Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Samstag, 23. November 2013

Sonntag, 29. September 2013

Zwei verlassene Omi-Einkaufsrollis …


… sind wenig spektakulär.


Wenn sie allerdings vor einem Beerdigungsinstitut stehen


und sich auf der anderen Straßenseite ein Friedhof befindet, wird es hochdramatisch oder einfach nur pragmatisch. Wer weiß das schon?

Montag, 26. August 2013

Konzentrationsmeditation mit Bio-Apfel

Folgen sie dem Apfel, bis sich ihre Hirnhälften zu einer leeren Blase vereinigen. Gegebenenfalls müssen sie das Drücken des Startknopfes wiederholen.

Montag, 19. August 2013

Das DDR-Museum in Pirna …



… muß man nicht gesehen haben. Wem die eigene Vergangenheit abhanden gekommen ist – was davon in den Medien berichtet wird, ist bestenfalls nur die halbe Wahrheit – wird auch hier nicht fündig. Allerdings helfen einem die hier ausgestellten Güter doch in den eigenen Erinnerungen zu kramen. Das es dafür einen Bedarf gibt, ist unbestritten. Solch Museen sprossen Jahre nach dem Krieg wie Unkraut aus dem Boden und erfreuen sich bis heute einem regen Publikumsverkehr. Der Eine mochte die DDR nicht, muß sich dessen ab und zu vergewissern und für den Anderen war sie Heimat und er sucht jetzt die Antwort auf das Warum. Beiden kann in so einer Ausstellung nicht weiter geholfen werden, beschränkt sie sich doch auf ein Sammelsurium in Szene gesetzter Konsumgüter.

Zeitgeschichte ist viel komplexer und wird von denen geschrieben, die aktuell die Überhand gewonnen haben. Eine objektive und wertfreie Beurteilung dieser 40 Jahre ostdeutscher Geschichte wird, wenn überhaupt, erst in 500 Jahren von Historikern getroffen werden, wenn sie ihre gesellschaftlichen Zustände nicht als Spiegel der Vergangenheit nehmen. Dies darf getrost bezweifelt werden. Außerdem verkommt die Geschichte immer zu einem fiktiven Unterhaltungsprogramm, wenn das Blut, was an ihr klebt, getrocknet ist.


Im hier und jetzt dürfen die Einen Mauern bauen und die Anderen eben nicht. Es ist müßig darüber diskutieren zu wollen und so befleißigten sich der Besitzer des Museums und ein Förderverein über eine möglichst wertfreie Ausstellung. Die Gitter vor den Fenstern gehören nicht zum Museum, sondern zu der Kaserne in dem sich die Räumlichkeiten jetzt befinden. Das nur als Hinweis, für meine westdeutschen Leser.


Mein erster Weg führte mich im Erdgeschoß in eine typische VEB-Toilette mit kleinen, der Funktion bedingten, Fehlern. Die Spülkästen in den, mit Verlaub gesagt, Klos waren nicht aus Plaste oder jetzt Plastik, nein, sie ragten gußeisern, mindestens drei Meter über der, immer schwarz bebrillten, Verrichtungsschüssel und nahmen locker einen Kubikmeter volkseigenes Wasser in sich auf. Gut, vielleicht war es nur ein halber Kubikmeter. Die Erinnerung trügt und täuscht einen oft, von welcher Seite man sie auch betrachtet. Da geht es mir nicht anders, als manchem glaubensfesten Zeitzeugen auch. Zog man an einer Plastekette, öffnete sich die Schleuse und das Wasser donnerte kraftvoll durch das Rohr. Es ist kein Vergleich zu diesen mickrigen Kästen, die man hier installierte, in denen es nur gluckert und sich ein erbärmliches Rinnsal über den Kot ergießt. Wenn man sich das vorstellt, bekommt man Mitleid mit dem Wasser.


Die beiden Waschbecken waren der letzte Hit, den das Kombinat Sanitärporzellan landen konnte. Er ersparte den Betrieben die Duschgelegenheiten und das Reinigungspersonal. Ob die Abflüsse darunter schon West oder noch Ost sind, vermag ich nicht zu sagen.


Einen schönen Kontrast zu dem Vergangenen stellt die einzige Aktfotografie der DDR dar. Diese Frau kann mit Recht von sich behaupten, das sich eine ganze Nation an ihrem Anblick vergangen hat. Nein, in der prüden Zone gab es gute Aktfotografien wie im Westen auch. Nur ging im freien Teil Deutschlands die Erotik in einem Meer von Schund unter. In einem ostdeutschen Schlachthof sah das Freibankfleisch ästhetischer aus, als das, was der Westdeutsche in seine Gazetten druckte. Über Geschmack läßt sich nicht streiten, vor allem, wenn der Gegenüber gar keinen hat. Den Verfall der Kultur kann man als abgeschlossen betrachten, wenn man in einen Erotik-Shop geht und darin einen primitiven, schmierigen Pornoschuppen akzeptiert. Aber vielleicht ist das auch erst der Anfang vom Ende. Wer weiß das schon so genau.


