Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Dienstag, 18. Dezember 2012

Blickdicht 5


»Klingelingdöngdöngklingelingstörstör.«

Scheiß Telefon.

»Hallöchen! Wie geht es dir?«

Der alte Sack lebt noch. Kaum zu glauben. Letztens habe ich gesehen, wie ein Notarztwagen in eine Friedhofsmauer geknallt ist. Da mußte ich an ihn denken und hätte ihn beinahe angerufen.

»Sag mal: Könnte es, könnte es sein, daß ich meinen Schlüssel bei dir vergessen habe?«

Theoretisch ja, aber praktisch nicht. Der Knabe war das letzte Mal im Frühling hier zu Besuch.

»Ja, es ist schon ein Weilchen her, als ich das letztemal in Dresden und bei dir war. Das müßte schon ein halbes Jahr her sein.«

Sag ich doch. Es ist ewig her. Also wird der Schlüssel nicht hier sein. Er kann ja schlecht sechs Monate nicht zu Hause gewesen sein.

»Doch, doch! Guck doch mal. Vielleicht liegt er auf deinem Schreibtisch?«

Nach einem halben Jahr? Sicher ist, daß ich den Schreibtisch, sagen wir, etwas seltener aufräume aber sein Schlüssel wäre mir in der Zwischenzeit schon in die Hände gefallen.

»Laß mich überlegen. Ich war erst im Garten mein Fahrrad abstellen. Hinterm Schuppen habe ich es angeschlossen. Da hatte ich den Schlüssel noch.«

Logisch. Aber das Fahrrad ist weg. Also muß er den Schlüssel wieder mitgenommen haben.

»Nein, angeschlossen habe ich es mit meinem Zweitschlüssel und wieder abgeschlossen mit dem Erstschlüssel, den ich erst in der Neustadt holen war, nachdem ich bei dir war.«

Aha, jetzt schließt sich der Kreis. Seinen richtigen Schlüssel hat er bei einer Trude vergessen, war ihn holen und hat zum Ausgleich seinen Zweitschlüssel versiebt.

»So in etwa. Das Blöde war nur, daß ich dann abends, hier in Meißen beim Heinz, ein Bier trinken war und den richtigen Schlüssel auf dem Tresen vergessen habe. Vorbildlich wie ich bin, hatte ich das Fahrrad vor der Kneipe stehen gelassen und bin ohne Schlüssel nach Hause gelatscht.«

Um vor der verschlossenen Bude zu stehen. Herrlich.

»Zurück wollte ich nicht noch mal. Also habe ich den Nachbarn rausgeklingelt, der hat mich reingelassen und mir einen Schraubenzieher und eine Kneifzange geborgt.«

DDR-Vierpunktschloß. Blende abschrauben und mit der Kneifzange am Vierkantbolzen den Schnapper zurückziehen. Klappt prima, wenn die Tür nicht abgeschlossen, sondern nur zugefallen ist.

»Schließe ich nie ab. Wozu auch?«

Stimmt. In der Bude steht nichts. Ein Bett, ein Schrank, ein Couchtisch und ein Fernseher. Das klaut niemand.

»Das war die Nacht zum Sonntag. Montags hat der Heinz zu. Vor Dienstag abend brauchte ich dort also nicht aufzutauchen. Da habe ich einfach mein Küchenfenster einen Spalt offengelassen.«

Mal lüften ist sicher notwendig, nur klärt es die Schlüsselfrage nicht.

»Richtig. Aber mit dem offenen Fenster bin ich erstmal Montag abend wieder in meine Wohnung gekommen, ohne den Nachbarn rausklingeln zu müssen. Was sollte der denn von mir denken?«

Tja, was soll der schon denken. Vermutlich das, was er schon immer annimmt. Ding an der Waffel. Es würde mich nicht wundern, wenn der Knabe sich jetzt vom Nachbarn den Schuppenschlüssel geborgt hätte, um an eine Leiter zu kommen, damit er bei sich selbst einbrechen kann.

»Nein, Erdgeschoß. Unter meinem Fenster standen eine Regentonne und daneben eine Bank. Das ging ganz fix. Rauf auf die Bank, dann auf die Kante der Tonne – wenn die voll Wasser ist, kippelt die nicht – und am Fenster hochstemmen und in die Küche abrollen. Klappte prima.«

Oder abrutschen und in die Regentonne fallen. Klappte bestimmt auch prima.

»Nein, das ging schon. In dem halben Jahr bin ich nur fünf oder sechs Mal abgerutscht und reingefallen.«

Wie jetzt? Der Knabe ist ein halbes Jahr lang, statt durch die Wohnungstür, durch das Küchenfenster in seine Wohnung gelangt? Ich denke, der andere Schlüssel lag beim Heinz?

»Lag, richtig, lag. Der Heinz ist Sonntag nacht noch bei mir vorbeigefahren, um mir den Schlüssel zu bringen. Der dachte ja, ich sitze vor der Haustür und komme nicht rein. Als der in meiner Wohnung das Licht brennen sah, hat er den Schlüssel einfach in den Briefkasten geworfen, weil er dachte, daß ich noch einen Zweitschlüssel habe.«

So etwas gibt es nur in Meißen.

»Seitdem liegt der Schlüssel in meinem Briefkasten. Dort ist er sicher aber ich komme eben auch nicht an ihn heran. Erst mit dem Schlüssel, der hoffentlich noch bei dir liegt.«

Briefkasten aufbrechen? Mit dem Schraubenzieher vom Nachbarn?

»Der bringt mich um, wenn ich das täte. Dem gehört das Haus, der weiß von nichts und der guckt schon komisch, weil die Nachbarin über mir seitdem meine Post empfängt. Wir haben meinen Briefkasten zugeklebt und einen Zettel drangepappt, damit der Postbote meine Briefe bei ihr einwirft. Die weiß auch von nichts, traut sich aber auch nicht, mich danach zu fragen.«

Organisation ist eben alles. Und, wo genau liegt jetzt sein Problem? So, nach einem halben Jahr?

»Seit gestern sieht es einfach doof aus, wenn ich über das Küchenfenster in meine Wohnung krieche.«

Erst seit gestern? Wenn ich mir vorstelle, wie der alte Sack – seinen 50. Geburtstag haben wir schon vor Jahren gefeiert – von der Regentonne in seine Küche hechtet, um dort abzurollen, könnte ich schreien.

»Ja, seit gestern! Seit gestern liegt nämlich Schnee und der Hausbesitzer, mein Nachbar, hat die Bank und die Regentonne in den Schuppen geräumt.«

Also kommt der nicht mehr in seine Bude.

»Doch! Mit meinem Fahrrad!«

Aha, der hat sich aus Schnee eine Sprungschanze gebaut, nimmt Anlauf, spurtet mit dem Fahrrad über die Schanze und fliegt in sein Küchenfenster.

»Blödmann! Ich schiebe das Fahrrad unter das Fenster und steige über den Sattel bei mir ein. Es sieht nur doof aus, weil meine Spuren im Schnee nur zum Fenster hin- aber nicht zurückführen. Raus komme ich ja wieder durch die Haustür! Außerdem muß das Fahrrad nachts in den Schuppen, weil ich es nicht mehr anschließen kann. Ich habe ja keine Fahrradschloß mehr.«

Und vorher stand das Fahrrad, vorbildlich angeschlossen, beim Heinz vor der Kneipe.

»Richtig! Gestern hat mir der Heinz das Fahrrad mit seinem Seitenschneider für besondere Fälle wieder abgeschlossen. Ich kam ja nicht mehr in meine Wohnung!«

Ohne den Nachbarn, den Hausbesitzer, rauszuklingeln, der sowieso schon mißtrauisch ist.

»Der Heinz meinte, daß er das kennen würde und es käme öfter mal vor, daß er ein Fahrrad freischneiden muß, nur, daß es erst nach einem halben Jahr von ihm verlangt wurde, wäre neu. Der hat hinten im Lager einen ganzen Haufen mit kaputten Fahrradschlössern liegen.«

Und die hebt er auf, falls seine Kundschaft mal eins braucht. Meißen. Ohne Kommentar.

»Mensch, ich habe einfach nicht dran gedacht, dich nach meinem Schlüssel zu fragen. Immer, wenn ich nach Dresden wollte, kam etwas dazwischen oder ich habe es dort glatt vergessen. Aber jetzt brauche ich den Schlüssel! Würdest du bitte mal nachschauen?«

Und wo?

»Also, ich habe dann unten bei dir geklingelt. Du hast mich reingelassen und oben vor der Tür habe ich die Schuhe ausgezogen. Vielleicht liegt er neben dem Abtreter?«

Quatsch.

»Dann sind wir auf dem Balkon gegangen, um zu quatschen. Vielleicht liegt er noch dort auf dem Tisch?«

Nein. Liegt er nicht. Vorher pflegt der Knabe auch meinen Kühlschrank zu besuchen, um erstmal was zu essen und sich ein kaltes Bier zu genehmigen. Vielleicht hat er ihn dort reingeschmissen.

»Im Gemüsefach? Stimmt, dort liegt immer das Bier. Na, Gott sei Dank, ist der Schlüssel wieder da! Was bin ich froh! Mensch, wenn der weg gewesen wäre ... Sag mal: Mußt du heute nicht zufällig noch nach Meißen? Das paßt hervorragend! Da muß ich nicht mit dem Fahrrad, bei dem Schneetreiben, zu dir. Ich muß dann aber noch mal fort und ich weiß nicht, wie lange das dauern wird, ehe ich wieder zu Hause bin!«

Klar, ich schmeiß den Schlüssel, da er nicht zu Hause sein wird, um ihn persönlich zu empfangen, einfach in seinen Briefkasten.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Blickdicht 4



Ein Gespenst geht um in Cotta/Löbtau. Das Gespenst der Einbruchskriminalität. Sagenhaft, wir werden Weltstadt!


