schon wieder alle. Kein Licht. Früh, wenn man auf Arbeit geht ist es dunkel und abends, wenn es wieder nach Hause geht auch. Zwischendurch ist es nur grau. Der Sommer war viel zu kurz! Hast du heute noch etwas vor? Ich meine: Hier stehen jede Menge volle Flaschen rum …«

»Ach, die sind vom Baumarkt. Die Frau Rot-Weiß-Erfurt rief mich gestern an. Ich würde doch so gerne billige Tafelweinplörre trinken. Sie wäre gerade im Heimwerkermarkt auf der Goethe-Allee. Da gäbe es eine Sonderaktion zum Weinfest im Markt. Die Literflasche für einen Euro. Die Abgabe wäre nur in haushaltsüblichen Mengen möglich. Also bin ich heute dahin gefahren und habe mir 60 Flaschen geholt. Die Kassiererin hat erst bei den vielen Kartons gestutzt, dann gegrinst und mir zugezwinkert. Mit meinem Charme habe ich bis jetzt jede Frau herumgekriegt. 10 Kartons sind ja nicht haushaltsüblich!«

»Bei dir schon! Das hat die sofort erkannt! So schlecht schmeckt der gar nicht. Aber das du gern Billig-Plörre trinkst, hat sich also schon bis zu der Frau Rot-Weiß-Erfurt herumgesprochen. Manchmal hasse ich diese Stadt!«

»Wieso sollte ich diese Plörre gerne trinken? Ich muß einfach!«

»Wieso mußt du? Kauf dir doch einfach vernünftigen Wein!«

»Ach, was weiß ich. Vielleicht bin ich auf einem Selbstbestrafungstrip. Für was auch immer. Keine Ahnung. Ich muß mal wieder zum Psycho ›klar Schiff‹ machen. Irgendein Ding haben wir doch alle ab ü.-dreißig an der Waffel.«

»Geh doch! Solange der dir nicht das Kochen abgewöhnt – es war wieder lecker! Bin ich vollgefuttert! Die Plinsen! Ein Bißchen dünn aber dadurch kann man auch mehr davon essen, und die Marmelade verteilt sich durch das rollen besser. Der Kesselgulasch vorher, war auch eine Wucht! Obwohl es kein richtiger Kesselgulasch ist.«

»Das sind Palatschinken! Die müssen so dünn sein! Und wieso soll der Kesselgulasch kein echter gewesen sein?«

»Na, der wird doch über einem offenen Feuer gemacht! Wo sind eigentlich die übrigen Flaschen?«

»Der schmeckt schon, wie ein richtiger Kesselgulasch. Auch wenn es nicht so aussieht, weiß ich schon immer ganz genau, was ich mache. Ich bin heute früh runter an den Grill und habe mir etwas Holzkohle und Asche abgefüllt. Deswegen schmeckt dieser hier so schön rauchig. Ohne den geht es doch gar nicht! Die restlichen Pullen liegen noch im Auto. Die hole ich erst hoch, wenn die hier alle sind. So wie du guckst, wird das morgen sein.«

»Nein, vergiß es. Ich will heute beizeiten zu Hause sein. Da kommt eine Dokumentationsreihe über Serienkiller im Fernseher. Auf Pro Ableben. Heute ist Jack the Ripper dran! Ich interessiere mich doch wieder für etwas! Du, der soll 5 Frauen in 3 Monaten ermordet haben!«

»Fünf Frauen in drei Monaten zu ermorden, ist für einen Serienkiller wenig effektiv. Alles Legende! Der hat sie auch nicht aufgeschlitzt, sondern als Sozialpädagoge der ersten Stunde totgeredet. So etwas dauert länger. Aber es stimmt. Du scheinst wieder interessant zu werden. Du erinnerst mich wieder an die, die ich damals kennengelernt habe. Leicht bis mittelschwer depressiv aber für die schönen Dinge im Leben aufgeschlossen.«