Diese Ostküche ist etwas zu dunkel geraten, was allerdings auch den Umstand erhellt, daß die Zonenmutti sowieso kaum in ihr agierte. Die stand, im Dreischichtsystem unter Tage ihren Mann und hatte nur nebenbei die Aufgabe, ihre Kinder und ihren Mann zu erziehen. Ein Gehalt reichte meist nicht aus, um die Familie durch das Leben zu schleifen und sie war in der Produktion auch besser aufgehoben, als alleine zu Hause, was schon fast als asozial galt. In der Fabrik lernte sie etwas und es war hilfreich, nicht nur Arbeiterlieder trällern zu können, wenn man, wie in der DDR üblich, schnell mal geschieden wurde und plötzlich alleine da stand. Selbstverwirklichung sieht anders aus, aber ein festes Arbeitsverhältnis war immer noch besser, als sein Leben als Hausfrau zu fristen und langsam im DFD-Ortsverband oder vor der Glotze beim West-Fernsehen zu verblöden, wenn man sich nicht gerade mit dem Ernährer der Familie über das Haushaltsgeld stritt, wie es heute üblich ist.
Die triste Küche kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß damals gern, wenn Zeit dafür war, gekocht und gebacken wurde. Bodenständige Küche, bei der man noch heraus schmeckte, was man aß. Hier kochte Muttern und nicht ein Hallodri von Fernsehkoch der den übersättigten Bürgern ein kulinarisches Windei nach dem anderen vorgaukelt, das er sich gerade aus den Fingern gelutscht hat. Die Kochkunst besteht darin, aus Ungenießbaren etwas Genießbares zu bereiten und nicht umgekehrt. Roßtäuscher und Scharlatane wurden früher auf das Rad geflochten und nicht wie heute hofiert. Aber immerhin muß man es ihnen lassen, daß sie das Schwert gegen die Ketchupkultur führen und manche von ihnen reisen sogar in Schulen, um unseren Kleinen die vier Geschmacksrichtungen näher zu bringen, weil sie nur eine, süß, bisher kennen lernen konnten.

Früher, in der Ostschulküche schmeckte alles entweder sauer, süß, bitter oder salzig. Wie die Gerichte dazu hießen, war egal. Kürbiskompott war das beste Beispiel. Je nachdem, welcher Pappeimer gerade leer werden mußte, so schmeckte auch das Kompott. Mal süß, sauer, bitter oder salzig. Damals wäre ich froh gewesen, wenn ich eine Flasche Ketchup gehabt hätte, um so manche Schulspeise herunterwürgen zu können. Heute bin ich dankbar, daß der Sozialismus mich mit seiner Mangelwirtschaft davor bewahrt hat. So konnte ich mir meine Geschmacksnerven und den Spaß am Kochen wie bei Muttern bewahren und ich bin kein Sklave einer Industrie geworden, die alles in mich herein schüttet, was maximale Gewinne verspricht.


So stelle ich mir den Morgen bei einer Kur oder in einem FDGB-Ferienheim vor. Mit einem blauen Waschbecken und bunten Zahnputzbechern konnte man bestimmt jubelnd den neuen Tag begrüßen und den Abend bzw. die Nacht vorher vergessen. Die aufgegabelte, aufgetakelte Fregatte flog raus und wenn sie Sperenzien machte, wurde der Blockwart oder ihr Mann informiert. Das gab Theater und ein Parteiausschlußverfahren für sie. Die Genossen verstanden da keinen Spaß und sie waren katholischer, als der Staatsratsvorsitzende selbst. Als Mann stand man bei solchen delikaten Verwechslungen immer auf der Gewinnerseite. Das hat sich so bewährt, daß man es bis heute beibehalten hat. Wer verliert seine Arbeit, wenn es in der Firma Eifersuchtsknatsch und einen Rosenkrieg gibt? Immer die Frau.


Das Bild von unseren Staatsratsvorsitzenden, Generalsekretär des ZK der SED und des Vorsitzenden des nationalen Verteidigungsrates der DDR darf natürlich auch nicht fehlen. Hier posierte er gerade für die Neue Berliner Illustrierte. Eine Zeitungsausgabe ohne ein Bild von ihm bekam keine Druckfreigabe. Wenn es eng wurde, ließ man einfach das Impressum weg und klatschte dafür sein Photo rein. Aufgefallen ist das nie.


Das war das ultimative DDR-Bobby-Car. Ohne so einen Laster brauchte man am Sandkasten gar nicht auftauchen. Die Teile waren stabil und wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Es gab keinen Hang in unserem Dorf auf dem ich nicht mit diesem LKW herunter gebrettert bin. Quer über die Dorfstraße, wenn es sein mußte. Da fuhr sowieso nichts. Früh und nachmittags der Schulbus und ab und zu ein Traktor. Da war man der Herr der Landstraße, da konnte man es sein.


Mein Schulranzen war dunkelbraun und wie dieser aus echtem Rindsleder. Aber auch so leicht wie die High-Tech Ranzen heute. Bis zur 5. Klasse habe ich immer alle Bücher mit in die Schule genommen. Das ersparte mir das Ranzen packen. Damals war das möglich, die Bücher waren leicht und nicht aus schweren, gestrichenen Hochglanzpapier wie heute. Vielleicht waren wir Schüler damals auch robuster und härter im Nehmen. Jedenfalls wäre es niemanden eingefallen, mit so einem Oma-Einkaufsrolli, wie es heute üblich ist, in der Schule zu erscheinen. (Nur Gott kann erscheinen. Anmerk.: Gott) Ab der 6. Klasse war dann Individualität angesagt. Die Bücher wurden in Umhängetaschen oder Einkaufsbeutel versenkt. Aber die waren nicht von der Ost-Stange, sondern, wenn möglich, aus dem Westen oder selbst genäht.