Die Polizei sah diese Entwicklung, verständlicherweise, mit gemischten Gefühlen. Das Faß zum Überlaufen brachte dann diese orthographisch nicht korrekte Parole der mutmaßlichen Gangster. Wer hier wen fickt, bestimmt immer noch der Bulle selbst, ist die einmündige Meinung unserer Ordnungshüter. Diesen Schmierereien muß Einhalt geboten werden, untergraben sie doch das Ansehen der bewaffneten Organe der BRD.


Zu diesem Zwecke wurde von der Diensthundestaffel der Genosse Muchtar angefordert. Zu sehen ist er hier auf einem streng geheimen Übungsgelände, wie er sich für diverse Undercovereinsätze fit macht. Auf den ersten Blick könnte man ihn für ein Sofakissen oder eine degenerierte Qualzüchtung halten. Wehe dem, der darauf reinfällt.


Heute morgen ist mir dieses spektakuläre Photo geglückt. Es zeigt klar einen Fassadenkletterer auf Diebestour. Leider konnte er von den sofort alarmierten Einsatzkräften nicht gefaßt werden. Seine listige Tarnung als Weihnachtsmann sorgte bei den Beamten und dem Sondereinsatzhund für Irritationen. In dem entstandenem Durcheinander konnte er entkommen.

Personenbeschreibung
scheinbares Alter: 70 bis 85 Jahre
Größe: 20 bis 35cm, sportliche Gestalt
Bekleidung: rote Hose, roter Mantel, schwarze Stiefel, rote Kopfbedeckung
besondere Kennzeichen: weißer Bart

Die Polizei ermutet bei dem Täter eine Vergangenheit als Elitesoldat der Nationalen Volksarmee. Seine Fähigkeit, sich perfekt zu Tarnen und seine Kenntnisse im Häuserkampf deutet darauf hin.

Sachdienliche Hinweise bitte unter: 0162 6466679

Sonntag, 2. Dezember 2012

Blickdicht 3


»Magst du, möchten Sie einen Weinbrand? Zur Verdauung?«

Die 70er Jahres-Tapete, der Gummibaum, die Schrankwand aus dem Möbelprogramm Deutsche Werkstätten, das unvermeidliche bulgarische Keramikgeschirr und diverse Bleiglasvasen darin, der Raduga-Farbfernseher und die schwedisch grinsenden, bis auf den Teppich reichenden, Gardinen hatten mich umzingelt und drohten unverhohlen mich zu erdrücken. Nur die westverwandschaftsfreie Hausbar war mir freundlich gesinnt.

»Noch einen?«

Das Mittagessen kam ohne peinliche Kleckerflecken oder über die Tischdecke verstreuten Erbsen aus. Meine Begrüßungsblümchen waren adrett überreicht, staken endlich in einer original ungarischen Vase aus Zsolnayer Porzellan, die mir vorahnungsvoll wie eine Urne erschien, und meine, für diesen Anlaß frisch geputzten, Halbschuhe standen im Flur. Soweit war der Etikette Genüge getan.

»Einer geht noch!«

Aber die Kuh war noch nicht vom Eis. Die Kuh war noch nicht im Bett und ich nicht in ihrem. Ich tänzelte aber zielstrebig auf dem glatten Parkett davor.

»Gut. Du hast Recht. Ich darf doch Du zu Dir sagen? Auf mehr als drei Beinen ... drei reichen jetzt erstmal.«

Die Hausbar schloß sich und in des Hausherren Augen – wenn man eine Plattenbauwohnung, ein Fach im Schichtknödelregal, als Haus bezeichnen möchte – blitzte Anerkennung. Hart saufen konnte der Junge, aber er wußte auch, wann Schluß ist. Testbericht Ende. Seine Frau nickte, verdrehte die Augen und widmete sich in der Küche dem Abwasch.

Zimmer- und Tapetenwechsel. Weiße Erfurt-Rauhfasertapete. Zwei weiße Schränke. Vier Alpen- und Usambaraveilchen auf der Fensterbank; ein Nino de Angelo Plakat an der Wand, über der Tagesdecke ihres viel zu schmalen Bettes und eine verchromte Schreibtischleuchtstoffröhrenlampe verströmten den Charme eines Krankenhausflures für schlafwandelnde Komapatienten. Vor und hinter den frischgeputzten Scheiben tanzten Schneeflocken und die Eisprinzessin selbst häkelte in ihrem Sessel munter an einen Topflappen. Bis zu der mir angedrohten Überraschung war es noch eine Stunde Zeit. Häkeln, Schweigen, Maschen- und Schneeflockenzählen.

Wer ficken will, muß freundlich sein.

Nicht nur zum Objekt oder Projekt, sondern auch zu dessen Eltern. Vor allem in der kalten Jahreszeit galten gesonderte Spielregeln. Nicht jede Diskobekanntschaft war enthemmt genug, um einem, am elterlichen Schlafzimmer vorbei, in das eigene zu schleifen und die Schlagkraft des sozialen Wohnungsbauprogramms der DDR war für alleinstehende Jugendliche nicht spürbar. Was blieb, war der Antrittsbesuch, der Waffengang in die Höhle der Erzeuger der jungen Frau oder das scheinbar endlose Warten auf den viel zu kurzen Sommer mit seinen Zeltplätzen, Wiesen, Feldern, lauschigen Gärten, verträumten Waldlichtungen oder schnöden Hauseingängen und staubigen Bungalows. Ein Auto, was man entsprechend weihen konnte, besaß ich nicht einmal in meiner unbändigen und ungezügelten Phantasie. Ein Wagen mit Standheizung führte manchen auch direkt in die Klinik. Wartend, mit Schnittblumen und Orangensaft, vor den Kreißsaal. Da war auch der Altar nicht weit. Daran wagte ich nicht einmal zu denken. Mit einer Kinderkugel am Bein und einer Frau am Hals ließ es sich vortrefflich im seichten Ehehafen versinken und elendig verenden. Meine Misogamie war da der rettende Fels in der Brandung, die ich bevorzugte.

Der Saal im Kulturpalast tobte und brodelte vor Begeisterung. Ich brodelte nicht, allenfalls vor Wut und Empörung über diese Zumutung, und litt quer durch das Parkett. Der Bergsteigerchor »Kurt Schlosser« hatte zum Bergsingen geladen und den Reigen bunter Melodien mit dem »Omnibus« Kinderchor, dem Chor der »Deutschen Reichsbahn« und einer, von Funk und Fernsehen einschlägig bekannten und von mir gefürchteten, Schreckschraube als Moderatorin komplett gemacht. Überraschung! Überraschung! Überraschung!

Die Einladung zum Abendessen, zu ihnen nach Hause, war die elterliche Genehmigung, in ihrer Wohnung, in dem Kinderzimmer ihrer Tochter, zu übernachten. Den außerehelichen Geschlechtsverkehr mit ihr nahmen sie dabei billigend in Kauf. Ich hatte alles richtig gemacht. Oder alles falsch. Meinen Erfolg würgte ich wieder herunter. So blieb er mir nur im Halse stecken.

Meine Sehnsucht, das Abendmahl mit einem ausgiebigen Rundtrunk durch die Hausbar zu vollenden, erfüllte sich nicht. Der Hausherr sah mir wohl an, daß ich sie jetzt skrupellos geplündert hätte. Statt dessen lud er uns ein, gemeinsam den Samstagabend gemütlich vor dem Fernseher zu verbringen. Fernsehen der DDR. Ein Kessel Buntes ohne O.F. Weidling. In Gedanken war ich auf der Diskothek, die ich an dem Abend verpassen würde.

Die Zigarette danach rauchte ich davor. Draußen vor der Haustür. Im Schnee und in Besucherpantoffeln. Mein Objekt war im Bad, sich auf die Nacht vorbereiten. Die Tagesdecke lag dann im Dunkel, exakt quadratisch zusammengelegt, auf ihrem Sessel und ihr Fenster war zugezogen und fest verschlossen. Sie schlief schon, oder sie tat so, und ich war seltsamerweise darüber erleichtert.

Auf einem glatten Parkett zu bestehen, ist das Eine. Sich dabei auf der richtigen Party zu befinden, etwas völlig Anderes.

Montag, 26. November 2012

Blickdicht 2


Es war Sommer und ich hatte Urlaub. Irgendwann Ende der achtziger Jahre. Im Kulturhaus »Rudi Arndt«, im Volksmund »Blutiger Rudi« genannt, standen eine Diskothek und die üblichen Schlägereien auf dem Abendprogramm. Dort war es zu warm, verqualmt, viel zu hell und an Frauen herrschte kein Mangel.

Ihr Getränk hieß Sportlerflip, bestand aus Cola und Eierlikör und schmeckte nach süßer Schlemmkreide. Sie schmeckte mir besser. Neben ihren Wohnblock gab es einen, in absolutes Dunkel getauchten, Spielplatz, der uns keine 10 Minuten reichte. Zu ihr nach oben gehen, sich an ihren, um diese Zeit volltrunkenen, Vater vorbeischleichen, wollte sie nicht. Die Straßenbahnfahrt zu meinem Bett war zu kurz, um uns zu lang zu werden.

Meinen Urlaub verbrachte ich dann im »Drei-Schicht-Betrieb«: Aufstehen, mit ihr ins Bett gehen und ausschlafen. In den Pausen holte ich neuen Rotwein und aß etwas. Um sich mit ihr zu unterhalten blieb keine Zeit.

