Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Freitag, 22. April 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 9 (3. von 5)


Großstadtdschungel, die selbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf sechs brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, und ein halbvoller Aschenbecher. Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter freundschaftlicher Abend werden. Sie schaut aus dem Fenster, und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, bei der Wärme und dem Regen müßten die Pilze ja nur so sprießen! Warste etwa mal im Wald? An der frischen Luft? Pilze sammeln? Die hier schmecken lecker! Wie selbst gefunden. Laß mich raten: Stein- und Birkenpilze!«

»Nö, das sind Lidl-Röhrlinge und Aldi-Trüffel. Also ganz normale Mischpilze aus der Konserve. Damit die überhaupt nach etwas schmecken, habe ich eine Tütensuppe untergemischt. Dazu noch Kümmel, Zwiebeln und viel Butter. Im Wald war ich deswegen also nicht.«

»Warum dann? Natur genießen? Weißt du, wie froh ich bin, dieses Jahr keine Schnecken im Garten sammeln zu müssen? Die finden eh nichts mehr, was sich zu fressen lohnt. Bei dem Regen habe ich sonst immer Millionen von den Viechern aus den Beeten geholt. In meinem industriellen Fettlösemittel wurden die dann in ein paar Stunden zu Brei.«

»Ja klar: Natur genießen. Meine Schnecken sammele ich aber nicht im Garten, sondern in der Single-Börse im Internet. Da passieren mir manchmal ein paar unschöne Mißgriffe. Nur kann ich sie nicht anschließend in den Fettlöser werfen, um sie zu entsorgen.«

»Anschließend? Du hattest ein Blind-Date-Outdoor-Schäferstündchen im Wald? Und sie hatte vorher keinen Fettlöser getrunken? Erzähle! Nein, warte mal kurz. Ich hole erstmal noch ein bißchen Wein.«

»Naja, ganz so schlimm war es nicht. Ich wußte schon, wie sie aussieht. Sie hatte ja ein Bild von sich im Profil. Nur, wie das immer so ist: Ein Photo verhilft einem nur, sich schnell ein falsches Bild von einem Menschen zu machen. Sie sah aus, wie eine Mischung aus einer frisch verbrauchten Porno-Queen und einer sozialpädagogischen Birkenstockschlampe. Schön lasziv aber doch irgendwie niedlich. Dabei kam sie via Mail ziemlich langweilig rüber. Aber ich dachte mir, daß der Teufel in der Not auch Fliegen frißt, und das langweilig auch pflegeleicht bedeutet. Dann am Telefon sprudelte sie nicht gerade über, aber sie war schwer begeistert von mir. Sie erzählte zwar immer dasselbe, aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, weil das ja alle Frauen so machen.«

»Blödmann! Was sagst du eigentlich zu diesem Wein?«

»Bißchen merkwürdig. So wie alle Frauen sind. Seit wann bringst du denn Wein mit? Schmeckt dir meiner nicht mehr?«

»Frauen sind nicht merkwürdig, sondern des Merkens würdig! Jede Frau ist einzigartig! Wie jeder Wein! Nein, dein Wein schmeckt mir schon, aber ich will auch mein Leben verändern und fange, wie du letztens, erstmal klein an. Mal etwas Neues ausprobieren. Ich finde, der Wein schmeckt niedlich.«

»Niedlich? Der schmeckt gewöhnungsbedürftig lasch. Wie Bonbonwasser, dem man als Droge Alkohol beigemischt hat. Entschuldige mich bitte, aber an das Zeug werde ich mich nicht gewöhnen können. Was willst du denn noch großartig in deinem Verleben ändern?«