Auf die Schulpapierkörbe muß ich etwas näher eingehen. Die Dinger waren für die Ewigkeit gemacht und so eine Art Universalmöbel. Da konnte man sich darauf stellen oder setzen, sie in die Ecke schmeißen oder die Treppe herunter – die waren unzerstörbar. Mit Papier wurden sie nur ausgelegt, damit sich die matschigen Apfelgriebse nicht an den Hartfaserplatten festsaugten. Abfallfolienbeutel gab es damals nicht. Im Sommer waren sie immer in eine Wolke von Essigfliegen gehüllt. Den Geruch von modernden Frühstücksschnitten und gärenden Obstresten, der aus den Körben stieg, habe ich immer noch in der Nase. 
Was ich allerdings nie begriffen habe ist, warum man immer die Klasse mit Kreide darauf geschrieben hat, zu der der Mülleimer gehörte. Wir sind ja zu jeder Stunde in ein anderes Zimmer umgezogen und haben den Eimer nie mitgenommen. Wozu auch? Da stand ja schon einer. Die Papierkörbe waren ein Gemeingut und durften von jedem benutzt werden. Heute sind sie vermutlich verschlossen und jeder Schüler hat nur den Schlüssel, zu der Tonne, die zu seinem Klassenzimmer gehört. Nein, drei Schlüssel, zu den drei Tonnen. Eine für Restmüll, eine Gelbe und eine für den kompostierbaren Abfall.


Ehrlich, ich weiß nicht, aus was dieser Büroleim gekocht wurde. Aus Knochen und Stärke vermute ich einmal. Das Zeug wurde hart wie Stein, wenn er nicht wieder mit Wasser in Berührung kam. Manchmal mußte man die komplette Flasche in heißes Wasser legen, damit man sie überhaupt aufbekam. Sein Geruch war auch einzigartig. Er roch etwas nach Zellulosekombinat und Abdeckerei. Oder eben nach Büro.


So einen Zentralaschenbecher suche ich seit dem Krieg für meinen Balkon. Formschön und praktisch. Ehe man das Ding ausleeren muß, vergeht eine Woche und sollte es in dieser regnen, bleiben die Kippen trocken und matschen nicht. Eine sozialistische Raucherecke ohne diese Sojuskugel war keine richtige Raucherecke. Mit Elsterglanz geputzt, spiegelte es lustig den Sonnenschein. Beinahe hätte ich das Ding geklaut. Der Frau unten am Einlaß wäre es nicht aufgefallen, wenn ich mit dem Aschenbecher an ihr vorbei gelatscht wäre. Wenn doch, hätte ich mich damit herausgeredet, daß ich seit meiner Wehrdienstzeit in der NVA unter dem Zwang leide, genau diese Ascher leeren und putzen zu müssen. Das hätte die mir sofort geglaubt.


Womit wir beim Saufen wären. Bergarbeiter-Trinkbranntwein, auch Kumpeltod genannt, war eine der vielen Parallelwährungen der DDR. Der Handel damit war verboten, weil der Fusel steuerfrei als Deputatlohn ausgegeben wurde. Also wurde er zum Tauschobjekt für Waren aller Art. Mit dem Zeug wurden umfangreiche Experimente und Feldversuche angestellt, mit dem Ziel, einen trinkbaren Likör herzustellen. Am einfachsten war es, Clic-Getränkepulver unterzumischen und das Ganze Sambalita zu nennen. Höherwertigen Trinkgenuß erreichte man, indem man zwei, mit Kaffeebohnen (32 Stück) gespickte, Kubaorangen in den Schnaps für mehrere Wochen einlegte und Zucker nach Geschmack zugab. 
Aber, was ich eigentlich mitteilen wollte ist, daß sich in seiner Abfüllung der Sozialismus und der Kapitalismus gleichzeitig widerspiegeln. Dem Sozialismus war die Verpackung, die Flasche völlig egal. Ob Kronenkorken, Limoflasche oder Heizölglas – abgefüllt wurde der Branntwein in alles, auf was sich ein Etikett kleben ließ und was gerade noch vorrätig war. Wichtig war nur, den Fusel an den Mann zu bringen. Im Kapitalismus herrscht Vielfalt durch Einfalt. Es wird ein großes Angebot vorgetäuscht, eben durch -zig verschiedene Verpackungen desselben Herstellers, aber der Inhalt ist letztendlich der Gleiche. Insofern unterscheiden sich beide Gesellschaftsformen nicht viel, allerdings war der Sozialismus ehrlicher. Wo Trinkbranntwein drauf stand, da war auch nur Fusel drin.


Hier irrt der Dekorateur der Ausstellung. Kein Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hätte Im-Nu Ersatzkaffee aus inländischer Produktion auf seinen Küchenhängeschrank gestellt. Diese Ehre blieb der leeren Büchse von Caro-Landkaffee vorbehalten. Was im Westen im Müll landete, wurde im Osten zum Altar. Der Witz an der Geschichte war, daß das, was da kultisch verehrt wurde, zwar im Westen verschleudert aber im Osten hergestellt wurde. Nur haben das die wenigsten gewußt. Inzwischen hat sich die Werkbank noch weiter verlängert. Sie reicht bis China und Bangladesch. Aber bis der Asiat in der DDR angekommen ist, ist der Westen schon längst untergegangen. Überholen ohne einzuholen sagt man dazu. Oder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.


