Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Dienstag, 9. Juli 2013

Der Zoo in Dresden – eine Betrachtung


Nein, das ist nicht der Eingang zum Zoo, so sah er vielleicht vor dem Krieg aus, sondern der zu den Toiletten, direkt hinter dem Haupteingang. Strategisch gesehen ergibt dieser Standort durchaus einen Sinn. Bevor man sich auf eine Safari begibt, sollte man sein Wasser abschlagen, um, wenn Not am Mann ist, in der unbekannten und einem feindlich gesinnten Wildnis keinem Baum vertrauen zu müssen. Das wußten schon die alten Großwildjäger in ihren afrikanischen Kolonien und hier im Zoo wird diesem Erfahrungsschatz Rechnung getragen.


Die Toiletten selbst versprühen nicht nur den gewohnten Charme den gepflegte Stätten der Notdurft ihr eigen nennen, sie spiegeln auch ein wenig Glanz der Emanzipation auf den sauberen Kacheln wider. Ein Zeugnis vom Kampf des Mannes um Gleichberechtigung legt der in der Männerabteilung plazierte Babywickeltisch ab. Davon darf man in anderen öffentlichen Einrichtungen nur träumen. Ansonsten fühlt man sich darin wie in einer ganz normalen Toilette. Nichts deutet darauf hin, daß diese sich in einem Tierpark befindet. Ein paar Totenkopfschaben (Blaberus craniifer) könnten da schnell das richtige Flair verbreiten. Es müssen ja nicht gleich die Schlammspringer (Periophthalmus) sein. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Diese Tierchen haben einen ausgeprägten Sturkopf und finden ihre hohle Gasse von ganz allein. Das ist nur eine Frage der Zeit.


Der Zookasper ist krank. Gemeint ist wohl ein richtiger Kasper und kein alberner Tierpfleger. Wenn ich das Schild so sehen, fällt mir als passende Unpäßlichkeit nur eine mittel- bis schwere Depression ein. Das dazugehörige Kasperlehäusel macht einen seltsam verlassenen Eindruck und nach dem Laub, was sich unter den Zuschauerbänken angesammelt hat, zu urteilen, ist der Spaßmacher schon eine halbe Ewigkeit abwesend. Nun gut. Nein, so schlecht. Für mich ist es wenig dramatisch, denn wegen einer Kleinkunstvorführung bin ich ja nicht hier.


Vielleicht wollte er ja »Daniel in der Löwengrube« aufführen und wurde dabei angeknabbert. Das ist so ein alttestamentarisches »Glaube-an-Gott-und-bleib-ihm-treu-so-ward-dir-sicher-heimgeleucht« Spektakel, was kleine Kinder anspricht und dabei hilft, sie mit dem rechten Glauben zu vertoxen. Als Künstler ist man gezwungen religiöse Themen aufzugreifen, um sich zu nähren, auch wenn man sich selbst verleugnen muß. »Wessen Brot ich esse, dessen schmierige Komödie ich spiele.« Daniel soll gerade dies nicht getan haben. Das war wohl des Künstlers Denkfehler. In so einem Fall kann man zwar auch auf einem Gottvertrauen aufbauen aber ob das für einen auch gut ausgeht ist zweifelhaft. Es ist nicht neu, daß man sich auf dieser Basis selbst über- und den Hunger ausgewachsener Großkatzen unterschätzt. Nicht nur zu früh verblichene Großwildjäger, auch Spaßmacher aller Art mußten so, auf die eine oder andere unappetitliche Weise, Gottes Brachialpädagogik erfahren.

Aber sicher irre ich mich und der Graben ist nur eine innerbetriebliche Flutrinne. Der angrenzende Große Garten soll ja bei der letzten göttlichen Prüfung auch mit abgesoffen sein. Das wäre auf Dauer ein prima Freigehege für Wattwürmer gewesen. So weit vermag der Tierliebhaber aber nicht zu gehen, obwohl sich so ein ungeheures Potential in der Hundezucht ergeben hätte. Der Dresdner Schlammspringer wäre ein direkter Ableger der rentnerfreundlichen, rattenähnlichen Promenadenmischung geworden, wie sie jetzt schon im Park massenhaft vorkommt. Der ansteigende Bedarf an einem Hochwasserhund, der nicht im Matsch versinken kann, und der seinen Dienst auch bei einem Wasserstand oberhalb der Haustürklinke versieht, wird in Zukunft durch herkömmliche Rassen nicht zu decken sein. Aber ich schweife ab.