»Blödmann! Ich war nur beim Friseur! Mal was neues ausprobieren.«

»Lasse mich raten: Neue Frisur ist gleich ein neues Leben?«

»So in etwa. Mensch, mir ging es doch nur noch Scheiße. Meine Arbeit macht mir sonst Spaß und sie füllt mich auch aus. Aber dort ging gar nichts mehr. Ich habe nur noch aufgepaßt, daß ich bloß keine Fehler mehr mache. Und genau deswegen ist mir immer mehr passiert. Mein Chef war nur noch stinkig. Ich dachte schon, ich fliege da bald raus.«

»Das wird er nie tun. Du schmeißt ihm ja den Laden. Das wißt ihr Beide.«

»Aber zu Hause ging auch nichts mehr. Nach der Arbeit habe ich mir nur noch etwas zu essen gemacht. Dann bin ich auf das Sofa gekrochen oder gleich ins Bett. Weißt du, wie es bei mir aussieht? In deinem Sperrmüllcontainer hier fühle ich mich eher zu Hause, als in meiner Wohnung. Dort verwahre ich mich nur aber lebe nicht.
Dann frage ich mich immer, was ich bloß falsch mache. Keine meiner Wünsche ist bis jetzt in Erfüllung gegangen. Kein Kind, kein Mann und keine kleine Familie. Mit wem auch? Ich könnte heulen! Was ich sowieso bei jedem kleinsten Anlaß getan habe.«

»Aber du kannst doch nichts erzwingen Schnecke. Wenn nicht jetzt, dann passiert es im nächsten Leben.«

»Das weiß ich auch! Dann frage ich mich, was passiert, wenn ich mich unglücklich verlieben sollte. Das es mir vielleicht so ergeht wie dir! Davor habe ich mehr Angst, als vor dem Alleinsein.«

»Wie ist es mir denn ergangen? In der Liebe gibt es nun mal keine Garantieurkunde oder Rückfahrkarte. Entweder man läßt sich darauf ein oder man läßt es eben bleiben! Außerdem bist du nicht allein. Es gibt schließlich jemanden, der mit dir redet und dir ab und zu ein leckeres Essen kocht. Das muß reichen!«

»Es reicht mir aber nicht! Und, wenn der Herr sich noch daran erinnern kann: Als er sich das letztemal dazu herabließ sich zu verlieben, wurde er von der Dame völlig zerrieben. Davon hast du dich doch bis heute nicht erholt!«

»Aber ich werde es! Irgendwann werde ich mit der Sache abschließen können. Dann gibt es auch wieder Platz für etwas Neues. Alles andere wäre nicht nur Selbstbetrug.«

»Ja, ja, ich weiß: Wenn nicht in diesem Leben glücklich werden, dann eben im Nächsten.«

»Na und? Bis dahin halte ich mich an Fischefrauen. Die können mir nicht gefährlich werden und ich ihnen auch nicht. Und zerrieben … Na, nicht ganz. Sie konnte doch auch nichts dafür. Ein Skorpion mit dem Aszendenten Zwilling ist der Giftcocktail für jeden Widder! Nur wußte ich das damals nicht.«

»Hör auf mit dieser Astroentschuldigungsnummer! Das macht ihr Verhalten auch nicht besser. Kurze Zwischenfrage: Was macht das Fischlein? Spanngurte kaufen?«

»Kurze Zwischenantwort: Nein. Sie ist in den Abwasserkanal der Geschichte eingetaucht.«

»Wie geplant also.«

»Sie konnte wirklich nichts dafür. Schau doch mal: Die wußte doch gar nicht, daß ich mich in sie verliebt hatte. Als sie merkte, daß sie mich zerstört, hat sie die Notbremse gezogen, weil sie das nicht zulassen konnte. Ich weiß doch selber, daß ich nicht in ihr Leben passe.«