Einmal war ich bei ihr zu Hause. Warum weiß ich nicht. Ihr Vater war noch in der Kneipe und das Sofa vor dem Fernseher frei. Ihr Zimmer war keine Offenbarung. Es gab weder ein Bücherregal noch sonst etwas, was es mir möglich gemacht hätte, ein Gespräch einzuleiten. An den Wänden hing die übliche Sehnsucht, lieblos drangeklatscht. Nur ein Photo erregte meine Aufmerksamkeit.

Es waren drei junge Kerle, Mitte Zwanzig, die aussahen, als hätte der Zentralrat der FDJ im Vollrausch eine Boygroup gecastet. Fußballerfrisuren – vorn kurz, hinten lang; erbärmliche Schnauzbärte, Lederjacken, Football-Shirts und gestreifte Kasperlehosen, wie sie damals bei Halbstarken Mode waren, lehnten lässig an einem eindeutig westdeutschen Schaufenster. Ihre Gesichter waren austauschbar, abwaschbar und bar jeder Intelligenz. Der Typ in der Mitte, dem die Doppelnull auf dem T-Shirt am Besten gestanden hätte, war ihr älterer Bruder. Ihm war die Ausreise in den Westen geglückt, und in seinem ersten und bis dahin einzigen Brief, steckte ein Zehnmarkschein Westgeld und die Information, daß er sich bald eine Phototapete von einem Palmenstrand kaufen würde.

Das bißchen Westgeld verehrte sie wie eine heilige Reliquie. Sie mußte den Schein gebügelt haben, bevor sie ihn unter das Bild klebte. Damals war mir nicht klar, welche Macht Menschen dem Geld verleihen und daß man für viel weniger, ein paar Euro, erschlagen werden konnte.
Sie wird das Geld nie in den Intershop geschafft haben. Dort verwandelte er sich nur in ein paar Kaugummis, Zigaretten und vielleicht in eine Flasche Wein. An der Wand war er viel wertvoller. Er war für sie das trügerische Symbol für eine freie Welt. Eine Welt, in der man sie auch nur beschissen bezahlen würde, die Reisefreiheit sie nach wie vor nur an die billigen Strände ehemaliger Ostblockstaaten führte und in der Meinungsfreiheit keinen Sinn macht, weil kein anderer einem zuhört.
Wie gewonnen, so zerronnen. Der Schein wurde wertlos, als später die Welt über sie hereinbrach, für die er stand.

Ihr Wert verlor sich für mich eher. Mein Urlaub war rechtzeitig zu Ende und ihre Briefe beinhalteten unbeholfenen Nonsens. Sie wird mich schnell vergessen haben. Vermutlich hat sich mich auch gar nicht wahrgenommen. Ihr jahrelanger Freund sollte ein paar Wochen später seinen Armeedienst beenden und ihre geplante Hochzeit einleiten.
Für mich sah es da besser aus. Ich war frei, im Sinne von ungebunden, und mir stand die Welt – Berlin, die Ostsee oder Klein Kummersdorf-West – offen. Was ich dort wollte, war mir allerdings auch nicht klar.

Aus die Maus.

Samstag, 24. November 2012

Blickdicht 1

Zeitgenössische Photos und Gedanken, in loser Folge vorgestellt


Die Sage munkelt, das Ninjas ihre Sprößlinge schon in ihren ersten Monaten auf den harten Alltag eines Schatten-Kriegers vorbereiteten. Dazu schlugen sie mit Holzstöcken an die Wiege des Babys, setzten es Hunger und Kälte aus oder wirbelten es wild durch die Luft. So gestählt, war es den kleinen Rackern schon im Alter von 8 bis 9 Jahren möglich ihrer Arbeit nachzugehen. Historisch verbürgt ist ein tötender Dolchstoß eines Ninja-Kids gegen den Leibwächter irgendeines feinen Herrn, der darauf vom Papa des Kleinen gemeuchelt werden konnte. Heutzutage ist solche Kinderarbeit weitestgehend verboten, aber was soll besorgte Eltern davon abhalten, ihre Kleinen fit für die Kindertagesstätte zu machen? Dort geht es ja auch nicht zimperlich zu und man tut gut daran, den eigenen Nachwuchs schon früh auf das Leben vorzubereiten.


Mit dieser Schaukel zum Beispiel. Grell und bunt wie ein Schaufenster wirkt sie erst einmal verlockend auf jedes Kind. Man quetscht den Kleinen Sack da rein und wiegt ihn in den Schlaf. Wenn er pennt, beginnt das Fußballtraining mit ausgewählten Stadtteilkindern der näheren Umgebung. Dribbeln und auf das Tor knallen. Die quietschbunte Schaukel symbolisiert den Tormann. Aus eigenen Kindheitserinnerungen weiß ich, daß ein Tor nur dann zählt, wenn es den Tormann mit umnietet. Das war es eigentlich schon. Jeden Tag eine halbe Stunde Training und der Sproß ist so abgehärtet, das er später jeden Tag seinen Mann zu stehen vermag und auf den Beistand eines Schulpsychologen verzichtet werden kann. Es ist gar nicht so schwer, jahrhundertealtes Wissen heute noch erfolgreich zu nutzen. Es vermag dort helfend einzugreifen, wo die moderne Pädagogik jämmerlich versagt.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Seelenbaumschändung! Ich klage an!

Seit Freitag voriger Woche werde ich von einem unbestimmten aber deutlich negativen Gefühl geplagt. Erst habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Um diese Jahreszeit, wenn die Blätter von den Bäumen fallen und es einem erscheint, als würde alles um einem herum absterben und vergammeln, sind solche Verstimmungen normal. Aber heute früh, heute früh drosch es mich förmlich zu Boden. Kein Zweifel, eine Schwingung, eine äußerst negative Schwingung löste in meinem Gehirn eine Resonanz aus. Da ich nicht ganz, also paranormal veranlagt bin, wußte ich sofort, wer mich da rief und zu wem ich nun eilen muß.


Mein Kumpel sah auf den ersten Blick aus wie immer: Halbtot und vergammelt. Aber bei Seelenbäumen sollte man sich da nicht täuschen lassen. Tote Seelen leben länger. Das kann Satan persönlich bezeugen. Aber beim näheren hinschauen mußte ich entsetzt feststellen, daß mein Freund geschändet wurde.


An den Schleifchen hingen bei meinem letzten Besuch noch bunte Zettelchen mit Botschaften an die Welt oder an die GESOP. Zumindest hatte ich das vermutet. Gelesen habe ich sie ja nicht. Auch waren es bedeutend mehr bunte Plastebändchen.


Da liegen sie. Abgefetzt und weggeworfen. Ihre Message hat der Regen oder Schlimmeres in den Orkus, die Unterwelt gespült. Armes Bäumchen.


Auf dem Hinweisschild haben Schmierfinken einen, leider unleserlichen, Text hinterlassen. Oder ist das ein Hinweis auf die Täterschaft? Erst hatte ich die junge Frau (scheinbares Alter: 25 bis 35 Jahre, Brille, blondgefärbte strähnige Haare, blaue Hose, abgesteppte schwarze Kutte – Modell Lackritzrolle – mit kunstpelzbesetzter Kapuze, komischer Gang), die vor mir vor Ort war und dabei wild telefonierte, im Verdacht diese Schandtat begangen zu haben aber mit ihren ca. 1,65m wäre sie dazu kaum in der Lage gewesen. Außerdem wäre es doch etwas zu paranormal gewesen, wenn ich die oder den Täter auf frischer Tat ertappt hätte. Deswegen habe ich die Verfolgungsjagd gegen 12.30 Uhr in Höhe der Bienertmühle abgebrochen. Wir wollen es mal nicht übertreiben.

Vielleicht kamen die Schwingungen auch von der SZ-online. Heute Abend wurde ich von meinem Blogkamerad Octapolis vom channel666 auf diesen Artikel aufmerksam gemacht: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3186853 Mehr oder weniger steht da drin, was ich auch schon vor Wochen berichtet habe. Allerdings wesentlich kürzer und knackiger.

Und der Unfug nimmt kein Ende ...

Freitag, 19. Oktober 2012

... und der Unfug nimmt kein Ende

mobiler Seelenbaum im Einsatz gegen böse Post

... oder: Der Seelenbaum, dein Freund und Helfer.

Letztens schoß eine Eilmeldung durch das Internet, welche zum Inhalt hatte, daß in Dresden ein neuer Seelenbaum seine Heimstatt gefunden hat. Daß der nicht einfach so eingebuddelt wurde, versteht sich von selbst. Zu so einem Festakt bedarf es eines besonderen Anlaß. Das ist immer ein meist willkürlich ausgewählter Tag im Jahr, der einem mehr oder weniger wichtigen Anliegen geweiht wurde oder an dem eine bestimmte Bevölkerungsgruppe gewürdigt werden soll. Solch schöne Tage sind, zum Beispiel, der Tag der deutschen Einheit, das Opferfest, der Tag der Sachsen, der Europäische Datenschutztag oder eben, wie in diesem Fall, der Welttag der Seelischen Gesundheit.

Nun hatte ich schon in einem früheren Artikel meine Ansicht über Sinn und Unsinn von Seelenbäumen, psychischen Erkrankungen; heidnischen, bildungsfernen Ritualen und den Glauben daran berichtet, aber diese Eilmeldung machte mich doch ein wenig nachdenklicher. Da gibt sich der Sozialbürgermeister Dresdens, Herr Martin Seidel, die Ehre bei der Pflanzung vor Ort persönlich anwesend zu sein. Der Mann ist eigentlich schwer beschäftigt und hat sicher einen 48h Tag um seine Aufgaben meistern zu können. Wenn er den Welttag zum Anlaß nimmt, um bei einer Baumpflanzung zugegen zu sein, muß diese zwangsläufig als wichtig eingestuft werden. Ich vergaß: Es ist ja kein normaler Baum, sondern ein Seelenbaum der im Erdreich versenkt wurde. Da verwundert es nicht, daß ihm Dr. Hans-Jochen Seidel, Geschäftsführer der Berufsbildungswerk Sachsen GmbH, zur Seite stand. Unterstützend mit am Werk war die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Dresden, die Berufsbildungswerk Sachsen GmbH, das Berufliche Trainingszentrum Dresden und ein nicht näher benannter Gartenmarkt.