Oder Turbosozialismus. Diese kleine Miniturbine sollte serienmäßig in jedem Trabant verbaut werden. Man entschied sich aber dann doch für den VW-Motor. Zwar wäre der Trabi damit das schnellste Auto in der RGW-Handelszone geworden, aber auch der mit dem größten Benzinverbrauch. Vorsichtige Schätzungen sagten einen Durchfluß von 40l 1:33 Öl-Benzin Gemisch auf 100 km voraus. Bei über eine Million geplanten Trabant mit diesem Antrieb wäre die sonst leistungsfähige Petrochemie des Ostblocks in die Knie gegangen. Was ich als einen sehr bedauernswerten Umstand betrachte. Mit solchen Düsentrabanten hätten wir im Krieg 1989–90 nicht nur die BRD eingenommen, sondern auch ganz Europa. Diese Chance ist unwiderruflich vertan.


Dieter Hallervorden muß einmal in so einem Schlafzimmer gewesen sein, bevor er seinen berühmten Stinktier Sketch schrieb. Mir fällt dazu, außer praktizierter Ehelosigkeit, nichts weiter ein. Vielleicht, daß ich mich in einer Geisterbahn eher zu Hause fühle und mich zur Ruhe bette, als in so einem Schlafzimmer.

Original DDR-Parkett:


Mittwoch, 14. August 2013

Heute: Vogelkunde

Da immer wieder Irritationen bei der Bestimmung heimischer Vögel auffällig werden, hier die drei wichtigsten Arten im urbanen Raum:

Specht, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Spechte

Eichelhäher, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Eichelhäher

Wellensittich, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wellensittich

Freitag, 12. Juli 2013

Hausmitteilung – Octapolis wohlauf!


Heute drudelte diese schon lang erwartete Papier-Mail bei mir ein. Aus Informantenschutzgründen mußte ich sie etwas neutraler gestalten. Die Hinterseite habe ich deswegen komplett geschwärzt. Man weiß ja nie, wer noch mitliest. Außer dem Staatsschutz natürlich. Der war vorher schon am Werk. Allerdings stellt der keine Gefahr da. Wir schreiben ja unchiffrierten Klartext. Der ist so harmlos, daß er von den Schlapphüten als besonders gefährlich eingestuft wird. Der Mediamarkt kann gar nicht so schnell nachliefern, wie denen in der Kryptodingsda die Rechner abrauchen. So kann man den Laden auch lahmlegen. Ein klein wenig ist unsere, aus konspirativen Gründen nur einseitige, Korrespondenz doch verschlüsselt: Wetter schlecht = Bier hier schmeckt nicht, oder starker Wind = keine Tankstelle zum Bier holen in der Nähe. Was er in dieser P-Mail geschrieben hat, habe ich auch gleich wieder vergessen. Sicher ist sicher. Nur eins kann ich noch mitteilen. Er ist wohlauf und kommt bald wieder.

Dienstag, 9. Juli 2013

Der Zoo in Dresden – eine Betrachtung


Nein, das ist nicht der Eingang zum Zoo, so sah er vielleicht vor dem Krieg aus, sondern der zu den Toiletten, direkt hinter dem Haupteingang. Strategisch gesehen ergibt dieser Standort durchaus einen Sinn. Bevor man sich auf eine Safari begibt, sollte man sein Wasser abschlagen, um, wenn Not am Mann ist, in der unbekannten und einem feindlich gesinnten Wildnis keinem Baum vertrauen zu müssen. Das wußten schon die alten Großwildjäger in ihren afrikanischen Kolonien und hier im Zoo wird diesem Erfahrungsschatz Rechnung getragen.


Die Toiletten selbst versprühen nicht nur den gewohnten Charme den gepflegte Stätten der Notdurft ihr eigen nennen, sie spiegeln auch ein wenig Glanz der Emanzipation auf den sauberen Kacheln wider. Ein Zeugnis vom Kampf des Mannes um Gleichberechtigung legt der in der Männerabteilung plazierte Babywickeltisch ab. Davon darf man in anderen öffentlichen Einrichtungen nur träumen. Ansonsten fühlt man sich darin wie in einer ganz normalen Toilette. Nichts deutet darauf hin, daß diese sich in einem Tierpark befindet. Ein paar Totenkopfschaben (Blaberus craniifer) könnten da schnell das richtige Flair verbreiten. Es müssen ja nicht gleich die Schlammspringer (Periophthalmus) sein. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Diese Tierchen haben einen ausgeprägten Sturkopf und finden ihre hohle Gasse von ganz allein. Das ist nur eine Frage der Zeit.


Der Zookasper ist krank. Gemeint ist wohl ein richtiger Kasper und kein alberner Tierpfleger. Wenn ich das Schild so sehen, fällt mir als passende Unpäßlichkeit nur eine mittel- bis schwere Depression ein. Das dazugehörige Kasperlehäusel macht einen seltsam verlassenen Eindruck und nach dem Laub, was sich unter den Zuschauerbänken angesammelt hat, zu urteilen, ist der Spaßmacher schon eine halbe Ewigkeit abwesend. Nun gut. Nein, so schlecht. Für mich ist es wenig dramatisch, denn wegen einer Kleinkunstvorführung bin ich ja nicht hier.


