Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Herbstzeitverstimmung


Nachkriegsaltneubaugebiet. Kaltgraubraunfeuchte, vernebelte morgendliche Endherbstverstimmung. Einzig, zwar einheitlich, bunt scheinen die gelben, quergestreiften, schaufensterlichen Warnbaken eines Verbrauchertempels zu sein.

»Sind die nicht mehr dicht oder was? Das gibts doch gar nicht!«

Ein Männel rüttelt energisch an der verschlossenen Kaufhallentür. Blauer Anorak, beige Bundfaltenhose, eine silbermetallgefaßte, leicht verschmierte Brille und spärliche, verklebte Haare. Er verkörpert für mich einen in den Herbstmodus geschalteten Kaninchenzüchter, der sich schon lange keine Karnickel mehr leisten kann.

»Die können doch nicht einfach nicht aufmachen? Keiner hat was gesagt und nicht mal ein Schild haben sie hingestellt, um Bescheid zu geben! So geht das doch nicht! Wieso machen die nicht auf?«

Vielleicht weil heute Sonntag ist, gebe ich zu bedenken.

»Sonntag? Heute? Stimmt! Mir war schon vorhin so komisch. Dem Nachbarn, Parterre, sein Auto stand ja noch da. Nicht, daß der verschlafen oder auch keine Arbeit mehr hat! Sonst bin ich ja nicht so früh unterwegs – aber heute ...«

Er schaute mich jetzt so an, wie man jemanden anschaut, der einen versteht und sich dabei beide zu vorgerückter Stunde in einer Stadtteilkneipe befinden. Dabei staune ich nur.

»Das ist doch der Einzigste in unserem Aufgang, der noch Arbeit hat. Die anderen sind doch Rentner oder schon lange nicht mehr dabei. Zu alt – mit Fünfzig! Das muß man sich mal vorstellen! Bis auf die »Jungsche« – zweiter Stock, ganz rechts. Aber die ist allein und hat zwei kleine Kinder. Drei und Fünf. Die kriegt doch auch nichts mehr.
Ein Geschrei ist dort manchmal ...«

Jetzt schaut er schwer philosophisch in das imaginäre Nichts.

»Sonntag – das ist eigentlich ein Tag wie jeder andere auch. Nur das ich da eben nichts einholen kann.«

Es folgt ein schelmisches, um Entschuldigung bittendes Grinsen, was einem etwas ratlosen aber lösungsorientierten Blick in die einkaufsmöglichkeitslose Realität weichen muß.

»Was mache ich denn nun? Ach, ich gehe zum Nachbarn mir was borgen. Dritter Stock mitte-links. Das ist doch auch ein alter DDR-Bürger – der hat sicher was gebunkert.«

Er nickt mir kurz zu – an seiner Brille sehe ich, daß es angefangen hat zu regnen – dreht sich um und steuert auf das nächstgelegene Wohnsilo zu.

Patsch, Patsch – und es regnet, regnet und regnet.

4 Kommentare:

  1. Wozu mir ein alter Witz einfällt. Also zum Regen. Schickt ein Informatiker dem anderen eine Karte aus dem Urlaub, auf der nichts anderes ist, als ein Pfeil, der nach unten zeigt.

    Wie war also das Wetter?
    Es hat geregnet ohne Unterlass...

    Verstehnse? Shift Lock, Shift ohne Ende...

    Manno, könnte ich heute wieder Mist lurksen. Hier ist das Wetter auch hellgrau. Also stelle ich mich jetzt an die Wasserkannte und schaue wissend auf die Ostsee, hehe...

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  2. Karnickel...da fällt mir bestimmt auch was dazu ein. Senf-Sahne-Soße zum Beispiel.Ganz klassisch. Auch wenn das gestrige Experiment von Dir mit Wohlwollen aufgenommen respektive verspeißt wurde, wären Versuche jeder Art an so einem Tier eher Frevel.*g*

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  3. Hier gibts Bilderbuchwetter Octa. Das heißt, wenn man auf solche Schwarten steht in dem die Sonne – besser das, was von ihr übrig ist – sich mit letzter Kraft bis auf Fensterbretthöhe stemmt und dazu von herabrießelnden Laub belebt wird. Es dauert nicht mehr lange und hier herrscht ein halbes Jahr Polarnacht. UUuuaaahhh ....

    Klar »Connie«, und die Senfsoße wird mit Tomaten, Rosmarin und Oliven verfeinert. Igitt! Wenn mir so ein lecker Knuddelhasi in die Pfanne kommt, gibts vorsichtshalber für die Küche ein Zwergenverbot und zum Spülerausräumen Leinenzwang. Das gilt für alle unter 1,78m.

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