»Die hat dich so gerne gehabt, daß sie dir zum Abschluß noch so richtig eine reingewürgt hat. Sie mußte unbedingt diese völlig idiotische Nummer durchziehen. Daß ihr nicht wirklich zusammen wart, macht mir besonders Angst. Und klar hat die gewußt, daß du sie geliebt hast. Das merkt doch jede Frau! Wenn sie schon mal geliebt wird.«

»Was hätte sie denn tun sollen? Ich sollte richtig Wut auf sie bekommen, damit ich sie schneller vergesse. Außerdem brauchte sie etwas, damit sie vor sich selber gut da steht. Das sie nicht das Gefühl hat, schuldig zu sein. Gleichzeitig hat sie sich damit den Rückweg zu mir verbaut. So kann sie mir nicht mehr weh tun.«

»Das ist deine Version. Wie es wirklich war, weißt du doch gar nicht!«

»Das ist mir auch völlig egal, weil es nicht wichtig ist! Mit dieser Version kann ich nämlich ganz gut leben! Jeder von uns braucht eine ihm genehme Version vom Leben, um überleben zu können! Und diese Version ist mir wesentlich lieber, als die der anderen in die Tonne gekloppten Männer. Diese Litanei von dem ›Verarscht-worden-sein‹ kotzt mich nur noch an. Man verarscht sich immer nur selbst, in dem man in den anderen Erwartungen setzt, die dieser gar nicht erfüllen kann. Außerdem ist die Schuldfrage beim Scheitern einer Beziehung völliger Unsinn. Keiner von beiden hat Schuld! Es hat halt nicht gepaßt. Fertig! Nur weil wir das nicht in unseren Kopf bekommen, brauchen wir diese verschiedenen Versionen. Vielleicht haben wir auch zu gut zueinander gepaßt? Unsere Schwingungen hatten haargenau dieselbe Wellenlänge? In der Physik nennt man das Resonanzkatastrophe! Das Stärkere zerstört dabei das Schwächere!«

»Ach, jetzt wird schon die Physik bemüht? Für deine persönliche Lebenslüge? Es ist aber schön, daß mal ein Mann zugibt, einer Frau unterlegen gewesen zu sein.
Ach egal. Jedenfalls stieg dann mein Magen aus. Die Ärzte konnten nichts finden. Kein Geschwür, keine Entzündung, nichts. Trotzdem blieb nichts drin. Es wäre wohl eine psychosomatische Störung.«

»Trenne dich einfach von deinen zwei niedlichen und putzigen Idioten, und nehme dein Leben wieder in die eigene Hand! Schaue einfach, was dir gut tut und mach das auch. Fang wieder an zu leben! Schaffe dir kleine Erfolgserlebnisse, die dein Selbstbewußtsein stärken. Einfach mal aufwaschen! Oder Fenster putzen! Lerne irgendwas. Am besten eine Sprache! Plane Abenteuerurlaube! Knalle dir den Terminkalender voll, dann kommst du nicht auf dumme Gedanken. Lebe wild und gefährlich! Habe Sex! Egal mit wem! Du mußt einfach wieder lernen Spaß am Leben zu haben. Dann kommt der Partner von alleine. Du weißt doch: Was man selbst ausstrahlt, zieht man auch an. Im Moment hast du dich auf Null geschaltet. Also ziehst du auch nur Nullnummern an.«

»Komisch, das hat der Psycho auch gesagt. Das der Partner nicht das wichtigste im Leben ist. Und das es manchmal besser ist, keinen zu haben. Wenn der einem nicht gut tut, ist es besser allein zu sein. Aber wenn ich nun gar keinen mehr bekomme? Alleinsein ist doch Scheiße. Und du? Kannst du dir vorstellen immer ohne Partnerin zu sein? Deine Meßlatte liegt doch so hoch, daß keine Frau mehr darüber springen kann.«

