Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Sonntag, 14. März 2010

Doch! Einer wird dich verstehen …

Es ist morgens 6.00 Uhr. Die Sonne strahlt durch dein offenes Fenster. Es ist Sommer. Du drehst dich noch einmal um und versuchst deinen Traum nicht zu verlieren. Es ist dein Traum. Er gehört nur dir, wie der Mann, von dem er handelt. Ein, nein, der Traummann. Dein Traummann. Er gehört zu dir …

Unten, vor der Tür, hält ein verhalten buntes Auto. Die Scheiben sind verdunkelt und sie drohen matt in den beginnenden Tag.

In deinen Tag.

Drei kräftige, untersetzte Männer verlassen routinemäßig und gelangweilt den Wagen. Einer öffnet beflissen die hintere Wagentür und heraus stakt ein größerer, hager wirkender Mann. Er betrachtet kurz abschätzend seine Begleiter, die, wie er, saubere weiße Kittel tragen, nickt zufrieden und sein Blick fällt in sein aufgeschlagenes Notizbuch. Beim Lesen kneift er seine Augen leicht zusammen und schaut dabei suchend auf, bis er sein Ziel entdeckt. Die Augen seiner Begleiter folgen aufmerksam seinem Blick. Sie ruhen auf einer Haustür.

Es ist deine Haustür.

Der Hagere nickt kaum merklich und schaut auf seine Uhr. Es wird schnell gehen. So schnell wie nötig. In seinem Notizbuch sind für heute noch 25 Adressen vorgesehen. Seine Begleiter wissen, was zu tun ist. Der erste klingelt nicht, sondern bricht die Tür kurzerhand mit seiner Brechstange auf. Die anderen zwei huschen an ihm vorbei, die Treppen hoch bis zu deiner Wohnungstür. Einer sichert die Treppe nach oben, der andere nach unten. Alles geschieht absolut lautlos.

Du drehst dich nochmal herum. Dein Traum geht weiter. Du hast gerade Sex. Traumhaften Sex. Mit dem Traummann. Deinem Traummann. Völlig entkräftet, aber glücklich, laßt ihr schließlich von einander ab. Sein Geruch liegt auf dir. Deine Hand mit der Zigarette ist ganz heiß, feucht und sie zittert leicht. Die andere Hand fährt ermattet durch dein Haar. Es fühlt sich weich und entspannt an. Es war, wie immer, der Sex des Jahrhunderts. Du kannst jetzt unmöglich aufstehen, und drehst dich noch einmal herum.

Dieser Traum darf nicht zu Ende gehen.

Der Hagere schaut vergewissernd auf dein Namensschild über der Klingel. Sein Blick gleitet kontrollierend über seine Kollegen. Sie stehen bereit. Er weiß, daß es keine Probleme geben wird. Es gab nie Probleme. In ihrem Job ist kein Platz für Gefühle. Er nickt und alle Vier schauen sich kurz in die Augen. Seine Kollegen nicken zurück, streifen sich Gummihandschuhe über und legen den Mundschutz an. Sie ist jung. Das weiß der Hagere und zieht vorsichtshalber 10ml mehr von dieser wasserklaren Flüssigkeit in die Einwegspritze. Er muß, wie immer, dabei lächeln. Einwegspritze. Wie sinnig. Es gibt nur noch einen Weg und der führt nie zurück. Sie wird keine Probleme bereiten. Es gab nie Probleme.

Du beschließt, den Traum langsam zu beenden. Es ist schon spät und heute ist der Abgabetermin für deine Diplomarbeit. Du bist dir unsicher, ob sie gelungen ist und dir ist nicht wohl bei dem Gedanken. Es ist nur ein Weg, sagst du dir. Du kannst nicht mehr zurück, das weißt du. Der Mann an deiner Seite gibt dir die Sicherheit dafür. Dein Mann. Er gehört zu dir. Dein Traummann nimmt dich in die Arme, berührt gleitend mit seinen Lippen deinen Hals, sein warmer Atem flüstert dir etwas ins Ohr – und dein Traum zerplatzt.

Deine Wohnungstür knirscht und das Schloß bricht heraus. Du weißt nicht, was los ist, aber du ahnst es. Du weißt, das sie nie klingeln.



Ein halbes Jahr später geht es dir wieder ganz gut. Inzwischen verträgst du die Medikamente und ihre Nebenwirkungen machen dir keine Angst mehr. Es tut dir gut, hier zu sein. Alles um dich herum ist weich und abwaschbar. Du kannst dir nicht weh tun, und du bist dankbar dafür. Auch das kalte Neonlicht wirkt jetzt viel wärmer und beleuchtet deinen Erfolg. Dein Blick fällt auf ihn. Dieser eine Weg war mühsam, aber er hat sich gelohnt. Zufrieden schaust du auf dein 500. selbst gebasteltes Osternest. Makellos liegt es vor dir. Nicht so zerknittert, wie die 499 vor ihm. Der Hagere wird stolz auf dich sein. Einmal pro Woche kommt er dich kurz besuchen. Andere Kontakte zur Außenwelt hast du nicht.
Du vermißt sie auch nicht, denn du weißt, daß sie nicht gut für dich sind.
Du brauchst sie nicht.
Du hast dein zu Hause gefunden.
Es gab nur diesen einen Weg, dessen bist du dir sicher. Nur diesen einen. Er versteht dich. Er gehört zu dir. Du freust dich auf ihn. Die Woche ist wieder um – es ist immer die selbe Tür, die aufgeht und sich wieder schließt.

Und Alle! (Singend): Er gehört zu mir, wie mein Name an der Tür …

– Kakao ist am bekömmlichsten, wenn ein Anderer darin von Dannen zieht. –

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