»Dann trinke ich das Zeug eben alleine. Du hast ja noch genug von deiner Plörre da. Erzähl erstmal weiter! Das neueste Neu gibt es später!«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie hatte mich gleich Sonntags zum Mittagessen zu sich eingeladen. Das kann nicht gut gehen, dachte ich mir. Die Frau ist erst 26 Jahre alt. So jung und lahmarschig, kann die doch nicht mal vor Wut kochen, geschweige denn ein Mittagessen. Aber naja, ich bin trotzdem hingegangen, obwohl ich es beinahe verschlafen hatte.
An der Tür sah sie dann ganz gut aus. Es war zwar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, aber immerhin war sie ganz niedlich. Nur spricht und bewegt sie sich etwas zeitverzögert. Zuversichtlich stimmte mich die Familienpackung Kondome, die sie völlig offen in ihrem Flurregal stehen hat. Auf meine Frage, ob dies eine Einladung darstellt, staunte sie mich nur nicht verstehend an. In der Küche und im Bad lägen auch noch welche, da müsse sie nicht lange suchen, und warum ich sie das frage. Mannomann! Auf meine Antwort hatte sie gar nicht gewartet, sondern das Essen aufgetragen. Kürbissuppe und Zucchiniauflauf. Eigene Ernte und Tiefkühlkost vom vorigen Jahr. Spätestens jetzt hätte ich sie aus dem Fenster werfen sollen. Ich meine nicht die Suppe! Gib mir nochmal was von dem Bonbonwasser. Das paßt jetzt richtig gut.«

»Bitte schön! Und so, wie ich dich kenne, hast du in Erwartung einer Tiefenentspannung alles tapfer runtergewürgt.«

»Ehrlich, ich war mir nicht mehr sicher, ob ich den Job noch wollte. Ich bin ja ein feuriger Widder und sie ist eine glitschige Fischefrau. Wahrscheinlich mit dem Aszendenten Zeitlupe. Genau weiß ich das nicht. Ich habe sie nicht danach gefragt. Ihre Geburt hat sicher eine Woche gedauert – da kommen mehrere Gestirne in Frage. Egal, während dem Essen erzählte sie mir dasselbe, wie am Telefon. Natürlich zeitverzögert und entnervend. Da mußt du durch, dachte ich mir. Frauen sind nunmal so, und ansonsten komme ich ja nie zu einer ganz niedlichen.«

»Du Arsch, ziehe nur weiter meinen Wein durch den Dreck! Was für einen Aszendenten hast du eigentlich? Miststück oder was?«


»Nö, Aszendent Löwe, wie es sich gehört. Der Mond stand damals auch im Widder, wenn du es genau wissen willst. Das ist dreimal das Element Feuer!«

»Das heißt, daß du eigentlich genial bist, aber zu nichts zu gebrauchen. Das hätte ich dir auch so sagen können. Ohne Sternenfirlefanz. Bei drei gleichen Elementen bist du zumindest so ausgeglichen, daß Frauen in deiner Gegenwart einpennen. Paßt zu dir.«

»Dort wäre ich beinahe eingepennt. Deshalb habe ich ja auch den Waldspaziergang vorgeschlagen. Zum wieder munter werden. An der frischen Luft die Natur genießen und vielleicht ihre.«

»Und? Hast du? Mach doch nicht immer solche Kunstpausen! Ich hole noch eine Flasche Bonbonwasser. Damit du wieder ein bißchen aus der Hüfte kommst. Die Frau muß dich schwer beeindruckt haben, wenn du hier selber bald einschläfst!«

»Ach Quatsch! Ich bin nur so lange Spaziergänge nicht gewohnt und noch etwas angeschlagen. Ich habe sie also in mein Auto gepackt, und wir sind in den Stadtwald gefahren. Sommersonne mit einem Herbsteinschlag. Eine angenehme Temperatur, nicht zu warm und die Sonne knallt schon sinnlicher rein.
Ich dachte kurz an ein gemeinsames Pilze suchen, aber in ihren Stöckeldingern ist sie ja kaum über den Waldweg gekommen. Sie mußte sich bei mir unterhaken und ich habe sie halb getragen, halb mitgeschleift.«