»Quatsch Meßlatte. Sie muß mich nur ausreichend faszinieren. Das ist alles. Wenn ich keine Partnerin mehr finden kann, ist das auch nicht so schlimm. Ich hatte ja das Glück eine zu haben. Auch wenn es nur eine Beziehung gewesen ist, die als Freundschaft getarnt war. Dieses Glück haben nur die wenigsten Menschen. Ich bin da wesentlich besser dran, als die meisten anderen.
Du warst beim Psycho? Daß du einen dringend nötig hast, weiß ich. Sonst würdest du nicht hier regelmäßig aufschlagen. Aber meine Magie hält nur zwei, drei Tage an. Ich kann den Fachmann nicht ersetzen.«

»Eben. Du zählst nicht. Du hast eine andere Funktion in meinem Leben. Und richtig: Ich war beim Psycho. Als die Einladung zum Klassentreffen kam, war ich am Ende. Was sollte ich denen denn erzählen? Das ich es in meinem Leben zu nichts gebracht habe? Das ich keine superglückliche Familie mit zwei Kindern habe? Das mich keiner will?«

»Quatsch. Bei den Niedlichen und Putzigen ist dein Marktwert durch die Wolken geknallt.«

»Aber die nützen mir doch nichts!«

»Schön, daß du es endlich einsiehst! Und überhaupt: Du bist gesund! Zumindest körperlich. Du hast das Abitur und einen Beruf der dir gefällt. Zumindest hast du auch einen Freund. Der ist mehr wert als ein Partner. Einen richtigen Freund hast du dein ganzes Leben lang. Einen Partner vielleicht nur ein paar Jahre. Was beschwerst du dich denn da? Weißt du überhaupt, ob die wirklich so superglücklich in ihren Familien sind? Mir fällt da spontan die Aleksa ein.«

»Du hast ja recht. Ich habe nur Schiß vor ihren blöden Witzen. Diese Vollidioten schleppen doch immer noch Konflikte aus der Schulzeit mit sich herum. Anstatt menschliche Größe zu zeigen und darüber zu stehen, sticheln die immer noch. Beim letzten Treffen hat die Gustl geprahlt, daß sie einen Dorfgasthof übernommen hat und demnächst heiraten wird. Sofort kam die Frage, ob sie den Bauern in ihrer Kneipe kennengelernt hat. Ich habe keinen Bock auf diesen Scheiß! Der Aleksa geht es genau so. Die war auch völlig fertig, als sie die Einladung bekommen hat. Wir haben doch das Abitur zusammen gemacht. Aber die kann wenigstens eine Hochzeit vorweisen!«

»Dein ›eine Hochzeit vorweisen‹ läßt auch tief blicken. Eine ›Ehe vorweisen‹ wäre wohl treffender. Aber das kann sie nicht. So ehrlich, wie sie meistens ist. Wie geht es ihr? Was gibt es Neues? Wart ihr zusammen beim Psycho?«

»Ja, wir haben uns dort rein zufällig getroffen. Ihr ging es genau so wie mir. Kein Kind, keine Familie, obwohl sie verheiratet ist. Ihr Kerl würde nur Geschichten erzählen aber nichts tun. Sie stagnierte genau wie ich. Sie hatte auch nichts, auf was sie hinarbeiten könnte und auf das sie sich freuen kann. Sie hat inzwischen – wie ihr Mann – auch nur noch in der einen Hand die Zigarette und in der anderen die Tasse Kaffee, damit sie keine Hand mehr frei für etwas Nützliches hat. Ansonsten würden sie sich nur noch auf den Keks gehen. Was aber beide nicht zugeben können, weil sie erst ein paar Monate verheiratet sind. Da gilt man schließlich als noch glücklich.
Dann kam die endgültige Bedrohung durch die Einladung. Genau wie ich wußte sie sofort, daß sie jetzt professionelle Hilfe braucht, um nicht abzudriften. Also waren wir zeitgleich beim Psycho.«

»Bei dem Selben? Das ist doch höchst unwahrscheinlich. Psychos gibt es wie Sand am Meer und man braucht im Schnitt 10 Jahre, um den zu finden, der zu einem selber paßt.«