Zurück zur Pädagogik. Was bin ich? Es gibt ein Spiel, was sich unter Sozialpädagogen großer Beliebtheit erfreut und auf keiner ihrer Geburtstagsfeiern fehlen darf. Vorausgesetzt, man ist dabei mindestens zu zweit. Das ist die erste Hürde, die es bei diesem Zeitvertreib zu meistern gilt. Das Spielprinzip ist einfach und baut auf der Persönlichkeitsstruktur und dem Wunschdenken der Gescheiterten auf.
Man schreibt im geheimen auf einen kleinen Zettel, was oder wer man lieber auf dieser bösen Welt wäre und klebt es seinem Gegenüber auf die Stirn. Das machen alle Mitspieler, bis jeder so einen Schnipsel auf der Stirn trägt. Eine Problemprojektion nennt man das. Da man selbst das einem aufgeklebte Papier nicht sehen kann, muß man nun durch mehr oder weniger geschickte Fragen erraten, welche Rolle einem aufgedrückt wurde und sie für sich annehmen und erkennen. Das heißt, er muß herausfinden, wer er ist. Reihum darf jeder jeweils eine Frage stellen, die mit ja oder nein beantwortet wird. Von ihren realen Erlebniswelten unterscheidet sich das Spiel somit nicht, was es so beliebt und einfach nachzuvollziehen macht. Auf die Idee, Sozpäd auf den Zettel zu schreiben, ist noch keiner gekommen, weil es sich von selbst verbietet. Ein Spiel, in dem keiner gewinnen kann, aber der Erste, der am Ende ist, sich freuen darf.


Warum mir gerade, beim Anblick dieser Schautafeln, dieses Spiel ins Hirn schießt, weiß weder ich noch mein Psycho, der seit Jahren versucht meine Assoziationsketten zu ergründen. Vielleicht sind es die einfach gehaltenen Abbilder von Rindviechern (Bovini) auf den großen (gelben) Klappen. Da ist nicht viel dahinter, außer noch ein Bild vom jeweiligen Horn- oder Geweihträger (Bovidae). Im anliegenden Gehege, oder einem kleinen Reservat – wie man es auch bezeichnen möchte – tummelt sich in aller Ruhe das Viehzeug selbst. Dort passiert nicht viel. Ab und zu ein unerhörter Brunftschrei von einem eingeschränkten Platzhirsch – das war es schon.


Zu den aufgeblasenen, fliegenden Fischen (Exocoetidae) fällt mir schon wieder das Sozpäd-Spiel ein. Oder Schlimmeres. Bunt bemalt, innen hohl, recht dünnhäutig und in sich zusammenfallend, wenn man ihr Inneres ergründen will – ein Sinnbild für so manches Ungemach auf diesen Planeten. Es muß nicht zwangsläufig eine, einem näher bekannte, Frau sein, nein, es steht, zum Beispiel, auch für überteuerte und mit Helium gefüllte Luftballons. Eine wahre Seuche die Kinderherzen erfreut und die eigene Geldbörse schröpft. Oder gesundschrumpft, wie eine andere Epidemie behauptet.

Die der Falschmünzer im weiteren Sinne. Wipper und Kipper hießen sie früher und heute wohl Banker und deren Hehler Staat. Im engeren, ganz engen Sinne aber leider nicht so eng, wie es nur ein Strick um den Hals zu sein vermag. Gut gegangen ist deren Geschäft schon damals nicht, die Preise explodierten und die Not war groß, und heutzutage sieht es, zwar unter einem anderen Omen, nicht anders aus.


Um diesen Umstand anzuklagen, nicht um die Freunde der Dyskalkulie zu erfreuen, hat man diesen Münzprägeautomaten aufgestellt. Oben versenkt man 1,05 € an echten Geld, dreht an der Kurbel und bekommt dafür 5 Cent Falschgeld wieder. Welch einprägsamer pädagogischer Effekt. So lernt man, wie ein Staat funktioniert.


Da wir gerade wieder bei der Pädagogik sind: Auffallend sind die sehr zahlreichen, lieb gemeinten, aber völlig überflüssigen Hinweisschilder. Wer beim Anblick einer zähnefletschenden Bestie (Bestia) sein Kind nicht in Sicherheit bringt und mit ihm die Absperrung zu derselben übersteigt, dessen Unvermögen ist so gravierend, daß er des verstehenden Lesens nicht kundig sein kann. Dem ist nicht zu helfen, außer sehr nachdrücklich beim Verlassen des Tierparkes.