Vielleicht wollte er ja »Daniel in der Löwengrube« aufführen und wurde dabei angeknabbert. Das ist so ein alttestamentarisches »Glaube-an-Gott-und-bleib-ihm-treu-so-ward-dir-sicher-heimgeleucht« Spektakel, was kleine Kinder anspricht und dabei hilft, sie mit dem rechten Glauben zu vertoxen. Als Künstler ist man gezwungen religiöse Themen aufzugreifen, um sich zu nähren, auch wenn man sich selbst verleugnen muß. »Wessen Brot ich esse, dessen schmierige Komödie ich spiele.« Daniel soll gerade dies nicht getan haben. Das war wohl des Künstlers Denkfehler. In so einem Fall kann man zwar auch auf einem Gottvertrauen aufbauen aber ob das für einen auch gut ausgeht ist zweifelhaft. Es ist nicht neu, daß man sich auf dieser Basis selbst über- und den Hunger ausgewachsener Großkatzen unterschätzt. Nicht nur zu früh verblichene Großwildjäger, auch Spaßmacher aller Art mußten so, auf die eine oder andere unappetitliche Weise, Gottes Brachialpädagogik erfahren.

Aber sicher irre ich mich und der Graben ist nur eine innerbetriebliche Flutrinne. Der angrenzende Große Garten soll ja bei der letzten göttlichen Prüfung auch mit abgesoffen sein. Das wäre auf Dauer ein prima Freigehege für Wattwürmer gewesen. So weit vermag der Tierliebhaber aber nicht zu gehen, obwohl sich so ein ungeheures Potential in der Hundezucht ergeben hätte. Der Dresdner Schlammspringer wäre ein direkter Ableger der rentnerfreundlichen, rattenähnlichen Promenadenmischung geworden, wie sie jetzt schon im Park massenhaft vorkommt. Der ansteigende Bedarf an einem Hochwasserhund, der nicht im Matsch versinken kann, und der seinen Dienst auch bei einem Wasserstand oberhalb der Haustürklinke versieht, wird in Zukunft durch herkömmliche Rassen nicht zu decken sein. Aber ich schweife ab.

Zurück zur Pädagogik. Was bin ich? Es gibt ein Spiel, was sich unter Sozialpädagogen großer Beliebtheit erfreut und auf keiner ihrer Geburtstagsfeiern fehlen darf. Vorausgesetzt, man ist dabei mindestens zu zweit. Das ist die erste Hürde, die es bei diesem Zeitvertreib zu meistern gilt. Das Spielprinzip ist einfach und baut auf der Persönlichkeitsstruktur und dem Wunschdenken der Gescheiterten auf.
Man schreibt im geheimen auf einen kleinen Zettel, was oder wer man lieber auf dieser bösen Welt wäre und klebt es seinem Gegenüber auf die Stirn. Das machen alle Mitspieler, bis jeder so einen Schnipsel auf der Stirn trägt. Eine Problemprojektion nennt man das. Da man selbst das einem aufgeklebte Papier nicht sehen kann, muß man nun durch mehr oder weniger geschickte Fragen erraten, welche Rolle einem aufgedrückt wurde und sie für sich annehmen und erkennen. Das heißt, er muß herausfinden, wer er ist. Reihum darf jeder jeweils eine Frage stellen, die mit ja oder nein beantwortet wird. Von ihren realen Erlebniswelten unterscheidet sich das Spiel somit nicht, was es so beliebt und einfach nachzuvollziehen macht. Auf die Idee, Sozpäd auf den Zettel zu schreiben, ist noch keiner gekommen, weil es sich von selbst verbietet. Ein Spiel, in dem keiner gewinnen kann, aber der Erste, der am Ende ist, sich freuen darf.


Warum mir gerade, beim Anblick dieser Schautafeln, dieses Spiel ins Hirn schießt, weiß weder ich noch mein Psycho, der seit Jahren versucht meine Assoziationsketten zu ergründen. Vielleicht sind es die einfach gehaltenen Abbilder von Rindviechern (Bovini) auf den großen (gelben) Klappen. Da ist nicht viel dahinter, außer noch ein Bild vom jeweiligen Horn- oder Geweihträger (Bovidae). Im anliegenden Gehege, oder einem kleinen Reservat – wie man es auch bezeichnen möchte – tummelt sich in aller Ruhe das Viehzeug selbst. Dort passiert nicht viel. Ab und zu ein unerhörter Brunftschrei von einem eingeschränkten Platzhirsch – das war es schon.


Zu den aufgeblasenen, fliegenden Fischen (Exocoetidae) fällt mir schon wieder das Sozpäd-Spiel ein. Oder Schlimmeres. Bunt bemalt, innen hohl, recht dünnhäutig und in sich zusammenfallend, wenn man ihr Inneres ergründen will – ein Sinnbild für so manches Ungemach auf diesen Planeten. Es muß nicht zwangsläufig eine, einem näher bekannte, Frau sein, nein, es steht, zum Beispiel, auch für überteuerte und mit Helium gefüllte Luftballons. Eine wahre Seuche die Kinderherzen erfreut und die eigene Geldbörse schröpft. Oder gesundschrumpft, wie eine andere Epidemie behauptet.

Die der Falschmünzer im weiteren Sinne. Wipper und Kipper hießen sie früher und heute wohl Banker und deren Hehler Staat. Im engeren, ganz engen Sinne aber leider nicht so eng, wie es nur ein Strick um den Hals zu sein vermag. Gut gegangen ist deren Geschäft schon damals nicht, die Preise explodierten und die Not war groß, und heutzutage sieht es, zwar unter einem anderen Omen, nicht anders aus.