»Das war sogar sehr wahrscheinlich. Das ist doch die einzige Praxis in der Stadt, die nach modernen Methoden arbeitet. Außerdem haben die sich auf Frauen ab Mitte 20 bis Mitte 30 spezialisiert. Bei jüngeren Frauen würde der Hausarzt reichen und die Älteren wären sowieso therapieresistent. Da würde nur regelmäßige harte Chemie helfen.«

»Was sind denn moderne Methoden? Auspeitschen? Das gibt es schon seit über 6000 Jahren. Geholfen hat das nie.«

»Du Arsch! Nein, das ist etwas völlig Neues und wurde von amerikanischen Wissenschaftlern entwickelt. Das nennt sich Turbo-Therapie und eine Sitzung würde für den Rest des Lebens reichen. Also paß auf: Du gehst dort hin. Ohne Termin. Egal ob du gesetzlich oder privat versichert bist – keine Krankenkasse bezahlt das ja – kommst du innerhalb von 2 Stunden dran. Das funktioniert, weil die gleich mehrere Patienten gleichzeitig abfertigen. Du mußt nur der Sprechstundenhilfe einen groben Abriß deiner Probleme erzählen.«

»Ich erzähle der gar nichts! Ist dir schon mal aufgefallen, daß du heute noch gar keinen Wein holen warst?«

»Weil der schon hier auf dem Tisch steht! Mensch! Laß mich doch mal ausreden!«

»Das sind moderne Methoden! Gut, sprich dich aus.«

»Also die Sprechstundenhilfe faßt die Problemlagen zusammen. Da es mir genau so wie der Aleksa ging, saßen wir beide im Behandlungszimmer. Dort erwarteten uns zwei Psychos. Am Anfang tun die ganz harmlos. Sie bieten dir Kaffee an und fragen dich nach scheinbar Nebensächlichen. Was die da aus mir herausgeholt haben! Unglaublich, was ich denen alles erzählt habe, obwohl die Aleksa neben mir saß. Das ist mir erst hinterher bewußt geworden. Egal, jedenfalls fühlte ich mich bei denen auf der sicheren Seite.«

»Bei Psychos kannst du dir nie sicher sein. Die haben doch selber ein Ding an der Waffel. Sonst würden die dich ja nicht so gut verstehen.«

»Würdest du deine blödsinnigen Kommentare mal lassen? Danke! Aber dann legten die Beiden los! Wie bei einem Kreuzverhör! Das Prinzip ist das gleiche: Böser Bulle, guter Bulle. Der eine macht dich fertig und der andere baut dich auf. Irrsinn! Nach einer halben Stunde sind wir beide da am Boden zerstört und heulend herausgerannt. Ich gehe da nie wieder hin! Mir hat es ja geholfen. Der Aleksa erstmal auch. Ich bin so motiviert der Welt zu beweisen, daß ich keine unnütze, unattraktive Schlampe bin! Das ich mein Leben alleine in den Griff bekomme! Das ich mir selbst auch etwas Gutes tun kann. Am selben Tag habe ich mich von meinen zwei Heinis getrennt und mir die erste Fernsehstaffel von den Serienkillern reingezogen. Hochinteressant sage ich dir! Seitdem geht es mir wieder etwas besser. Und es wird mir immer besser gehen! Im Fitti habe ich mich auch schon wieder angemeldet.«