»Körperkontakt! Jetzt wird es interessant! Willst du noch einen Schluck Wein?«

»Ja, gib mir gleich die ganze Pulle. Richtig, der erste Körperkontakt. Ansonsten wäre ich ja auch hocherfreut darüber gewesen. Nur schleppe mal einen stoischen Zementsack durch den Wald. Die kleine verträumte Lichtung mit ihrer sattgrünen Wiese, die mir zu unserer intensiveren Kontaktanbahnung vorschwebte, ist auch nicht gerade nahe gelegen. Also haben wir fast eine Stunde bis dahin gebraucht. Was mich nicht weiter gestört hat. Mein Körper hatte sich warm trainiert, er war bereit und lauerte auf Höchstleistung und ihrer war noch ausgeruht. Das ist in ihrem Alter wichtig, sonst überlebt sie keinen vernünftigen Sex.«

»Du spinnst total! Träume weiter, du alter Sack!«

»Jedenfalls wurde sie unterwegs zutraulich. Sie erzählte mir, diesmal in Echtzeit, wie sehr sie mir vertraut, und daß sie sich bei mir absolut sicher fühlt.«

»Bist du dir sicher, daß du sie in der Single-Börse kennengelernt hast? Und nicht in der Tagesklinik für psychisch Gestörte?«

»Nein, schon im Internet. Ich habe ja dann auch kurz überlegt – aber nein: Das war schon bei Elite-Verschmähte. Dort gibt es ja die niedlichen Frauen. Obwohl: Du kommst doch auch von dort. Egal.
Wir lagen dann da und ihre Fischeaugen signalisierten Bereitschaft zum Empfang. Zumindest habe ich das so interpretiert, und sie hat sich bereitwillig gefügt. Schlierig war sie auch, aber Begeisterung sieht anders aus. Sie schaute mich an wie ein Barsch, der auf einen Blinker hereingefallen ist und sie lag da, als hätte ich sie gerade ins Koma geprügelt.«

»Wundert mich gar nicht. Mach weiter!«

»Ich will ja bei jeder Frau einen guten Eindruck hinterlassen. Also habe ich kurz nachgedacht, und mir ist eingefallen, daß sie mal was davon gefaselt hat, daß sie von meiner Persönlichkeit gefesselt werden möchte. Mit Persönlichkeit ist es aber bei mir nicht weit her. Da ist mir mein Abschleppseil eingefallen, das ich als Maskottchen verehre. Es stammt aus dem rundgelutschten Trabant P 50 meines Vaters, als der schon verheiratet war.«

»Alles klar, verschone mich mit Geschichten aus der Fremdgehgruft, und daß mit über 40 Jahren alles sinnlos durcheinander vögelt. Weiter!«

»Da habe ich ihr von verschiedenen sexuellen Praktiken oder eben Experimenten aus dem einschlägigen Bereich erzählt, um sie vielleicht etwas in die Strömung zu bekommen.«

»Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Und? Hat sie angebissen?«

»Völlig! Sie hat sich angefühlt und geschmeckt wie eine heiße ungarische Fischsuppe! Voll der scharfe Paprika! Nur mußten wir jetzt den ganzen Weg wieder zurück. Das Seil lag doch noch im Auto. Es ist voll kuschlig aber nicht niedlich. Zurück haben wir dann zwar nur eine halbe Stunde gebraucht, aber eben die selben Kilometer geschrubbt.«

»Ja Bewegung und Fische sind gesund. Das Bonbonwasser lasse ich jetzt besser mal weg. Hast du noch richtigen Wein da?«

»Du weißt doch ... Jedenfalls hat die gute Frau sich dann eingebildet, daß ich sie an die einzige Birke binde, die auf unserer Lichtung steht. Da ging kein anderer Weg rein. Ich meine: Der Wald steht voller Bäume! Aber nein: Das muß unbedingt dieser eine sein!«