Um diesen Umstand anzuklagen, nicht um die Freunde der Dyskalkulie zu erfreuen, hat man diesen Münzprägeautomaten aufgestellt. Oben versenkt man 1,05 € an echten Geld, dreht an der Kurbel und bekommt dafür 5 Cent Falschgeld wieder. Welch einprägsamer pädagogischer Effekt. So lernt man, wie ein Staat funktioniert.


Da wir gerade wieder bei der Pädagogik sind: Auffallend sind die sehr zahlreichen, lieb gemeinten, aber völlig überflüssigen Hinweisschilder. Wer beim Anblick einer zähnefletschenden Bestie (Bestia) sein Kind nicht in Sicherheit bringt und mit ihm die Absperrung zu derselben übersteigt, dessen Unvermögen ist so gravierend, daß er des verstehenden Lesens nicht kundig sein kann. Dem ist nicht zu helfen, außer sehr nachdrücklich beim Verlassen des Tierparkes.


Auf die Idee das kleine Faultier (Homo folivora) zu berühren kommt kein Mensch. Wozu auch? Es würde nur aufschrecken, den ernsthaften Besucher vor die Füße fallen und ihn in seinen Betrachtungen stören. Wenn man unbedingt irgend etwas streicheln muß, kann man ja das dafür vorgesehene Gehege aufsuchen.
Für Faultiere gelten die sonst rigiden Sicherungsvorkehrungen in Form von Absperrungen, Zäunen, Mauern usw. bis hin zu hermetisch abgeschirmten Arealen nicht. Je nach Gefährdungslage wurde die passende Abgrenzung gewählt.


Warum hier so nachlässig gearbeitet wurde, erschließt sich mir nicht. Was man hinter dem Fangnetz vage erkennen kann, sieht alles andere als harmlos aus. Es scheint sich auch um eine Futterstelle zu handeln, um einen hochsensiblen Bereich der einer besonderen Sicherung bedarf. Gerade bei der Nahrungsaufnahme kommt es immer wieder durch den angeborenen Futterneid zu Rangkämpfen, die leicht schwere Verletzungen nach sich ziehen können. Vielleicht ist das nur ein Provisorium, was mit Wasserwerfern und Gummigeschossen in Zaum gehalten wird. Von hier unten aus, sind diese wohl nicht zu bemerken.


Woanders wurde dieses Problem schon vollendet gelöst. Durch eine Glasscheibe abgeschirmt, hat man Einblick auf einen Einzelfutterplatz. Was hier weggesperrt wurde, muß weiblich sein. Zumindest essen die Frauen, die ich kenne, mit Vorliebe nichts anderes und wenn sie den Tisch verlassen, sieht es genau so aus. Welcher Mann jetzt mit der Idee der Glasscheibe liebäugelt: Vergeßt es. Damit kommt ihr nicht durch.


Nebenan ist der Kletterbaum vom Affen (Anthropoidea) verlassen. Wenn die Touri-Kinder Ferien haben, nehmen die sich Urlaub. Ihr Geschrei erträgt kein Primat auf Dauer. Auf den Tierschutz können sie nicht bauen. Der ist im Undercover-Einsatz in einem Hühnerstall.
Dieser Baum könnte auch ein Mahnmal für das Waldsterben sein. Der sieht aus, als würde er jeden Morgen im sauren Regen stehen. Er erinnert mich an einen Nachbarn. Wenn der vom Regen in die Traufe kommt, ist diese auch sauer. Der warme Regen ist die Freundin und die Traufe die Gattin. Beide sind chronisch sauer. Aufeinander und auf ihn. Aber er hat wenigstens die Wahl, wer auf ihm herumturnt und bei wem er verrottet.

So ist das Leben.


Das die Einkaufswagen alle sind, verwundert mich nicht. Die Leute löhnen tatsächlich 12 € Eintrittsgeld, um hier billig einkaufen zu können. Die Parkgebühren und den einen oder anderen 5 Euroschein, den man hier verschleudert, mal außer Acht gelassen. Aber was rege ich mich auf. Das Viehzeug braucht Futter und die Tierpfleger auch. Insofern ist es gut angelegtes Kapital. Welcher Discounter seine Kralle auf dem Tierpark und zu wenig Einkaufswagen hat, ist erst einmal egal. Einkaufen werde ich lieber zu Hause, im Laden nebenan – es ist schon spät, der Zoo schließt bald – und die zwei Beutel mit den leeren Flaschen nehme ich wieder mit. Deswegen war ich ja auch nicht hier.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Spaß mit Handwerkern – Episode 2


»Mensch, daß das so hoch ist!«

Deckenbeleuchtungen, auch wenn sie sich im Flur befinden, sind oben an der Decke angebracht. Das war früher im Osten so und es ist jetzt im Westen nicht anders. Der Unterschied besteht nur darin, daß man heutzutage einen Spezialisten braucht, um sie zu reparieren, während man früher einfach selbst die Glühbirne wechselte.

»Und die ist wirklich kaputt? Können sie mal knipsen?«

Kann ich nicht. Mein Handwerker steht genau vor dem Lichtschalter.