»Und Aleksa? Wie geht es der jetzt?«

»Da gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche …?«

»Die gute!«

»Ihr Mann liegt im Krankenhaus.«

»Die schlechte?«

»Die Aleksa auch. Aber nicht auf derselben Station. Ich fange mal von vorne an. Also die Aleksa ist doch blind wie ein Maulwurf. Die sieht doch nichts weiter. Ihr Auto fuhr sie doch auch nur noch nach Gefühl. Über die Jahre ist das immer schlimmer geworden. Nach unserer Psycho-Sitzung hat sie beschlossen nun endlich mal etwas für sich zu tun. Also ist sie zum Optiker und hat sich ein Brillengestell herausgesucht. Sie ist auch sofort fündig geworden. Walpurgisnacht heißt das Modell und es steht ihr wirklich gut. Dann haben sie ihre Sehstärke bestimmt und ein paar Tage später hat sie das Teil abgeholt. Das ist jetzt ungefähr 14 Tage her.
Egal. Unterwegs nach Hause beschlich sie schon so ein komisches Gefühl, ob das wirklich so eine gute Idee mit der Brille wäre. Sie mußte doch noch mit der Straßenbahn fahren, weil ihr Auto mangels Kapital immer noch kaputt ist. Das Novemberwetter, die Fahrgäste – das ganze Elend sah sie nun auch noch haarscharf! Ich meine: Die hatte einen Scheißmonat hinter sich. Eine Scheißwoche! Der Tag ist alles andere als gut gelaufen. Sie macht die Vorgartentür auf und sie sieht die natürlich immer noch kaputten Gehwegplatten überdeutlich. Die Frau war sowieso schon wieder am Ende, da hört sie auch noch lautstarkes Gezeter im Garten!

Sie bog völlig entnervt um die Ecke und sah, wie ein Mann im Apfelbaum rumturnt. So ein alter häßlicher Vogel, der mindestens eine Flasche Wodka intus hat, so wie der rumlallt. Der schreit, er hätte eine Perverse geheiratet. die ihn im Keller einsperren und foltern will. Die Aleksa war schlichtweg völlig überfordert und sie sah nur noch Rot. Anstatt die Polizei, hat sie über Funk nur den Notarzt angefordert und den Nachbarn gerufen. Der war gerade den Müll runterschaffen. Was jetzt kommt, wäre alles nicht passiert, wenn der seine Brille aufgehabt hätte. Mit dem Apfelpflücker haben sie den Typen vom Baum geholt. Dabei brach er sich ein Bein, was ihm aber nicht davon abhielt, wild auf die Beiden einzuschlagen. Bei dem Gerangel ist ihr die Brille von der Nase gerutscht und sie hat, in dem völlig Besoffenen, das wiedererkannt, was sie ehelichte.

Sie hat sich ihre Brille wieder aufgesetzt, ist sofort in Ohnmacht und dem Notarzt in die Arme gefallen. Der kennt die Aleksa von früher. Die hatten doch mal was miteinander. Also trug er sie ins Haus, legte sie auf das Sofa und genoß ihre Ohnmacht. Dabei entdeckte er ihre Spielzeugkiste und bestaunte deren Inhalt. Aleksas Unterbewußtsein hatte ihr selbst einen Streich gespielt. Die war so frustriert, daß sie dringend eine Änderung in ihrem Leben herbeiführen wollte. Offen hat sie sich das nicht getraut, also hat ihr Unterbewußtsein eine Initialzündung herbeigeführt. Sie hat die Kiste einfach offen stehen gelassen. Ihr Mann mußte ja völlig austicken bei dem Inhalt.«

»Blödsinn, den Vibrator hat er ihr doch selber geschenkt. Da tickt der doch nicht aus.«

»Mensch! Der hat ihre richtige Spielzeugkiste gefunden! Nicht die ganz kleine! Der hat doch keine Ahnung von dem, was der Aleksa wirklich Spaß macht. Der Typ kommt doch aus dem Allgäu! Dort haben die nur zur Fortpflanzung Sex und das auch erst nach Rücksprache mit dem Dorfpfarrer. Das er ihr das Spaßteil schenken konnte, ohne den Bannstrahl Gottes zu fürchten, liegt einfach daran, daß er seit über 40 Jahren hier in der zivilisierten Welt wohnt.
Das meiste Zeug ist ja relativ harmlos. Handschellen, Stachelhalsband, ein paar Baumwollseile, pinkfarbene Spanngurte – frisch gebügelt usw. Der übliche Kram eben. Aber ihr Mann hat, genau wie der Notarzt auch ihre Deko für bare Münze genommen!«