»Wir Frauen sind nunmal so. Wenn wir uns etwas in den Kopf gesetzt haben, muß das eben so sein. Ihr seid also wieder zurück auf die Lichtung.«

»Ja, mir blieb ja nichts anderes übrig. Dort habe ich sie, wie ich annahm, ordnungsgemäß an die Birke gebunden und halt losgelegt. Als alter Haudegen habe ich ja immer einen meiner Spezialkondome dabei.«

»Was soll daran spezial sein?«

»Die sind hoffnungslos überlagert. Wann brauche ich denn mal so eine Tüte?«

»Du mußt dir ja kein Zehner-Pack kaufen, wenn du neun davon eigentlich wegschmeißen kannst. Die Dinger gibt es auch einzeln oder verlasse dich einfach auf die Frau. Aus Notwehr haben die heutzutage eigentlich immer welche dabei. Es gibt nur keine zu. Du bist also ran an die Frau ...«

»Ja, da kam plötzlich Bewegung in das Fischlein. Erst hat sie geguckt wie eine Bachforelle, dann wie ein Zander und zum Schluß sah sie aus, wie ein gestrandeter Karpfen der nach Luft schnappt. Als würde sie Christians Morgensterns ›Fisches Nachtgesang‹ rezitieren. Kein Ton kam über ihre Lippen. Aber ihr schien es gut gefallen zu haben, und das Verb ›aufbäumen‹ hat seit dem eine neue Bedeutung für mich.
Dann wollte ich sie wieder losbinden. Ging nicht. Ich habe den Knoten einfach nicht mehr aufbekommen. Irgendwas hatte ich verwechselt und ich bekam keine Chance sie wieder freizubekommen. Was sollte ich jetzt machen? Ein Taschenmesser, zum zerschneiden des Seils, hatte ich ja nicht dabei. Mensch war das peinlich. Ich kann doch keinen Pilzsammler suchen und ihn bitten, mit seinem Pilzmesser eine Frau vom Baum zu schneiden! Das geht absolut nicht! Also habe ich sie mit ihrem Halstuch geknebelt, damit sie nicht rumschreit. Das hätte ich ihr zwar nicht zugetraut, aber sicher ist sicher. Dann habe ich sie noch mit Ästen zugedeckt, die ich schnell von den Bäumen gebrochen habe. Nicht das die einer findet!«

»Ich schmeiß mich weg! Du hast sie echt da liegen lassen? Nimm mal einen Schluck richtigen Wein!«

»Was sollte ich denn sonst machen? Ich brauchte dringend ein Messer. Im Auto hatte ich keins. Also bin ich nach Hause gefahren, eins holen. Es kam natürlich, was nun kommen mußte: Auf dem Rückweg blieb mein Auto liegen. Sprit alle. Ich tanke doch nur noch für 10 Euro bei den Preisen! Der Benzinkanister lag zwar im Kofferraum, aber der ist schon ewig leer. Den habe ich mir geschnappt und bin zur nächsten Tanke gelaufen. Geld hatte ich glücklicherweise dabei. Das alles hat nur eine Stunde gedauert aber inzwischen drohte es dunkel zu werden. Nun mußte ich wieder nach Hause fahren, eine Taschenlampe holen. Dann wieder zur Tanke, Batterien kaufen. In der Lampe waren ja keine mehr drin. Zurück in den Wald, die Frau suchen. Ehe ich die gefunden hatte! Ich war völlig fertig, und habe erstmal neben ihr eine geraucht. Dann habe ich den Knoten durchgeschnitten. Ich hätte heulen können! Ich zerschneide das Abschleppseil meines Vaters! Das kann doch gar nicht wahr sein! Dort drüben liegt es.«

»Ich habe mich schon gewundert, was das zerschnippelte Seil hier soll. Suizidgefährdet bist du ja eigentlich nicht. Und was sagte sie dazu?«