Sinn des ganzen ist: »Der Baum als Symbol des Lebens soll zu einem offenen Dialog über Seelische Gesundheit in der Gesellschaft anregen. Psychische Erkrankungen müssen als ein Teil des Lebens wahr- und angenommen werden, ... Jeder sollte deshalb von Zeit zu Zeit inne halten und seine Seele sprichwörtlich baumeln lassen. Der Seelenbaum soll ein Ort zur Besinnung werden, und wird als solcher durch ein Hinweisschild erkennbar sein. (Quelle und vollständiger Text: http://www.dresden.de/de/02/035/01/2012/10/pm_032.php) Daß ich dem Anliegen, als solches, wohlwollend gegenüberstehe, hatte ich in meinem letzten Artikel zur Seelenbaumproblematik ausführlich bekundet, aber zu dem oben angeführten Text muß ich noch zwei marginale Anmerkungen einwerfen. An einem Seelenbaum kann man nicht »von Zeit zu Zeit« seine Seele baumeln lassen. Das funktioniert nur ein einziges Mal und auch nur dann, wenn der Baum gewachsen ist und die benötigte Tragkraft aufweist. Dem Vorhaben an, nein, vor dem Baum ein Hinweisschild anzubringen, kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Noch immer gibt es Passanten, die einen Seelenbaum nicht erkennen und unter einem falschen Baum zur Besinnung kommen. Des weiteren bietet so eine Tafel Platz, um keine falsche Bescheidenheit aufkommen zu lassen. Herausragende Leistungen müssen gewürdigt werden und die Pflanzung eines Baumes gehört nun mal dazu, besonders, wenn sie im öffentlichen Interesse geschieht. Es müssen also darauf alle Beteiligten vermerkt werden und, wenn noch Platz dafür sein sollte, wer welche Rede dazu gehalten hat.

Der Begriff Seelenbaum läßt allerdings Fragen und Interpretationsmöglichkeiten offen, wie ich nach einem nachhaltigen, kognitiven Denkprozeß feststellen mußte. Die Vorstellung, daß so ein Bäumchen zum Nachdenken anregen sollte, ist zwar meines Erachtens prinzipiell richtig aber daß er als bloßer Ort der Besinnung dienen soll, wird der Pflanze in ihrer Bedeutung nicht gerecht. Da kann ich auch in eine Kirche gehen. Für mich ist das Gehölz eher ein Kraftspender, der schützende Harnisch meiner Seele und ein treuer Gefährte im tristen Alltag.

Nun ist es doch nachteilig, wenn der Baum irgendwo herumsteht und mich durch meine Steifzüge durch die schnöde Gegenwart nicht begleiten kann. Aber wer sagt, wo steht es schwarz auf weiß, daß ein Seelenbaum in der Erdscholle fest verankert sein muß?


Ein Blumentopf macht es schließlich auch und so hat man ihn immer am Mann oder dabei.


Selbst im Auto kann man ihn so jederzeit mitführen. Man muß nur darauf achten, daß er ordnungsgemäß angeschnallt wird und über den erforderlichen, der Baumgröße angepaßten, Sitz verfügt.


Bei den hohen Spritpreisen hat sich Mitnahme des Baumes schon bewährt. Man wird beim Betanken des Wagens ruhiger und läßt einfach sein Auge im satten Grün verweilen, anstatt verzweifelt auf die Preisanzeige zu starren.



Beim unvermeidlichen Einkauf muß der Baum allerdings draußen vor der Tür warten. Anders, wie zum Beispiel in staatlichen oder staatlich geförderten Einrichtungen, stößt man da an die Grenzen der Toleranz des gesunden Volksempfindens. Um Irritationen zu vermeiden, sollte man sich hier von dem Baum kurz trennen. Dabei ist darauf zu achten, seinen treuen Gefährten entsprechend zu sichern, um dem Seelenbaumklau vorzubeugen. Bewährt hat sich dabei ein einfaches Fahrradschloß mit Nummernkombination. Das der Hund auf dem Photo scheinbar gelangweilt und desinteressiert ins imaginäre Nichts schaut, liegt daran, daß er so eben am Zahlenschloß gescheitert ist und ich ihn dabei erwischt habe, wie er an meinem Seelenbaum sein Wasser abschlagen wollte.


Wichtig zur Pflege des Baumes ist, ihn Ruhepausen zur Erholung zu gönnen. Ausreichend Wasser und ab und zu ein wenig Vogelkac... äh, Dünger tun dem Bäumchen gut.


Falls es doch einmal eingehen sollte: Ein paar Seelenbäume in Reserve beugt der damit verbundenen Seelenpein vor. Auf dem Bild gut zu sehen sind auch meine Versuche Seelenkakteen zu züchten. Wenn mich mal einer in die Wüste schickt, werden sie mir dort gute Dienste leisten. Dessen bin ich mir sicher.

Sonntag, 14. Oktober 2012

+++Eilmeldung+++Eilmeldung+++

Der Extremirre ist gesprungen und heil am Boden angekommen. Aus 39 km Höhe, 3 höher als geplant, hat er bei seinem freien Fall, der schneller verlief als angenommen, die Schallmauer durchbrochen. In der Schaltzentrale der FDP knallen indes die Sektkorken. Der von ihnen mitfinanzierte Probelauf zur Bundestagswahl 2013 ist damit zufrieden stellend verlaufen. Dort ist man nun zuversichtlich, auch selbst den freien Fall aus großer Höhe durch die Schallm... äh 5% Hürde zu überstehen und heil im Keller anzukommen. Tusch!

Das neueste Neu aus der LoFi-Schmiede


Mehr dazu auf channel666.blogspot.com

Sonntag, 30. September 2012

Schuhzeitlose



»Tür zu! Und Schuhe abtreten!«

Die Tür geht von allein wieder zu und meine Schuhe sind abgeputzt. Gut, trampele ich eben noch ein wenig auf dem Abtreter rum.

»Ist das ein Sauwetter heute! Also der Kachelmann hat gesagt, – mein Sohn guckt jeden Abend bei dem im Internet vorbei – daß es morgen auch nicht besser wird. Ein Tief zieht vorüber und bringt kalte Polarluft mit. Heute Nacht soll es sogar schon Bodenfrost geben. Gott sei Dank hab ich die Dahlien schon ausgegraben. Das heißt, mein Mann war das. Der merkt auch, wenn es kälter wird. Dann hat der es im Kreuz. Das Reißen. Furchtbar sag ich ihnen. Leidend sieht der aus und er kann kaum noch krauchen. Ihren Mann haben sie doch auch an den Bandscheiben ...? Wie ...«

Geht das mal weiter hier? Die alte Schabracke quasselt quer über die Theke auf einen alten Garderobenständer ein. Das heißt, die zweite Mumie habe ich für einen gehalten, bis die anfing von ihren Mann und seinen geschrotteten Bandscheiben zu erzählen. Das passiert, wenn einen die Brille beschlägt und man nicht darüber nachdenkt, warum hier plötzlich ein Garderobenständer steht, den eigentlich keiner braucht, der aber trotzdem wüst behangen ist.

»Junger Mann! Ihr Schuh ist offen. Nicht das sie auf einen Senkel treten und hinfallen!«

Der Garderobenständer nickt zustimmend. Jetzt erkenne ich ihn. Das ist die vermoderte Alte aus dem vergammelten Haus unten an der Ecke. Die bekommt seit 200 Jahren Rente und hat den ganzen Tag nichts zu tun. Deswegen lungert sie hier herum und mimt die interessierte Zuhörerin. Aber es stimmt. Der Senkel ist lose. Bei den Latschen merkt man gar nicht, wenn der Knoten offen ist.

»Sind das etwa Springerstiefel?«

Was? Und wenn? Die sind bequem, rutschsicher, wasserdicht und halten ewig.

»Nein, das sind Arbeitsschuhe. Da sind Stahlkappen drin. Das sehe ich sofort. Mein Sohn hat auch solche Dinger. Warum auch immer.«

Außerdem kann man damit alten Schachteln, die einem mit ihrem Gewäsch auf den Keks gehen, wunderbar in den Allerwertesten treten. Gut, könnte man.

»Als er mir mit diesen Stiefeln das erstemal unter die Augen trat, ist mir was passiert! Ich hab doch gleich gesehen, daß der neue Schuhe anhat. Die waren geputzt. Also nicht geputzt, sondern noch sauber. Nicht so, wie bei dem jungen Mann hier. Der hat die heute früh frisch mit Schuhcreme eingeschmiert und blankpoliert. Das sehe ich sofort.«

Die Quasseltante zeigt auf meine Latschen und die Vogelscheuche nickt mir wohlwollend zu. Natürlich putze ich jeden früh meine Stiefel. Ich muß die jeden früh putzen. Das ist eine Zwangshandlung, eine Neurose die mich seit meinem Grundwehrdienst bei den bewaffneten Organen der DDR zuverlässig begleitet.

»Nicht, wie bei meinem Sohn. Der putzt sich ja nie die Schuhe. Der war auch nicht bei der Armee, wo er es hätte lernen können. Das war ja meine Hoffnung, daß man ihn dort zur Ordnung erzieht. Aber bei der Bundeswehr hatte man wohl andere Sorgen, als meinem Sohn etwas Vernünftiges beizubringen. So verlottert, wie sie ihn einberufen hatten, haben sie ihn auch wieder entlassen.«

Und vernünftig zu Saufen lernt man dort von ganz von allein.