Auf die Idee das kleine Faultier (Homo folivora) zu berühren kommt kein Mensch. Wozu auch? Es würde nur aufschrecken, den ernsthaften Besucher vor die Füße fallen und ihn in seinen Betrachtungen stören. Wenn man unbedingt irgend etwas streicheln muß, kann man ja das dafür vorgesehene Gehege aufsuchen.
Für Faultiere gelten die sonst rigiden Sicherungsvorkehrungen in Form von Absperrungen, Zäunen, Mauern usw. bis hin zu hermetisch abgeschirmten Arealen nicht. Je nach Gefährdungslage wurde die passende Abgrenzung gewählt.


Warum hier so nachlässig gearbeitet wurde, erschließt sich mir nicht. Was man hinter dem Fangnetz vage erkennen kann, sieht alles andere als harmlos aus. Es scheint sich auch um eine Futterstelle zu handeln, um einen hochsensiblen Bereich der einer besonderen Sicherung bedarf. Gerade bei der Nahrungsaufnahme kommt es immer wieder durch den angeborenen Futterneid zu Rangkämpfen, die leicht schwere Verletzungen nach sich ziehen können. Vielleicht ist das nur ein Provisorium, was mit Wasserwerfern und Gummigeschossen in Zaum gehalten wird. Von hier unten aus, sind diese wohl nicht zu bemerken.


Woanders wurde dieses Problem schon vollendet gelöst. Durch eine Glasscheibe abgeschirmt, hat man Einblick auf einen Einzelfutterplatz. Was hier weggesperrt wurde, muß weiblich sein. Zumindest essen die Frauen, die ich kenne, mit Vorliebe nichts anderes und wenn sie den Tisch verlassen, sieht es genau so aus. Welcher Mann jetzt mit der Idee der Glasscheibe liebäugelt: Vergeßt es. Damit kommt ihr nicht durch.


Nebenan ist der Kletterbaum vom Affen (Anthropoidea) verlassen. Wenn die Touri-Kinder Ferien haben, nehmen die sich Urlaub. Ihr Geschrei erträgt kein Primat auf Dauer. Auf den Tierschutz können sie nicht bauen. Der ist im Undercover-Einsatz in einem Hühnerstall.
Dieser Baum könnte auch ein Mahnmal für das Waldsterben sein. Der sieht aus, als würde er jeden Morgen im sauren Regen stehen. Er erinnert mich an einen Nachbarn. Wenn der vom Regen in die Traufe kommt, ist diese auch sauer. Der warme Regen ist die Freundin und die Traufe die Gattin. Beide sind chronisch sauer. Aufeinander und auf ihn. Aber er hat wenigstens die Wahl, wer auf ihm herumturnt und bei wem er verrottet.

So ist das Leben.


Das die Einkaufswagen alle sind, verwundert mich nicht. Die Leute löhnen tatsächlich 12 € Eintrittsgeld, um hier billig einkaufen zu können. Die Parkgebühren und den einen oder anderen 5 Euroschein, den man hier verschleudert, mal außer Acht gelassen. Aber was rege ich mich auf. Das Viehzeug braucht Futter und die Tierpfleger auch. Insofern ist es gut angelegtes Kapital. Welcher Discounter seine Kralle auf dem Tierpark und zu wenig Einkaufswagen hat, ist erst einmal egal. Einkaufen werde ich lieber zu Hause, im Laden nebenan – es ist schon spät, der Zoo schließt bald – und die zwei Beutel mit den leeren Flaschen nehme ich wieder mit. Deswegen war ich ja auch nicht hier.

2 Kommentare:

  1. Der Kasper ist krank? Wahrscheinlich liegt er mit verdrehten Gliedmaßen irgendwo im Graben, nachdem ihn seine Mutti über die Brüstung gehoben hat! Diese Barbarin!

    Da fällt mir gerade ne Story aus einem anderen Zoo ein. Lärmende Scheußlingsherde rammelt an zig Aquarien vorbei, diese fast ignorierend, nur um dann vor einem weiteren stehen zu bleiben und mit den kleinen Fäusten gegen die Scheiben trommelnd zu rufen: »Guggema!!! Ein Nemofisch!!!«. Kinder sind schon was schönes, nur viele müssen es sein! ;o)

    PS: Wasn das mit der Mütze für ein Tier? ;o)

    AntwortenLöschen
  2. Homo urban koboldis. Ein vernunftbegabter Stadtkobold. Der war nur zu Besuch dort. Ist ansonsten freilaufend.

    AntwortenLöschen