»Die ist völlig durchgeschnipst. Angeschaut hat sie mich, wie ein frisch verliebter Barracuda. Der Orgasmus muß ihr ein paar Synapsen durchgeschmort haben. So verblitzt kann man eigentlich gar nicht sein. Auf dem Heimweg plapperte sie dann in Echtzeit, daß sie so einen gigantischen Sex noch nie hatte und vor allem, daß sie das Nachspiel noch nie so lange genossen hätte. Daß diese Birke nun unserer Liebe geweiht wäre und daß sie, Dank mir, ihre Sexualität völlig neu entdeckt hat. Daß sie nun mit mir ihr Leben völlig neu gestalten will. Dabei hing sie an mir, wie eine Krake an ihrem Opfer. Ich habe gelitten und mir den ganzen Kram angehört, den frau einem Mann nach dem Beischlaf besser nicht erzählt. Entnervend! Ich habe mir sogar überlegt, ihr den Knebel wieder in den Mund zu schieben. Aber dann wäre ich dort gar nicht wieder weggekommen, und ich wollte nur noch eins: Nach Hause und das allein.«

»Geschieht dir recht. Wärste mal friedlich Pilze sammeln gegangen. Denn jetzt hast du ein Problem: Die Frau hat Blut geleckt. Die ist jetzt nicht mehr zu halten. Das was sie hatte, will sie immer wieder haben. Das Telefon hast du ja nicht umsonst aus der Dose gezogen. Ich bin gespannt, wie du aus der Nummer wieder raus kommen willst.«

»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollte ich sie langsam wieder auf Null fahren. Ich treffe sie einfach noch drei, vier mal in größeren Abständen. Einfach auf Zeit spielen. So schlecht war sie ja gar nicht. Es hat mir mit ihr schon Spaß gemacht auch wenn ich, um die Sache erfolgreich beenden zu können, an die Aleksa denken mußte. An damals als sie noch jung war.«

»Du bist so ein Arsch! Das gibt es gar nicht! Ich fasse es nicht! Erzähle ihr doch einfach, daß du bei ihr nur zum Ende kommst, wenn du an andere Frauen denkst! Vielleicht erschlägt sie dich gleich. Das würde ich sogar verstehen! Ich hole noch Wein.«

»Nein, mir ist noch kein Fall bekannt, wo eine Schlaftablette einen ausgewachsenen Mann erschlagen hätte. Eher nimmt sie davon eine Überdosis. Die wird sich schon wieder abkühlen. Das haben alle anderen Frauen vor ihr schließlich auch gemacht.
Apropos Aleksa: Hast du wieder mal was von ihr gehört?«

»Nö, die ist doch verheiratet. Also weg vom Fenster. Von der hörst du nichts mehr. Aus meinem Handy habe ich sie schon gelöscht. Sie nimmt dort nur Speicherplatz weg. Ich sehe sie nur noch zufällig im Vorbeigehen. Wie letztens bei der Gerda. Der Hersteller von unseren Spaßdingern hat uns doch neue Ersatzgeräte geschickt. Da sind wir natürlich gleich hin. Geguckt hat sie, als hätte sie einen Maulkorb um und ich habe sie fast nicht verstanden, so leise hat sie gesprochen. Sicher ist es ihr peinlich, als verheiratete Frau bei der Gerda gesehen zu werden. Aber eine Hochzeit tötet die Libido des Mannes eher ab, als daß sie die anregt. Das hast du selber gesagt!
Ich habe sie natürlich gleich gefragt, warum die kaputten Gehwegplatten nach 4 Monaten immer noch vor dem Haus liegen, und nicht durch neue ersetzt worden sind. Sie hat ja schließlich nun einen Mann dafür.«

»Der noch dazu ein Widder ist. Ein Wegbereiter im diesmal wahrsten Sinne des Wortes. Dem das nicht schnell genug gehen könnte. Eigentlich. Was hat die Aleksa für ein Sternzeichen?«