»Ihre was? Deko…«

»Dekoration. Die Aleksa steht doch auf Mittelalterzeug. Also hat die noch so einen Kram den sie sich, um ordentlich in Demut fallen zu können, nur in die Bude stellt aber nicht benutzt. So einen Morgenstern, einen zusammenklappbaren Mini-Pranger, Daumenschrauben, Keuschheitsgürtel, Brandmarken und all so ein Zeug.«

»Aua, wie peinlich!«

»Das hat der Notarzt auch gesagt, als sie wieder munter wurde. Und das er schon immer geahnt hat, wie sie so veranlagt ist. Und das es ganz gut wäre, daß sie sich damals getrennt haben. So etwas hätte er ihr nie machen können. Das wäre mit seinem abgelegten Eid des Hippokrates unvereinbar.«

»Blödmann.«

»Das hat die Aleksa auch gesagt. Dann ist sie ganz weiß geworden. Sie hat ihn, trotz Brille, wiedererkannt. Den Notarzt-Typen mit dem sie früher auch in der Kiste war. Da mußte sie sich übergeben und ihr kam ein schlimmer Verdacht. Der Arzt ist in den Garten geschlichen, das Schmetterbruchbein schienen und sie ist in die Straßenbahn gerannt, um zum Fotografen zu fahren. Der von ihrer Hochzeit. Mit dem sie auch mal was hatte. Als der die Tür aufmachte, bekam sie einen Schreikrampf. Kotzen konnte sie ja nicht mehr. Weil der Magen schon leer war. Dann ist sie zum Barden. Mit dem sie in der Hochzeitnacht … Der war nicht zu Hause. Dann ist sie weiter zum nächsten Verblichenen. Überall dasselbe: Schreikrampf. Ich habe keine Ahnung, bei wem die noch überall war.«

»Bei mir nicht.«

»Das wollte sie sich bestimmt nicht auch noch antun oder du hast einfach Glück gehabt. Gestoppt wurde sie im Baumarkt von der Frau Rot-Weiß-Erfurt. Die sagte sich, daß ein Einkaufswagen mit 20 Äxten, eine am ganzen Körper bebende und hysterisch schluchzende Aleksa nicht gesund sein kann und alarmierte den Notarzt. Dieser hatte gerade ihren Mann im Krankenhaus abgeliefert und er verpaßte der Aleksa eine doppelte K.-O. Spritze, wobei er sich Vorwürfe machte. In diesem Zustand hätte er sie schon vorher aus dem Verkehr ziehen müssen.
Übrigens: Ist dir schon mal aufgefallen, daß sich die Frau Rot-Weiß-Erfurt den ganzen Tag in Baumärkten rumtreibt aber nie etwas kauft?«

»Na und? Die Aleksa war doch auch auf dem Trödel-Markt zu Hause und sie hat nie etwas gekauft.«

»Weil sie mit Trödel immer in einer Beziehung lebte. Den brauchte sie ja nicht mehr kaufen.«

»Ha, ha! Ach, was weiß ich, was die Frau zu verarbeiten hat. Ich sagte doch: Mit über dreißig haben wir alle ein Ding an der Waffel.«

»Die ist noch keine 30!«

»Man ist so alt, wie man sich fühlt! Wie geht es der Aleksa jetzt? Warst du sie besuchen?«

»Ja, gestern. Es geht ihr wieder besser. Ihr plötzlich aufgetretener Waschzwang verschwindet langsam wieder. Sie muß nicht mehr gleich unter die Dusche, wenn sie einen Mann sieht.«

»Das hätte sie mal früher machen sollen! Die hat manchmal gemuffelt. Das reine Vergnügen war das oft nicht.«