»Der junge Mann hier war bestimmt bei der Armee, so schön wie der seine Stiefel geputzt hat.«

Sicher, ich war bei einer richtigen Armee und habe jeden Tag dort genossen. Beim Stiefelputzen.

»Nur, wie man sie sich ordentlich zubindet, muß er noch lernen.«

Klar, wir hatten nur Schaft- aber keine Schnürstiefel und im Kindergarten habe ich beim »Schleife binden lernen« gefehlt. Und zwar entschuldigt! Die Alte hat doch einen Treffer weg! So ein Knoten kann sich schon mal lösen. Egal, wie fest man den bindet.

»Also, ich sehe ja alles sofort. Mein Sohn kommt nun mit seinen neuen Schuhen und seiner Freundin aus dem Urlaub wieder. Die Freundin ist so eine blonde Superschlanke. Bei der habe ich immer Angst, daß sie vor Schwäche aus den Latschen kippt. Zu ihrer Jugendweihe muß die das letzte Mal etwas gegessen haben. Genau so verhungert sieht die aus.«

Und im Alter wird sie dem Garderobenständer gleichen. Die hat vor dem Krieg das letzte Mal gespeist. Seit dem gab es nur Flüssignahrung. Nicht gerührt oder geschüttelt, aber auf Ex.

»Bißchen fülliger wirkte sie da aber. So um die Hüfte und im Gesicht.«

So expandieren alle Frauen. Genau in der Reihenfolge: Erst schwabbelt die Hüfte über die Hose, dann wird das Gesicht schwammig, der Arsch wird breit und die Oberarme flach, nur der Busen bleibt so mickrig, wie er ist.

»Das habe ich sofort gesehen. Ich dachte schon, daß die schwanger ist. Aber von meinem Sohn? Na, ich weiß nicht. Und wozu hat der Stahlkappen in seinen Schuhen? Na, und dann ist mir was rausgerutscht!«

Erzähle! Die Altkleidersammlung stirbt gleich vor Neugier. Oder an den vielen Neuigkeiten die es hier gerade gibt. Ach, egal ...

»Da sag ich ihr, so als Spaß: ›Paß auf, das du meinem Sohni nicht auf die Füße trittst. Die Stahlkappen in seinen Schuhen halten nur 200kg aus!‹ Oh Gott! Da hatte ich ja was gesagt! Rums! Da war die Tür zu und die Frau weg!«

Köstlich. Die Frau ist rausgerannt, um zu kotzen. Das konnte sie aber nicht, weil sie nichts gegessen hatte.

»So ein Theater! Nur weil die im Urlaub 1kg zugenommen hat? 1kg? Das ist doch gar nichts!«

Bei dir sicherlich. Da fallen 20kg mehr oder weniger nicht ins Gewicht.

»Mein Sohn war den Tränen nahe! Angefleht hat der mich, damit ich sie um Entschuldigung bitte!«

So ein Weichei! Naja, Bundeswehr. Was will man da erwarten? Höchstens ungeputzte Stiefel.

»Gut, da habe ich eben um Verzeihung gebeten. Mit Blumen. Fresien. Die waren im Angebot. Beinahe hätte ich der noch eine Bonboniere geschenkt. Naja, egal. Regnet das eigentlich immer noch?«

Der Garderobenständer und ich schauen aus dem Fenster. Es regnet. Immer noch.

»Junger Mann? Meinen sie nicht auch, daß sie etwas zu luftig für dieses Wetter angezogen sind? Bei dem Regen ohne Jacke? Nicht, daß sie sich erkälten!«

Die spinnt doch! Junger Mann! Theoretisch könnte ich einen schulpflichtigen Enkel dabeihaben. Wobei eigentlich? Warum bin ich hier? Die macht einen ganz meschugge. Außerdem wohne ich gegenüber. Für einmal über die Straße flitzen brauche ich keine Jacke.

»Das nächste Mal ziehen sie sich aber etwas über! Sie hätten wenigstens an einen Schirm denken können!«

Zum Abwehren von bösen Geistern oder was? Hätte ich geahnt, daß mich hier eine Gespensterbahn erwartet ... Aber »Denken« heißt auch Erinnern. Was wollte ich hier?

»So, was bekommen sie denn nun?«

Schuhcreme. Nein! Ein Mischbrot und fünf Semmeln.

»Aber junger Mann! Das hätte ich nun nicht von ihnen gedacht. Sie sehen nicht aus, als könnten sie keine ganzen Sätze bilden. Bei meinem Sohn, ja, da hätte ich nichts anderes erwartet. Der war ...«

... ja auch nur beim Bund, ich weiß. Dann eben im ganzen Satz. Das ist jetzt auch egal. Hauptsache sie hält jetzt endlich ihre Klappe und gibt mir meine Brötchen.

»Sehr schön. Es klappt doch, wenn man sich etwas Mühe gibt. Wollen sie dazu eine Tüte oder geht das so?«

Es geht ohne. Ohne Tüte und Gelaber. Ich bin eh am Ende meiner Kraft. Dieses pädagogisch wertvolle Gesabber konnte ich noch nie lange ertragen. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich erstmal meine Schuhe putzen, um mich wieder zu beruhigen. Manche gehen duschen, wenn sie sich angepißt und schmutzig fühlen und ich poliere eben meine Latschen.

»Das geht doch nicht so. Nehmen sie mal lieber eine Plastetüte mit. Nicht, daß wieder ihr Schuh aufgeht und sie dann stürzen. Bei dem Regen wird sonst das Brot auch so naß, da müssen sie nicht erst hinfallen.«

Aaaaarrrghhhhhhh

Samstag, 22. September 2012

Wenn die Seele verdorrt, treibt sie seltsame Blüten


An einem Seelenbaum zum Beispiel. Man möchte es nicht glauben, aber das abgestorbene Mickerding soll tatsächlich einer sein, und die bunten Kärtchen an ihm seine Blüten. Aber, um diese geht es mir gar nicht. Ich habe ihre Botschaften an die Welt, den Wind und den Landschaftsgärtner nicht einmal gelesen. Was soll schon darauf stehen? Regelmäßig, mindestens zweimal pro Woche, gießen? Nein, es sind mit Sicherheit Verse aus einem Selbstfindungsbuch einer bürgernahen Betroffenheitsbibliothek. Das muß ich mir nicht antun.


Mir reicht schon die offizielle Beschilderung. In einem leidgeprüften Deutsch gehalten, informiert sie uns darüber, daß hier drei »Vereine« plus Werbeagentur am Werk waren, um einen Baum zu pflanzen. Da wurde augenscheinlich am falschen Ende gespart. Hätte man noch das Goethe-Institut für die ersten zwei Sätze, und ein Forstamt für das Pflanzen des Baumes bemüht, wäre aus dem Mahnmal vielleicht etwas geworden. Aber so sind die feierlich gemeinten Worte nur zum inhaltslosen Gestammel, und der Baum an sich, verkommen.

Warum zum Teufel, müssen im Grunde ehrenwerte Anliegen, wie diese, immer durch derart symbolhafte Rituale der Lächerlichkeit preisgegeben werden? Weil den Sozialpädagogen nichts Besseres einfällt? Weil die in ihrer Kindheit zu lange vor einem Altar gekniet haben? Weil sie womöglich von ihren Eltern dort ausgesetzt oder vergessen wurden? Und warum machen Therapeuten so einen Unfug mit? Weil sie den Glauben an den Chemiebaukasten verloren haben, und deshalb denken, auf die magischen Kräfte der Natur zurückgreifen zu müssen? Bei Sozialpädagogen? Da können sie auch gleich schamanische Schwitzhütten errichten, Misteln mit goldenen Sicheln schneiden, wie die keltischen Druiden es taten, und daraus bildungsferne Zaubertränke brauen. Helfen wird das genau so wenig, wie man verwirrten, manischen Helfern eben nicht helfen kann.

Komm, wir pflanzen ein Bäumchen, setzen ein Zeichen, und erfreuen uns daran. Blinder Aktionismus, wie er in manchen sozialen Berufen zur Hauptbeschäftigung mit sich selbst gehört – auch gute fachlich-qualifizierte Arbeit genannt – anstatt ergebnisorientierter Aufgabenstellung und deren Bewältigung. Ich weiß, daß die Initiatoren dieser Aktion es sich nicht so einfach machen. Mit ein wenig halbherziger Recherche erlangt jeder diese Erkenntnis. Aber ich kann nichts dafür, wenn das Bäumlepflanzen diesen Eindruck bei mir hinterläßt. Auch gebe ich gerne zu, daß ich selbst keine brauchbaren Vorschläge habe, um der Problematik des dramatischen Anstiegs seelischer Erkrankungen in unserem Land eine Öffentlichkeit zu geben. Mit mittelalterlich-magischen Ritualen funktioniert das sicher nicht. Vor allem, wenn man diese dann vergammeln läßt. Im Volksmund heißt es dann: Das waren die Bekloppten.

Das sogenannte klassische Eigentor. Ich wähle hier bewußt die Fußballsprache, weil ich weiß, daß die von der breiten Masse auch verstanden wird. Aber die Flanke zum volksnahen Sprachschatz eines Helmut Kohl oder zum Sprachgebrauch eines, der Müllhaufen der Geschichte habe ihn selig, Franz Josef Strauß will mir nicht gelingen. Das wäre notwendig, um mich partei- und intelligenzübergreifend zu diesem Thema nachhaltig äußern zu können.