»Ach so, den habe ich nicht gesehen. Dann schalte ich mal. Mensch, daß die so hoch ist!«

Wenn man weiß, daß zu den natürlichen Feinden des Handwerkers der Kunde zählt, toleriert man in der ersten Kontaktaufnahme zu ihm seine Mätzchen. Man muß ihm das Gefühl geben, daß man ihn nicht nur ernst nimmt, sondern auch, daß er das Heft des Handelns in der Hand hält. Schließlich hat man ihn nicht gerufen, um sich mit ihm herumzustreiten.

»Geht nicht. So ein Mist aber auch!«

Meine Rede.

»Was mache ich denn da jetzt?«

Reparieren?

»Mensch, daß die so hoch ist! Ich habe doch keine Leiter mit! Die hat der Schorsch auf der Baustelle. Der baut eine Deckenbeleuchtung ein. Dafür braucht der die Leiter. Sonst kommt der nicht hoch!«

Hinfahren? Schorschi von der Leiter schubsen und mit dem Ding hier wieder antanzen?

»Nein, das geht nicht. Der Schorsch hat gleich Feierabend. Ich übrigens auch. Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Hause und wollte nur auf einen Sprung vorbeischauen. Ich dachte, daß wäre schnell erledigt. Aber, daß die so hoch ist! Das hätte ich nicht gedacht.«

3,80m lichte Höhe der Zimmer ist für ein altes Bürgerhaus die Norm. Auf meiner Straße wurden nur solche Häuser gebaut und man kann dies unschwer von außen feststellen, wenn man keine Leiter vor dem Kopf hat. Wieso hat seine Firma nur eine Leiter?

»Wir haben zwei! Eine ist weg. Die hat der Schorsch irgendwo stehengelassen. Ein Theater war das! Aber die hätte sowieso nicht in das Auto gepaßt. Ich bin doch mit meinem Privatwagen hier.«

Und mit dem Werkzeugkasten wollte er seinen Privatwagen nicht belasten, deshalb hat der das Teil in der Firma stehengelassen.

»Nein, der ist unten im Auto. Ich wollte bloß erstmal gucken kommen. Vielleicht geht die Beleuchtung inzwischen wieder. Manchmal ist es doof. Da fährt man los und dann ist nichts. Ich hole den jetzt mal.«

Ist das, was mir der Vermieter da geschickt hat, überhaupt eine Firma oder ist das so ein scheinsozialer Verein der sich Ein-Euro-Sklaven hält?

»Wie kommen sie jetzt darauf? Natürlich sind wir eine Firma! Seit 1948 legen wir Strom in die Häuser! Die Deckenbeleuchtung hier hat der Schorsch gemacht. Halogenstrahler! Zwei separate Stromkreise! Jeder hat seinen eigenen Trafo. Hübsch in die Decke eingelassen. Vor 5 Jahren war das erst! Die kann gar nicht kaputt sein, sagt der Meister. Den habe ich gerade angerufen.«

Was ist das: Man drückt auf den Lichtschalter und nichts passiert? Funktionstüchtig, aber abstrahlungsfrei?

»Lichtschalter ist ein gutes Stichwort. An dem kann es eigentlich nicht liegen aber manchmal steckt da der Teufel drin. Ich baue mal schnell einen neuen ein. Wo ist eigentlich der Sicherungskasten? Haben sie da mal reingeschaut?«

Dieser Kasten befindet sich direkt über dem Lichtschalter, auf Augenhöhe und steht offen.

»Gut, den habe ich nicht gesehen. Sicherung ist drin. Das war jetzt ein bißchen meine Hoffnung, daß es die nur rausgefeuert hat.«

Rausfeuern ist auch ein gutes Stichwort.

»Mist, mit dem neuen Schalter geht die auch nicht. Jetzt wird es eng.«

Nein, nicht eng, sondern hoch.

»Haben sie mal eine Leiter? Der Meister sagt, sie müssen eine haben!«

Woher will der das wissen?

»Bei solchen hohen Räumen braucht man eine Leiter, wenn zum Beispiel das Licht mal nicht geht. Zum Glühbirne wechseln.«

Meine Leiter steht als Blumenbank im Garten. Aber das werde ich dem nicht erzählen. Ich schleppe das Ding jetzt nicht in die dritte Etage. Der soll seine eigene Leiter mitbringen und wenn er sie verbummelt hat, gefälligst suchen!

»Das war der Schorsch, nicht ich! Aber eine zweite Leiter wäre schon nicht schlecht. Haben sie nicht eine Leiter?«

NEIN!

»Oder der Nachbar? Vielleicht hat der eine?«

NEIN! Wie wäre es mit einem Baumarkt? Die haben Leitern!

»Das kann ich nicht entscheiden. Da muß ich den Chef fragen, ob der mir eine neue Leiter zugesteht. Ich kann nicht einfach eine Leiter kaufen. Selbst brauche ich keine. Das heißt: Privat habe ich sogar zwei. Falls eine mal kaputt geht und ...«

... das Licht auch?

»... aber wissen sie was? Ohne Leiter wird das jetzt nichts. Außerdem habe ich Feierabend. Meine Frau wartet. Morgen Nachmittag habe ich ein bißchen Luft. Da fahre ich von der Firma aus erst zum Schorsch auf die Baustelle, ein paar Sicherungskästen hinbringen, da komme ich bei mir zu Hause vorbei, dort schnappe ich mir meine zweite Leiter und wenn der Schorsch mich nicht braucht, der braucht mich nie, schneie ich bei ihnen rein und wir gucken mal nach dem Licht.«

Wir?