»Du bist so ein Arsch! Ich könnte dich!«

»Das geht jetzt nicht. Scheidung eingereicht?«

»Was geht jetzt nicht? Nein, ich frage lieber nicht. Da kommt eh nur Gülle. Ja klar, die Scheidung hat sie beantragt und sie hofft, daß sie aus der Nummer schnell wieder rauskommt, weil die Ehe nie vollzogen wurde.«

»Ich dachte nicht, daß die sich mal im Krankenhaus wiederfinden und sich scheiden lassen.«

»Wieso? Das war doch abzusehen. Du kennst doch die Aleksa besser als ich!«

»Eben! Ich habe eher auf ein Krematorium getippt. Das die sich mal gegenseitig erschlagen.«

»Nein. Dafür ist sie zu jung und er zu alt.«

»Und, wie lange will sie da drin bleiben?«

»Bis das Buch fertig ist. Ihre Krankenkasse hat grünes Licht gegeben, weil die fertig gedruckte Schwarte, wenn sie in genügend Frauenhände gelangt, ein Millionen-Kosten-Ersparnis wäre und diese klinisch tote Umgebung würde sie bestens zum Schreiben inspirieren.«

»Was für ein Buch?«

»Na ihre Ärztin hat gemeint, daß sie ihre Ehe am besten verarbeitet, wenn sie sich alles von der Seele schreibt. Da hat die Aleksa angefangen zu tippen. Wie eine Blöde. Zwanzig Seiten am Tag. Das hat die Frau Doktor gelesen und sie ist vor Lachen unter den Tisch gerutscht. Sie meint, daß sie noch nie von solchen Strategien gehört hat, wie man eine Frau so unter Druck setzen kann, daß sie letztendlich glaubt selbst Schuld an ihrer Ehe-Misere zu sein. Damit sie nicht aufbegehrt und alles hinnimmt. Und das ihr Mann schon oft verheiratet gewesen sein muß.«

»War er ja auch. Tja, Lebenserfahrung kann manchmal Gold wert sein.«

»Das hat sich die Ärztin auch gesagt und den Anfang vom Manuskript, mit Aleksas Einverständnis, an verschiedene Verlage geschickt. Ein Ratgeberbuch soll es werden. Titel: ›Wie man eine Frau hin- und bei Laune hält.‹ Als Antwort kam dann, daß sie solch einen Dreck schon zu oft verlegt haben. Da es aber immer noch genug Idioten gibt, die so etwas kaufen werden, würden sie es mal lesen. Jetzt stehen die Telefone nicht mehr still, weil die sich um das Manuskript kloppen. 365 Seiten sollen es nun werden. Jede Seite ein Tipp für jeden Tag im Jahr. Ein Astrologe soll dann noch sortieren und die Reihenfolge festlegen.«

»Die Aleksa wird also berühmt. Für irgendwas muß ihre Ehe ja gut gewesen sein.«

»Sie wird nicht berühmt. Das Buch erscheint unter dem Pseudonym B. B. Keine Ahnung was das soll. Ich habe sie danach gefragt aber sie hat mich nur blöde angegrinst. Das wird wohl ewig ihr Geheimnis bleiben.«

»So, genug geschwatzt. Das Ripperchen fängt bald an. Da wolltest du zu Hause sein.«

»Ist das ein Rausschmiß? Das ist ja ganz was Neues! Ich kann noch gar nicht gehen! Ich habe nämlich noch nicht ›Sadist‹ brüllen können, damit es aufhört mit regnen. Soll ich nun naß werden oder was?«

»Hm, du ich habe vorhin etwas geflunkert. Das Fischlein ist doch noch nicht Geschichte. Ich kann doch so schlecht nein sagen … Dann habe ich irgendwie die Termine vermischt. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Jedenfalls war sie eine halbe Stunde vor dir hier und sie ist jetzt im Arbeitszimmer.«

»Ach? Und warum ist sie nicht mit in die Küche gekommen? Was essen und schwatzen? Ist Madame etwas Besseres?«

»Sie kann nicht: Spanngurte.«

»SADIST!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen.

Totgeschriebene leben länger ...