Vielleicht hilft da wirklich das metaphern vom Seelenbaum? Der Appell an kindliche Urinstinkte und -ängste verklausuliert in faunische Wunsch- oder Alpträume? Die unerschütterliche Kraft eines uralten Baumes an seiner Seite zu wissen, ist doch eine feine Sache. Vor allem, wenn er die eigene Seele verkörpert. Da kann einem nichts passieren. Wenn man, zum Beispiel, den Freitod durch Erhängen in Erwägung zieht. Wer das schon mal probiert hat, weiß, daß dieses Unterfangen, oder Unterhangen, einen vor unlösbare Probleme stellen kann. Ist der Strick zu kurz, und damit die eigene Fallgeschwindigkeit zu gering, greift das Trägheitsgesetz nur halb und es knackt nicht wie erwartet im Genick, sondern man zappelt eine gefühlte Ewigkeit da herum, bis einem die Luft ausgeht. Andererseits kann es durchaus passieren, daß man nur den Ast abreißt, auf den man vorher gesessen hat und dieser einen dann, wenn nicht er-, nur krankenhausreif schlägt. Dort – wir ahnen es – muß man dann Bäumchen pflanzen oder nur still malen.

Quelle: larimarenergiebalance.blogspot.com

Dann, beim Malen oder »drüber Reden«, stellt sich einem unweigerlich die bohrende Frage, welcher Baum nun für einen zuständig ist, aus welcher Pflanze man seine Kraft schöpfen kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um dies zu ermitteln, welche mich wegen ihrem Gehalt an konsequentem Schwachsinn faszinierten. Die eine sieht vor, so lange an seinem Geburtsdatum herumzurechnen, bis eine einstellige Zahl übrig bleibt, zu der ein Baum zugeordnet wurde. Witzig dabei ist, daß die Zahlen 10 bis 12 als einstellige Zahlen gelten. Nachdem ist ein mir bekannter, strauchartiger Baum meine Seelenhülle, und er steht des Weiteren für gefühlsbetonte, harmonische Naturen. Seit ich das weiß, bin ich so von Harmoniesucht durchdrungen, daß man mir die Räucherstäbchen gar nicht so schnell nachreichen kann, wie ich sie abfackele. Das kann auf Dauer nicht gesund für mich sein und in Anbetracht der Tatsache, daß man sich unmöglich an einem Strauch erhängen kann, vertiefte ich mich noch in das keltische Baumhoroskop.

Quelle: www.gaertnerei-prauser.at

Was daran keltisch sein soll, steht in den Sternen. Man muß nicht jeden Mist als gegeben hinnehmen, nur weil es der Psychopath von nebenan behauptet. Die alten Kelten mißtrauten der Schrift und gaben ihr Wissen nur mündlich weiter. Als die Römer ihre Gebiete eroberten, schlugen sie jeden Druiden, den Bewahrern des Wissens, den Kopf ab, ohne ihn vorher über seine Kultur großartig zu befragen und diese zu protokollieren. Damit wurde den keltischen Stämmen nicht nur ihre religiöse und politische Führung, sondern auch weitestgehend ihre Identität genommen. Aus der Zeit vor der Romanisierung gibt es keine schriftlichen Zeitzeugen von den Kelten selbst, allenfalls Bericht von anderen Völkern über sie.

Und da soll ausgerechnet der Baumkreis als urkeltisches Wissen überliefert worden sein? In dem weder eine Krüppelkiefer, noch eine Trauerweide verzeichnet ist? Wo die Seele schon bei der Namensgebung Pate stand? Wer es glaubt ... Aber, wer heilt hat recht, daß wußten schon die alten Schamanen. Ob uns purer Budenzauber oder eine uns unbekannte Physik dabei hilft, den Alltag zu bestehen und unseren Baum zu finden, ist letztendlich egal. Bei der Wahl der Mittel sollte man auch keine Grenze ziehen. Was spricht gegen eine probiotische Seelenmassage oder eine gehörige Tracht Prügel, wenn die gewünschte Heilsbringung eintritt? Deren Mißbrauch. Wenn eine Frau nach Hause kommt und erstmal ihren Mann – oder andersherum – zur Streßbewältigung vermöbelt, sollte man diesem ablehnend gegenüberstehen. Ein finsteres Kapitel – was ich hier ausblende, denn es führt zu nichts – ist auch der skrupellose Handel mit Seelenbäumen.

Dem Nummerologie-Zauber, was beide Verfahren zur Seelenbaumbestimmung zweifelsohne sind, sollte die Vernunft folgen. Diese weist an, daß man zuerst alle Bäume ausschließen soll, die sich zum Suizid durch Erhängen nur bedingt oder gar nicht eignen. Dazu zählen fast alle Nadelbaumarten, sowie solche vom Wuchs her unsichere Kandidaten, wie Birke, Pappel und alle niedrigwachsende Obstgehölze. Dann sollte man seine Seele baumeln lassen und sich einfach den Baum suchen, der zu einem paßt und sich dabei nicht von Eigenschaften irre leiten lassen, die einst Dichter ins hölzerne Gewirr projizierten. Das führt unweigerlich auf den verzweigten Holzweg in die baumlose Wüste des Seins. Dichter ließen sich ja von einem Baum der jeweiligen Art inspirieren. Aber jeder Baum, sagen wir mal jede Eiche, ist so individuell wie unsere Seele. Es nützt also nichts, uns eine Art zu suchen, nein, wir müssen uns genau »unseren« Baum suchen, ihm begegnen und seine Wirkung auf uns gleiten lassen.


Dieser Baum am Wegesrand gefiel mir schon ganz gut. Rauh, von Wind und Wetter zerrissen, bietet seine blättrige Schuppenborke (?) es geradezu an, meine Seele aufzusaugen und 1:1 widerzuspiegeln. Aber der Stamm ist viel zu dünn, um sie aufzunehmen und ich hatte das Gefühl, daß in ihm schon die Seele einer Frau Anfang Dreißig ihr Heim gefunden hat. »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.« (Goethe, Faust) Manchmal sind des Dichters Worte einem doch von Nutze. In meiner Brust wohnt zwar nur eine Seele, aber da diese möglicherweise eine dissoziative Identitätsstörung oder veraltet: multiple Persönlichkeitsstörung aufweist – multipel oder nicht, gestört muß sie sein: Würde ich mir sonst einen Baum suchen? – vertraute ich einen Teil von ihr diesem Geschöpf an, damit sie sich eventuell derber Liebeslust hingeben kann. Mal sehen, was dabei herauskommt – spüren kann ich noch nichts.


Dieser Baum war der Volltreffer. Mein ersehnter Lebensquell verbeißt sich hier in seine Grenzen. Oben und unten in seiner Pracht beschnitten und bekämpft, wird er nicht müde gegen die Übermacht der Gefilden meiner Ahnen anzukämpfen. Grimmig widersteht er dem schnöden Stahl der Umzäunung meiner Klinik, seiner Hoffnungslosigkeit bewußt. Paßt perfekt. Das er bei einem Freitod wenig hilfreich sein wird, stört kein bißchen, sondern fügt sich in mein Zerrbild.

Jetzt habe ich sozusagen eine Dreiecksbeziehung geschaffen. Das paßt auch wunderbar zu meiner zerrütteten Seele. Ich hoffe mal, daß es sich nicht als ein kleines Bermuda-Dreieck erweist. Das Wurmloch zur Hölle. Aber da gibt es sicher einen Ablaßhandel, der die Flugbahn meiner Seele umkehrt. »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!« Oder so ähnlich hieß es ja schon im Mittelalter. Vielleicht hat ja das Seelenbaum-Pflanzen denselben Hintergrund wie der Ablaßhandel. In welcher Zeit bin ich jetzt eigentlich?

Irgendwie habe ich den Überblick verloren. Das widerfährt einem schnell, wenn man über Dinge fabuliert, von denen man keine Ahnung hat. Ehrlich gesagt, habe ich auch nur eine unklare Vorstellung von dem, was man Seele nennt. Aber da stehe ich mit den Seelenbaumgärtnern nicht alleine da. Das ist kein Makel, sondern Grundvoraussetzung für den Glauben. An wen oder was auch immer. Wem nützt ein Wissen, wenn sich daraus nur neue Fragen ergeben und einzig der Glaube schnelle Linderung verspricht?

Was sagt die Weltliteratur zu diesem Thema?

»Den Glauben, daß man mit Initiativen und deren Unterschriftensammlungen irgend etwas gegen den steten Anstieg von Erkrankungen die das Denken, Fühlen und das Verhalten eines Menschen betreffen, ändern kann, vermag ich nicht zu teilen. Wir selbst sind die Propagandisten einer Welt, die nur dann funktioniert, wenn es Sieger und Besiegte, wenn es Verlierer und Verlorene gibt. Wie wollen wir etwas erfolgreich bekämpfen, wenn wir es täglich selbst generieren? Im Kleinem, wie im Großem? Die Ursache sind wir ja selbst. Unser Denken, unser Handeln und unser Verhalten führen uns selbst und andere in die seelische Belastung bis hin zur Krankheit. Aber das ist nicht änderbar, weil all das, nach dem wir streben, für uns nur erreichbar ist, wenn wir es unserem Nächsten streitig machen. Was wir haben wollen, müssen wir einem anderen wegnehmen und dabei aufpassen, daß uns nichts genommen wird. Auch auf die Gefahr des eigenen Untergangs. So funktioniert unser Miteinander, so funktioniert unser Wolfsgesetz und wir werden nur anerkannt, wenn wir selbst so funktionieren. Das ist unsere Welt. Das ist das, was uns ausmacht und auf was wir stolz sind. Die Verlierer sind ja immer nur die anderen. Die Schwachen, von denen wir uns nehmen können, was uns beliebt und denen wir ein Almosen zurückgeben, damit sie uns erhalten bleiben, weil wir sie brauchen. Sie sind genau so ein Bestandteil des Systems, wie wir selbst. Der Kranke braucht den Therapeuten und der Therapeut den Kranken. Jeder für sich allein ist nutzlos. Das ist unsere göttliche Ordnung.«
Zitat aus: Til van der Hasze, Predigt 2/8 März 2011

Gut, das war wenig hilfreich. Was meint die zeitgenössische Literatur?

