
Heute stand »Besuch der Neueröffnung einer Kaufhalle« auf meinem Spielplan. Der EDEKA hat zur Offensive geladen. Ich dachte schon, die werden nie mit dem Neubau fertig. Vorher stand da das
Hofbrauhaus zu Dresden-Cotta und dessen Abrißarbeiten gestalteten sich, gelinde gesagt, etwas sozialistisch. Ich habe keine Ahnung, was da für Truppenteile am Werk waren – wahrscheinlich die des Kombinates VEB »Roter Oktober« Werk IV –, die Planerfüllungsruhe hatten sie jedenfalls weg. Dann schien das beräumte Gelände ein Problem darzustellen – wieder tat sich nicht viel. Aber egal. Vom Planungsprozess habe ich ja keine Ahnung und warum Cotta einen neuen Einkaufstempel braucht auch nicht. Hier bekommt man ja automatisch einen Schufa-Eintrag vom Einwohnermeldeamt, wenn man nur seinen Wohnsitz in diesen Stadtteil verlegt. Ranking nennt man das wohl oder Hartz-9-Reservat.
Aber ich soll ja nicht immer nur meckern und auch mal das Gute an dieser Welt sehen. Was mir nicht gelingen wird, denn bevor die Sonne zur Supernova wird, bin ich schon längst gestorben. Nichtsdestotrotz latschte ich dann doch zum neuen Einkaufsparadies. Vielleicht, um mich über die vielen neuen Arbeitsplätze zu freuen, die so geschaffen wurden. Vielleicht sehe ich ja ein paar bekannte Gesichter aus dem DISKA – der abgespeckten Proletenvariante des EDEKA – der in der Nähe ganz überraschend geschlossen wurde wieder.
Von außen macht der Tempel einen ganz normalen Eindruck. Eine Palette mit Blumenerde, Blümchen – der ganze Kram eben, der vor Kaufhallen zu dieser Jahreszeit so rumliegt. Der Moderator von Radio Blau gehört normalerweise nicht dazu. Der stand auch und laberte und laberte einen ... Seine Aufgabe war, es die Schaulustigen zu vertreiben. In den Markt zu treiben. Was ihm auch gelungen ist.

Meine Flucht in das Einkaufstreiben wurde von zwei hübschen Maid am Eingang gestoppt. Die waren wild entschlossen allen Besuchern eine gelbe Begrüßungsrose in die Hand zu drücken, was auch vom Cottaer Bürger wohlwollend in Anspruch genommen wurde. Warum sie die in einen aufgeblasenen Luftballon verpackten, erschloß sich mir nicht. Wahrscheinlich wollten sie damit verhindern, daß der zu gewinnende Neukunde in die Blume beißt und sie aufißt, bevor er sich den Einkaufswagen vollknallt. Keine Ahnung.

Drin sah es dann auch aus, wie eben ein Kaufhalle von innen aussieht. Regale, Regale, Regale. Spektakulär ist da eher das Kundenwaschbecken. Ausprobiert habe ich es noch nicht. Wie auch? Meinen Duschschlauch hatte ich ja nicht mit. Das konnte ja keiner ahnen, daß EDEKA den Kundenservice so groß schreibt und in das Waschbecken passe ich nicht rein. Ich hätte mir höchstens die Füße waschen können, aber das hat vorige Woche der Pontifex Maximus schon getan.

Für einen Schwatz mit der Kontrollwaage hatte ich auch keine Zeit. Den werde ich nachholen. Nach dem Duschen beim Abtrocknen und dem Zehennägelschneiden. Eine Schere dafür werden sie sicher dort für mich haben. Interessant ist der Notausschalter direkt neben der Waage. Da haut man drauf, wenn der Rentner vor einem am quasseln ist. Das kann nämlich dauern und manch Gesprächsbedarf duldet keinen Aufschub. Der kann ja inzwischen sein Gebiss im Waschbecken spülen und putzen. Eine Ausleihzahnbürste werden sie ja für ihn da haben. Oder er dreht eine Runde durch den Markt und studiert das Kleingedruckte auf jeder Verpackung.
Mit Hilfe der Lupe am Einkaufswagen ist das kein Problem. Der Wagen selbst ist im dezenten schwarz gehalten und er liegt sehr gut in der Hand. Kurvenfahrten sind problemlos möglich und das Wenden des Wagens in voller Fahrt geht geschmeidig vonstatten. Auslösen kann man ihn mit einem 50 Cent Stück oder mit 1 und 2 Euro Münzen. Gehobene Preisklasse sozusagen. Die Karren am Lidl bekommt man inoffiziell auch mit einem 20 Cent Stück los.

Ob der Laden was taugt, klärt sich spätestens am Wodka Regal. Das ist gut sortiert und der gute polnische, der mit dem Büffelgras, fehlt auch nicht. Noch nicht. Früher, im Konsum war der stets ausverkauft. Möglicherweise, weil die Dienstzimmer der ARGE-West nur eine Etage höher sind. Aber mehr muß man nicht wissen, um zufrieden von dannen ziehen zu können, und ich betrachte somit meine Mission als beendet an.

Das Büro für ehemalige, erfolglose Marktleiter befindet sich 60m unterhalb der Einkaufsfläche und ist gut von oben einzusehen. Früher war das der Brunnen der Hofbrauerei und man hat diesen aus praktischen Erwägungen erhalten. Wenn man von einer durchschnittlichen Körpergröße von 1,80m ausgeht und einen Wohlfühlabstand vernachlässigt, passen da ca. 33 Versager rein.

Draußen dann das übliche Gedöns. Hüpfburg, Bratwurstbude und ein Moderator, der immer noch so aussieht, als würde er gerade aus der Kneipe kommen.

Als etwas unglücklich kann man das Parkverhalten dieser Verkaufsförderin bezeichnen. Aber wahrscheinlich ist das nur ein übler Trick und sie will ihr Caprizeug, was hinten kaum sichtbar aus dem Kofferraum lugt, alleine trinken.

Überdurchschnittlich war auch das Maskottchenaufkommen vor dem Markt. Was einen Menschen bewegt, um als Briefkasten durch die Gegend zu irren, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich ist es pure Geldgier. Vielleicht will er ja auch mal Post haben. Der kann gerne den Inhalt von meinem Briefkasten bekommen. Da sind eh nur böse Briefe drin.

Das ich von Frauen bestürmt werde, ist ja nichts Neues aber etwas überrascht war ich schon, als diese Schnecke Anlauf nahm. Ich bin der weiblichen Jugend ja auch dankbar, daß sie vor nichts zurückschreckt ...

... aber halte ich da eine Einladung in der Hand oder nicht? Egal, heute ist Donnerstag, da bin ich eh ausgebucht. Ich kann ja später auf ihr Ansinnen mal eingehen.

Ob die Cottaer Bürger mit ihrer Kaufkraft den Laden gewachsen sein werden, bleibt abzuwarten. Aber wenn alles zusammenbrechen sollte, kann man da drin auch prima Gotscha spielen. Oder etwas anderes.