»Keine Ahnung. Zwilling oder Skorpion schätze ich mal. Irgend so etwas allgemeingefährliches. Die Aleksa meint dazu, daß er schon ein Widder sei, aber wahrscheinlich einen unschönen Aszendenten dazu hat. Lusche oder Grottenolm. Genau weiß sie das aber nicht. Sie würde sich nicht trauen ihn zu fragen.«

»Sie kann nur ein Skorpion sein. Der Widder symbolisiert den Anfang und der Skorpion das Ende vom Lied. Das paßt gut zusammen.«

»Außerdem erzählte sie, daß er die Gehwegplatte gar nicht wechseln könne. Hier wurde sie so leise, daß ich sie kaum noch verstanden habe. Er wäre doch die Woche über kaum zu Hause, und am Wochenende hat er in der einen Hand seine Kippe und in der anderen seine Tasse Kaffee. Da hat er keine Hand mehr frei für Gehwegplatten. Früher hätte er die Tasse Kaffee noch aus der Hand genommen, um ihr die Batterien zu tauschen. Das hätte er schon für sie getan.«

»Was für Batterien? Er hat ihr doch noch nie den Akku aufladen können?«

»Nicht ihren Energie-Akku meine ich! Sondern die Batterien für ihr Spaßteil. Halten können sie bei ihr nur maximal eine Woche. Da hat er sie Sonntags immer ausgewechselt, weil er der Aleksa so viel technisches Verständnis nicht zutraut. Dabei kann sie das blitzschnell, auch wenn es stockdunkel ist. Seit dem sie das neue Teil mit Docking-Station von ihm geschenkt bekommen hat, braucht er das eben nicht mehr machen.«

»Stimmt, als ich das letzte mal, rein förmlich, bei ihr zum Kaffee trinken war, habe ich mich schon gewundert, warum bei ihr Batterien auf der Heizung rumliegen.«

»Da warst du an einem Donnerstag dort. Mittwoch abends sind die Batterien gewöhnlich leergezutscht. Also legt sie die auf die Heizung, um sie zu erwärmen und damit die letzte Energie aus den Dingern herauszuholen.«

»Niedlich! Das mit den Batterien. Du, ich glaube, der will den Gehweg gar nicht reparieren. So hat er was worüber er sich aufregen kann, und der Aleksa kann er schnell ein schlechtes Gewissen einreden, weil sie doch zur Hochzeit den Fotografen eingeladen hat. Da steht die so unter Druck, daß sie gar nicht fragt, wann er die Dinger endlich mal wechselt. So hat er erstmal seine Ruhe. Der ist schlau, aber auf die Dauer eben nicht klug. Egal.
Du täusche dich mal nicht, wenn du meinst, daß die Frau jetzt weg vom Fenster ist.«

»Wo soll sie denn sein? Die pennt jetzt garantiert jeden Abend vor dem Fernseher ein. Keiner sieht die mehr.«

»Weil sie nicht gesehen werden möchte. Du erinnerst dich an das, was ich dir vom gutbürgerlichen Weg erzählt habe? Erst kommt die Pflicht und dann die Kür? Es gibt ein Naturgesetz: Vor der Ehe ist es, wie nach der Hochzeit. Es ändert sich nichts. Ich habe mal etwas recherchiert. Natürlich im Internet in der Single-Börse. Was glaubst du, wen ich dort gefunden habe?«

»Die Aleksa? Ach du Sch ...«

»Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie es ist. Auf dem Profilbild ist sie nicht richtig zu sehen. Aber ich brauche ja nicht ihr Gesicht zu sehen, um sie zu erkennen, da ich weiß, wie sie sonst noch aussieht. Ihr Text ist auf den ersten Blick harmlos aber letztendlich eindeutig im Schambereich angesiedelt. So, wie sie es immer gemacht hat. Es ist auch derselbe Schreibstil. Alle anderen Angaben sind natürlich falsch. Postleitzahlenbereich, ihr Alter, Sternzeichen usw. Das übliche wie immer.«