»Gegen das gesunde Volksempfinden kommt man sowieso nicht an. Da kann man ganze Haine mit Seelenbäumen hinrotzen, Mahnmale aller Art errichten und in Seelen-Workshops allen möglich Unfug betreiben. Im Mittelalter galten die Kaputten als verhext, vom Teufel oder Dämonen besessen und ganze Heerscharen von Kirchendienern, Exorzisten, Henkern und Wunderheilern haben sich eine goldene Nase daran verdient, in dem sie die verirrten Seelen ins Diesseits oder ins Jenseits beförderten. Später nannten sich die Folterknechte Psychiater, aber ihr Tätigkeitsfeld blieb das gleiche. Außer das sie das Brandeisen gegen das Elektroschockgerät tauschten. Aber immerhin nahmen sie den Kranken ernst. Heutzutage gilt die landläufige Meinung, daß die geknickten Seelen selber Schuld an ihrem Elend sind, welches sowieso nur auf Einbildung beruht. Die hätten nur Zucker in den Arsch geblasen bekommen und nie gelernt sich durchzubeißen. Die sollten einfach zur harten Arbeit und zu Gott finden, dann kommen sie nicht auf so dumme Gedanken. Und wenn sie zur Arbeit nicht taugen, dann sollten sie eben Künstler oder Psychotherapeut werden und mit 27 Jahren dem Club der toten Dichter beitreten.«
Zitat aus: Til van der Hasze, Mit dem Ohr am Mob, 2009

Quelle: Amazon

Lassen wir das. Vielleicht sollten wir uns lieber Nasenbäume züchten. Mein Kobold hat ein Kinderbuch in dem so ein lustig Ding beschrieben und illustriert ist. Auf dem Baum wachsen Nasen aller Art und wenn uns die eigene nicht mehr gefällt, so pflückt man sich eben eine neue. Die Auswahl ist groß: Schweine-, Füller-, Staubsauger-, Kolibri-, Clowns-, Wasserhahn- oder sogar Regenschirmnasen hängen da parat. Man kann auch die des Nachbarn, die, die man gerade eingeschlagen hat, durch eine andere ersetzen. Mal sehen was mein Therapeut dazu sagt. Vielleicht erlaubt er mir, statt diesen ewig düsteren Seelenbäumen, mal ein Nasenbaum zu malen. Schaden kann es sicher nicht.

Sonntag, 9. September 2012

Telekinese - auch du bist paranormal!

Im Prinzip ist der Nachweis darüber ganz einfach. Wenn man das Prinzip versteht. Am besten ist es, wenn ich es zunächst kurz erläutere, und Du dazu ein wenig übst.


Konzentriere Dich auf das rote Kreuz auf diesem Photo. Dazu atme ruhig und gleichmäßig. Entspanne dich und denk nur an das Kreuz. Dein linker Arm wird schwer, dein rechter Arm wird schwer und deine Beine schlafen ein. Jetzt müßtest du Dein Chi, deine mentale Energie, in Dir spüren können. Ihr Zentrum liegt etwas unterhalb Deines Nabels. Würge sie hoch und presse sie wie einen Kaugummi zwischen Deine Schneidezähne. Nimm ein Ende davon zwischen Daumen und Zeigefinger Deiner rechten Hand und ziehe sie in die Länge auf das Bild mit dem roten Kreuz zu. Wenn du das Gefühl hast, einen Gummi zu spannen und nicht einen Kaugummi, ist Deine mentale Energie ausreichend. Achtung! Nicht loslassen! Das so gebündelte Chi ist, wenn es keinen Freiraum findet, um im Leeren zu verpuffen, in der Lage Deinen PC zu pulverisieren.

Damit dies nicht passiert und du trotzdem Deine Fähigkeiten überprüfen kannst, habe ich hier einen Kanal zu einem konstanten Zeitfenster auf meinem Balkon geschaltet. Konstant heißt, daß der offene Kanal, egal zu welcher Zeit, immer auf dieselben 2 relevanten Minuten für unser Experiment verweist. Jetzt wird es ernst. Konzentriere dich auf das Zeitfenster unterhalb des Textes und vollführe dieselbe Übung, wie oben beschrieben. Ist deine Energie wie eine Saite gespannt, so klicke auf das Dreieck im Fenster, um den Kanal zu freizuschalten und öffne gleichzeitig Deine Kiefer, um die Energie durch den Kanal zu schleudern. Das war es schon.

Donnerstag, 6. September 2012

Kultur ist ein Remix

Für alle die heute Nachmittag einer geregelten Tätigkeit nachgehen mußten.

Freitag, 31. August 2012

ATTACK!




Nach 5 Monaten reichlicher Überlegung wurde gestern zu unserem Kulturstammtisch das Video nun doch freigegeben. ;-)

Dienstag, 21. August 2012

Neumarkt-Arkaden Meißen II – wo die Kaufkraft Urlaub macht


Die drei Grundregeln meiner investigativen Schmierfinkerei besagen, daß ich trotz gründlicher Recherche meinen eigenen subjektiven Gedanken den Vorrang gebe, mich der Fairneß verpflichtet fühle, falls diese angebracht sein sollte, und bei der Berichterstattung gewisse Themenkomplexe über längere Zeit begleite.

Einer davon ist die Kaufkraft zu Meißen. Wie ich schon im März in einer längeren Abhandlung berichtete, wurde dem Meißner Bürger mit den Neumarkt-Arkaden ein Fachmarktzentrum beschert, mit dem er nicht so recht glücklich zu sein scheint und das auch außerhalb für Nachdenklichkeit sorgt. Nachzulesen im Forum für Meißen – ein Quell der Freude und Erquickung – und dem Zittauer Stadtforum.

Da ich derlei anonyme Meinungsäußerungen renitenter Bürger mit Vorsicht genieße – das gilt auch für meine eigenen Texte – und es vorziehe mir selbst ein Bild von der aktuellen Lage zu machen, bestieg ich dieser Tage meinen Wagen und reiste ins Einkaufsparadies zu Meißen.

Kurz: Viel geändert hat sich nicht. Aber auch kleine Bemühungen das Fachmarktzentrum zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen, verdienen Beachtung und Anerkennung.


Die wohl wichtigste Reform, ist die in aller Stille und Heimlichkeit durchgeführte neue Parkplatzregelung. Nicht oben auf dem Dach der Anlage – da regiert und kassiert immer noch die Contipark – sondern daneben wurde eine Möglichkeit geschaffen, sein Auto abzustellen, ohne eine Parkplatzgebühr, oder in diesem Falle ein Strafgeld, zu bezahlen. Als Urheber dieser grandiosen Idee gilt laut unbestätigten Berichten der Meißener Oberbürgermeister Raschke. Aber genaues weiß man nicht und in Meißen gilt bei allem: Keiner will es gewesen sein. Mehr zu den Bürgermeistern dieser Stadt, ihren grandiosen Ideen und meinen bescheidenen Beiträgen dazu, erfährt der mir geneigte Leser am Ende dieses Berichtes in einem kurzen Abriß.

Die Parkgebühr auf dem Dach des Verbrauchertempels ist zwar vergleichsweise gering, aber eine hohe psychologische Hürde für jeden Besucher. Wenn er da oben schon sein Geld in eine verbraucherschutz- und gerichtsbekannte Firma stecken muß, bleibt das vage Gefühl, daß es eine Etage darunter nicht anders werden kann, und hält sich die Taschen zu. Vor allem, wenn ihm die Geldbuße unerwartet ereilt.



Die mit dem roten Pfeil gekennzeichneten Schilder sind der einzige Hinweis darauf, daß das Parkdeck einer Gebührenpflicht unterliegt. Aber selbst, wenn man diese bei der Einfahrt bemerkt, hat man keine Möglichkeit sie ausreichend zu lesen, geschweige denn anschließend wieder umzukehren. So vor den Kopf gestoßen, soll der Bürger seine Kaufkraft ungezügelt wüten lassen? Das funktioniert vielleicht in London, Tokio, Paris oder Chemnitz-Ost aber nicht in Meißen.


Die gutgemeinte Ampel vor der Parkdeckeinfahrt erweist sich meines Erachtens auch eher als Verkehrshindernis und Konjunkturabgabe, als eine sinnvolle Einrichtung. Erfahrungsgemäß herrscht oben auf dem Parkplatz nicht die große Hektik, so daß sich die Ein- und Abfahrten an einer Hand abzählen lassen. Wenn einem das überhaupt gelingt. Während ich da rumlungerte und mein weiteres Vorgehen überdachte, stoppte diese Verkehrsleiteinrichtung den Verkehr, ohne daß ein Fußgänger die Straße querte oder ein Wagen die Abfahrt nutzte. Nun bin ich zwar ein Mann der schnellen Entschlüsse, aber da ich auch der historisch bedingten und der neu gestalteten Fassade des Marktes meine Aufmerksamkeit widmete, verbrachte ich mindestens 10 bis 15 Minuten vor dem Objekt und konnte mich an den entnervten Gesichtern der Fahrzeugführer weiden, die da ein völlig sinnlose Zwangspause nahmen.

Um den nichtkundigen Leser die Problematik der Fassade des Neumarktzentrums näher zu bringen, verweise ich auf folgende Photos.


