
Da wir geraden bei der Freude sind: Ist das nicht ein herrliches Wetter? Genauer, eine Labsal für die Seele versprechende Wetterlage? Die heißt wohl B5, und der Wetterfrosch, gestern Abend im MDR, bekam ganz glänzende Augen, als er von ihr berichtete. Das wäre haargenau dieselbe Konstellation zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten, wie sie sich vor 9 Jahren zusammenbraute, um uns die Jahrhunderte Flut zu bescheren. In seinen Augen spiegelten sich die wunderbaren Ereignisse von damals wieder. Von den Deichen trommelte die Frontberichterstattung allererster Güte in die trocken verbliebenen Wohnzimmer. Alles, was ein Mikrofon halten konnte und über Zahnpasta-Lächeln verfügte, wurde von den Regionalsendern ins Katastrophengebiet gejagt, um dort locker-flockig ihrer Informationspflicht nachzukommen. Die quasselnden Sandsäcke mit dem Mikrofon treiben den Wetterheini heute noch die Lachtränen in die Augen.
Damals habe ich in Meißen gewohnt und die Flut fast verpaßt. Ich wollte Gott näher sein, und habe deshalb neben einen Friedhof, hoch droben auf dem Berg, gewohnt. Dort gab es keinen Stromausfall und der Allmächtige hielt auch über die Telefon- und Internetverbindung seine schützende Hand. Wäre nicht das Technische Hilfswerk und ein paar schlammverschmierte Gestalten an meinem Fenster vorbeigezogen – ich hätte von all dem nichts mitbekommen.
Erst als der Hochwasserpegel das zweite Mal an die Stadttore patschte, bin ich auf die Idee gekommen mal nach dem Rechten zu schauen. Was ich sah, berührte mein Herz mit Wärme. So viel Kollektivgeist hat es zwischen den Meißlingen seit der Wende – ach was sage ich, seit dem Katastrophenwinter 46/47 nicht mehr gegeben. Da wurde mit Sandsäcken geworfen, gebuddelt, geplant, ein Bierchen gezischt und gemeinsam in den Himmel und auf die Elbe gestarrt. Das alles verlief völlig zwanglos und ohne Standesunterschiede. Gut, ich brauchte keine Sandsäcke schleppen aber ich hatte auch keine Gummistiefel und keine Trainingshosen an. So ein buntes Treiben gab es sonst nur auf abgesoffenen Campingplätzen. Nur waren hier die Paddelboote größer und die Menschen schauten ernster drein, als sie den Daumen am Zeigefinger rieben.
Was diese Geste für eine tiefe Bedeutung hat, erfuhr ich erst später durch einen Brieffreund aus der Staatsregierung. Er meinte, daß so eine Flutkatastrophe dem Staat sehr teuer zu stehen kommt, und daß deshalb zukünftige Überschwemmungen nur noch als Hochwasser eingestuft werden. Das wäre für den Freistaat billiger.
Nun gut, ich verkleidete mich als unbeteiligter Zuschauer und mischte mich inkognito unter das schwimmende Volk. Mit dabei hatte ich das kleine gelbe Entchen, was mir bei dem Stadtrundgang, oder wie auch immer, assistierte.

Was mich gleich tief beeindruckte war, mit welcher Tapferkeit die Menschen diesem Schicksalsschlag die Stirn boten und welche Gelassenheit sie dabei zur Schau trugen, obwohl es tief in ihnen wild brodeln mußte.

Auch die Stadtverwaltung reagierte umsichtig und paßte sich schnell an die neuen Gegebenheiten an. Sie ist eben so wandelbar und anpassungsfähig, wie sie gleichzeitig immer die alte bleiben wird. Dabei verliert sie auch nie ihre Bürgernähe.

Das die Sicherheitsorgane der Stadt die Lage immer unter Kontrolle hatte und sofort Hilfsmaßnahmen einleitete, versteht sich bei dieser Kommune natürlich von selbst.

Auf dieser Impression kann man gut sehen, wie sich der improvisationsfreudige Meißner Bürger bemühte, daß normale Leben aufrechtzuerhalten. Den Umständen angepaßt, ging alles seinen gewohnten Gang.

Dito.

Es gab natürlich noch mehr zu sehen aber ich will den kommenden Hochwassern nichts vorwegnehmen. Das Entchen und ich waren zufrieden und ich hatte auf dem Heimweg noch ein Vision, die sich bald bewahrheiten sollte.

Vielleicht hält ja das schöne Wetter noch eine Weile an. Dem Wetterfrosch vom MDR und dem kleinen, gelben Entchen wäre es zu gönnen.
In diesem Sinne: Man soll den Kopf nicht hängen lassen auch wenn der Hals dreckig ist. Gewaschen wird einem beides sowieso. Früher oder später.