»Und wenn ihr Mann dort auch ein Profil hat? Das wäre dann der Supergau, wenn die sich dort über den Weg laufen.«

»Wieso? Der hat dort sicher auch eins. Schon um zu gucken, ob sie sich wieder angemeldet hat. Aber er wird sie nicht finden, dessen bin ich mir sicher. Der nimmt sie doch sonst nur wahr, und kennt sie eigentlich nicht. Und wenn doch? Dann passiert gar nichts. Er kann ihr nichts beweisen. Dafür ist die Aleksa zu schlau. Dann stellt sich noch die Frage, was er eigentlich dort will. Solche Spiele sind nunmal üblich.«

»Es ist ein Scheißspiel. So eine Beziehung ohne Vertrauen.«

»Ach, komm hör bloß auf. Du kennst doch selber nichts anderes. Was ist denn nun das neueste Neu?«

»Jetzt traue ich es mir fast nicht mehr zu erzählen: Ich hatte Sex!«

»Nein! Geil! Mit wem denn?«

»Naja, ich habe mir auch so eine Sicherheitsbockwurst angelacht. Deshalb auch der Wein. Leben ändern und klein anfangen. Mein Alter ist doch eigentlich schon längst Geschichte. Manchmal ist er ja ganz putzig. Scheiß Mitleid. Er weiß erstmal noch nichts davon. Ich lasse die beiden jetzt eine Weile parallel laufen. Mal schauen, was wird. Er ist ein bißchen jünger als ich, und total niedlich! Beim Sex zum Beispiel oder wie der hilflos guckt, wenn er nicht weiß, was er sagen oder machen soll. Total niedlich!«

»Also ist es wiedermal kein Mann. Niedliche Männer gibt es nicht. Nur niedliche Kerlchen. Aber das sind keine Männer! Wann lernst du endlich mal dazu? Dein amtierender Heini ist putzig! Der vorhergehende war auch ein ganz niedlicher! Das war ein emotional tiefergelegter 28jähriger Viertklässler! Dieses Weichei hat noch Matchbox' gesammelt und bei Mutti gewohnt! Der war so niedlich, daß er die Vitrinen voller Herr-der-Ringe-Figuren hatte. Sein niedliches, sauteures, geleastes Auto hat er nie gefahren, weil er sich das Benzin dafür nicht leisten konnte. Was haben dir diese Typen gebracht? Nichts als Ärger!«

»Aber immerhin war ich die ganze Zeit nicht so allein wie du. Ich bin glücklich! Ich bin glücklich mit ihm! Ich freue mich, wenn er zu mir kommt. Er ist niedlich! Er versucht mich zu verstehen! Ich habe das Gefühl wieder geliebt zu werden! Er ist so niedlich! Der Sex mit ihm ist göttlich, wenn er macht, was ich sage! Ich bin glücklich! Ich bin glücklich mit ihm! Er will mir seine Mutti vorstellen! ICH BIN GLÜCKLICH!«

»War das alles? Schon Schluß mit der Tirade? Das nennt man Autosuggestion oder Selbsthypnose! Früher hast du das bis zu 2 Stunden am Stück fabriziert. Das hat dann wohl auch nichts gebracht.«

»SADIST!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen ...

3 Kommentare:

  1. Müsste man glatt mal gucken, was für einen Aszendenten im SV-Buch stehen hat!

    Ansonsten: til_o. goes deutlich gehobene Erotikliteratur, hehe...

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  2. Und? Welcher steht da? Tetanus? Das ist eine Schutzimpfung aber kein Aszendent. *g*

    Ansonsten: *ggggggggggggggg* und *düdeldü*

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  3. Auf jeden Fall geboren im Wendekreis des Opels... ;o)

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