So sieht die historische, noch erhaltene Fassade der ehemaligen Meißener Keramikwerke aus. Unbestritten ist, daß diese Gestaltung nicht mehr zeitgemäß und sich in einer moderneren Form in der Hülle der Arkaden widerspiegeln sollte. So wurde es auch mit der AVW-AG, der Mutter des Projekts, abgesprochen und als Auflage festgehalten. Was an sich nicht das Problem gewesen wäre. Wozu gibt es Architekten? Nur leider hat der bei der Auftragserteilung nicht richtig hingehört oder bei e-bay waren gerade die Dachziegel knapp – wer weiß das schon? Jedenfalls hat man dann diesen Murks projektiert und zum Leidwesen der Stadt auch noch gebaut.


Schön nicht? Naja, egal. Irgendwann fallen die Dinger ab und keiner muß sich mehr darüber aufregen. Obwohl mir da so ein systemkritischer Spruch einfällt: Ruinen schaffen ohne Waffen. War das im Sozialismus oder im Kapitalismus? Letzterer gilt ja im allgemeinen als das schnellere Gesellschaftsmodell. Ein Bäcker oder so etwas Ähnliches hat sich wohl schon vor der Kaufkraft in Meißen ergeben. Der war wohl etwas konkursängstlich. Aber so etwas paßt eh nicht zu dieser Stadt. Dort wird gekämpft bis auf das Messer, bis zum letzten Mann und der letzten Semmel. Außerdem, ob es nun einen Bäcker mehr oder weniger in dieser Kommune gibt, ist eh »wurschd«.
Aber das mit den Ruinen ist noch Zukunftsmusik. Aber man kann sich sicher sein, daß ich auch darüber noch berichten werde.


Oben auf dem Parkdeck angelangt, kann man die zweite, wenn auch unspektakuläre, Erneuerung genießen. Das, was ich als Betonbecken für die Frischfischhaltung identifizierte, erweist sich als geschmacklich gut integrierte Blumenkübel. Da ruht das Auge auf sattem Grün und es zeigt sich ein zuversichtlicher Kontrast zum Betongrau des großzügig angelegten Parkdecks. Wenigstens hier wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt.



Wobei mir die Ähnlichkeit zu einer Landebahn auffiel. Oder besser zu einer Abschußrampe. Hat man hier in die Zukunft investiert? So klammheimlich? Meines Wissens gibt es aber auf dem Mond noch keine brachliegende Industriegelände, auf denen man Konsumtempel errichten könnte – bis Zittau fährt auch eine Bahn – geschweige denn ein Straflager für Architekten. So wird es denn ein Parkdeck für die Filialleiter des Marktes und ahnungslose Touristen bleiben …


… oder eine Kegelbahn werden.

Mir fällt noch eine andere Ähnlichkeit beim Betrachten des zweiten Bildes, oben im Text (das erste hat nicht viel zu sagen und dient nur zur Dekorierung), ein. Wenn man sich mal das Grün weg- und eine geschlossene Schneedecke dazudenkt, dazu einen grauen, nicht enden wollenden Himmel, meint man in einer weit entfernten Stadt, besser Ortschaft, zu sein. Mir will jetzt partout deren Namen nicht einfallen, aber bekannt ist sie geworden, weil nicht weit von ihr entfernt – ca. 900 km – im Dauerfrostboden ein 1,5 Mio Jahre altes Mammut gefunden wurde. Das Fachmarktzentrum hat schon etwas Mondänes an sich.


Was mich verwundert ist, daß sich die Gilde der verkannten Künstler noch nicht am jungfräulichen Beton vergangen hat. Oder wird der regelmäßig gereinigt? Normalerweise vergeht doch kein Tag oder keine Nacht, ohne daß die jungen, wilden Sachbeschädiger eine freie Betonfläche für ihre abnormen Botschaften an die Welt nutzen. In der Bronx war das damals ganz witzig, aber hier? In Meißen? Vielleicht haben die ja wirklich eine Ehre im Leib und beschmieren tatsächlich nicht alles. So mondän ist das Ganze wohl auch wieder nicht.


Hinter den Arkaden ist vom S-Bahnanschluß Altstadt noch nichts zu sehen. Aber da ich nicht weiß, wann der gebaut werden sollte, kann ich diesen Fakt nicht bemängeln. Vielleicht ist das Bauvorhaben auch schon wieder gestoppt wurden. Wundern würde ich mich nicht darüber. Es lohnt ja kaum.


Aber es wäre schade um diese schöne Bahnhofshalle. Versuchsweise könnte man sie ja mit dem Busbahnhof zusammenlegen. Gewartet wird hier und eingestiegen auf der anderen Elbseite. Das sind ja nur 10 min Fußweg bis dahin.


Das vielzitierte fehlende Glasdach stand, im nachhinein betrachtet, doch der umfassenden Begrünung der Meißener Neumarkt-Arkaden im Wege. Baum oder Überdachung, daß war hier die Frage. Löblich und ökologisch korrekt hat man sich für die Bepflanzung entschieden.


Ansonsten herrscht die gewohnte Langeweile auf dem Promenadendeck. Keine Aufsteller, keine lustwandelnde Kundschaft, nichts. Vielleicht will man auch den Fluchtweg nicht verstellen. Es fragt sich nur für wen.


Allerdings gibt es auch keine leeren Schaufenster mehr, wie es schon angeprangert wurde. Da steht inzwischen schon was drin. Und ob die Gerüchte von einer umfassenden Mieterflucht stimmen, kann ich nicht beurteilen. Ich lag ja auch fehl in der Annahme, daß da gar keiner einziehen würde. Insofern gelte ich als befangen.

Alles in allem betrachtet, macht die Kaufkraft gerade Urlaub. Das ist auch kein Wunder bei der Hitze. OB Raschke hat da auch gleich einen zündenden Einfall: Eine Eisdiele muß her! Dann schleckert die Kaufkraft vielleicht eiskalt Gefrorenes. Aber, ob sie dann auch wie erhofft wütet? So ein paar zündende Einfälle hätte ich auch auf Lager. Ich muß sie ja nicht verantworten oder finanziell dafür gerade stehen. Wie wäre es mit einer Grundsicherung für alle notleidenden, einsitzenden Filialen? Die Stadt übernimmt komplett die anfallenden Mieten und beschäftigt die Verkäufer auf der Basis einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung? Viel zu tun haben die ja sowieso nicht. Da reicht die Stütze. Das müßte natürlich groß, über einen europäischen Fond, aufgezogen werden, damit man nicht in den Verdacht kommt, ein Sozialkaufhaus zu etablieren. Ein schwieriges Unterfangen. Die erste Wahl für solche windigen Unternehmungen wären wohl die Fachmänner vom Europazentrum Meißen gewesen. Aber das ist auch schon längst selber pleite. Dann wird aus dieser schönen Idee zur Rettung eines typisch abendländischen Kulturguts wohl nichts. Schade.

Vielleicht hilft eine Kampagne? So, wie damals, vor mehr als 10 Jahren? Wir erinnern uns? Sie scheint sich tief in das Gedächtnis der Bürger eingefräst zu haben. Ich weiß gar nicht, wer damals in Meißen gerade an der Macht war. Mir spukt da ein Herr Pohlack, Architekt (!), oder ein Herr Wähling im Kopf umher. Vielleicht liege ich mit den Beiden völlig daneben – es ist einfach zu lange her. Eine Lotte geisterte damals auch durch die Gegend. Aber zu ihr fällt mir nur der Bahnhof ein. Weiß der Geier warum. Aber letztendlich ist es auch völlig egal, wer da welchen Posten innehatte, weil – wir ahnen es – es sowieso keiner gewesen sein will und alles schon verjährt und vergessen sein dürfte.


Diese Hilfsaktion sollte zur Belebung der Altstadt dienen und war ein einmaliger, voller Erfolg. Ihr knallharter Slogan »Komm doch mal rüber!« war etwas erklärungsbedürftig und sorgte vorübergehend für Verwirrung. Der dazugehörige Aufkleber wurde ja unter das Volk geworfen und klebte dann an jedem Gartenzaun und an jeder Mülltonne. Gemeint war aber, daß der Bürger auch mal von der rechten Elbseite zur linken wechseln solle. Nachdem man diesem das erklärt hatte, manch Meißener wußte damals nicht, auf welcher Seite sich der Dom – versinnbildlicht durch das Aufklebermännel mit der Blume (welches mir so gut gefiel, daß ich kurzzeitig drauf und dran war, im Dom zu Meißen einen Floristik-Laden zu eröffnen) – befand, ließ dieser alles stehen und liegen und rammelte über die Brücke in die Altstadt. Dort angekommen, schaltete sich sein Gehirn wieder zu und er fragte sich, was er eigentlich dort soll. Unter »Altstadt beleben« konnte er sich rein gar nichts vorstellen und eine schlüssige Antwort steht, bis auf ein stereotypes »einkaufen!«, von den Initiatoren dieser Aktion, bis heute aus.


Aber was spricht dagegen die Kampagne neu zu beleben? In leicht abgewandelter Form? Zum Wohle und dem Gedeihen des Meißener Einkaufsstützpunktes? »Komm doch mal rein!« klingt auch nicht so verkehrt und der Bürger weiß auch aus Erfahrung, was er da zu tun hat. Einkaufen. Gut, der Marketinghammer ist das nicht, aber immerhin besser als gar nichts.

Vielleicht hilft es ja. Wer weiß das schon?


Übrigens, wer einen Büroraum braucht, ist in den Neumarkt-Arkaden gut aufgehoben. Da ist noch Platz für alle Interessenten.

Ganz in der Nähe kann man auch einkaufen.