»Zum Leiter halten brauche ich sie schon. Die ist ein bißchen wacklig und ich muß ja bis ganz da hoch! Mensch, daß das so hoch ist! Das hätte ich nicht gedacht! Haben sie morgen Zeit? So ab 15.00 Uhr?«

Das war an einem Dienstag. Nachdem ich am Mittwoch Nachmittag vergeblich auf den Schrauber gewartet hatte, rief mich abends sein Meister an und sagte den Termin für Donnerstag ab. Das war vorbildlich, wenn ich von dem Termin gewußt hätte. Das sein Mann schon am Dienstag am Werk war, nach meiner persönlichen Terminabsprache mit ihm höchst selbst, war ihm wohl entfallen. Womöglich lag es auch an seiner Unkenntnis über die Namen der einzelnen Wochentage. In seinem Wirrwar von »morgen«, »gestern« und »übermorgen« hatte er sich so verheddert, daß er meinen Strohhalm, in Form der Frage nach dem aktuellen Wochentag, ignorierte und mich auf »überübermorgen« vertröstete.
Wie ich erwarten konnte, klingelte es am Freitag und nicht am Sonnabend an meiner Tür. Der Meister persönlich hatte sich die einzig verbliebene Firmenleiter geschultert und den Werkzeugkasten unter dem Arm. Die Operation dauerte keine zwei Minuten, dann brannte das Licht wieder. Ein Mann vom Fach – so etwas ist ganz selten. Falls ich ihn noch einmal brauchen sollte, werde ich ihn allerdings gleich aus der Firma abholen. Ohne Terminabsprache. Sicher ist sicher.

Montag, 24. Juni 2013

Spaß mit Handwerkern


Episode 1

»Wo ist denn ihr alter Temperaturfühler?«

Wer?

»Ihr Temperaturfühler! Der von der alten Heizung.«

Was für ein Ding? Meint der das Teil in der Stube, was die Temperatur mißt und von dem aus sich die Heizung steuern bzw. regeln läßt?

»Innen? Der ist in der Stube? Nein, das kann nicht sein, der muß außen sein! An der Außenwand.«

So etwas haben wir nicht. Wozu auch? Wenn ich wissen will, wie kalt es draußen ist, schaue ich auf das Thermometer außen am Fenster. Das mißt auch die Temperatur und fühlt sie nicht bloß.

»Nein, ich meine den Temperaturfühler! Den von der alten Heizung! Der muß ausgetauscht werden. Da muß der Neue hin. Ich frage mal den Vermieter, ob der was weiß.«

Viel Spaß. Der weiß auch nichts, weil wir so etwas schlicht nicht haben.

»Der weiß auch nichts! Das ist nicht zu fassen. Aber von hier geht auch nur eine Leitung in die Stube ab. Die haben den Temperaturfühler tatsächlich innen! Das gibts nicht!«

Gibt es doch! Bei uns! Unsere Heizung heizt innen und nicht außen. Deswegen ist das Teil auch innen! Und es mißt die Temperatur und fühlt sie nicht nur!

»Der neue Temperaturfühler für außen mißt die Temperatur auch und fühlt sie nicht. Der heißt nur so!«

Und was macht die neue Heizung wirklich? Heizt die oder heißt die nur so?

»Die macht sogar Warmwasser. Da hat der Vermieter sich nicht lumpen lassen. Das ist eine ganz feine Sache, die ich ihnen hier einbaue.«

Aber warum muß die Heizung wissen, wie kalt es draußen ist und nicht innen? Mißt die drinnen auch die Temperatur oder fühlt die nur, ob sie heizen muß?

»Also, so einfach können sie sich das nicht machen. Der Temperaturfühler mißt nämlich den Steilwinkel!«

Den was?

»Den Steilwinkel! Das geht nur, wenn der Temperaturfühler außen ist und nicht innen!«

Was ist ein Steilwinkel? Wieso gibt es den bei einer Heizung für innen nur außen?

»Der Steilwinkel ist innen! In der Heizung. Aber der wird außen gemessen!«

Was ist der Mann von Beruf?

»Das ist nicht so einfach, ...«

Aha.

»... zum Beispiel in Genossenschaftswohnungen. Da gibt es keine Etagenheizungen. Da wird überall gleich geheizt. Egal, wie warm es ist. Es geht ja auch um Heizkostenersparnis!«

Und die haben keinen Temperaturfühler außen und damit keinen Steilwinkel innen.

»Genau! Wenn da ein Zimmer warm ist, weiß das die Heizung nicht und heizt trotzdem. So kann man keine Energie sparen.«

Aber wenn der Temperaturfühler bei uns außen ist, weiß die Heizung auch nicht, ob bei uns ein Zimmer schon warm ist und heizt trotzdem.

»Doch! Doch, doch! Durch den Steilwinkel!«

Der mißt die Temperatur innen? Und warum soll bei uns ein Zimmer schon warm sein, wenn die Heizung noch gar nicht weiß, ob sie heizen soll oder nicht?

»Nein! Innen wird nichts gemessen! Dafür haben wir den Steilwinkel! Der weiß, ob ein Zimmer schon warm ist. Dann heizt der das Zimmer nicht. Deswegen sparen sie Energie!«

Bei uns erwärmt sich kein Zimmer spontan. Wenn es so wäre, würden wir keine Heizung brauchen.

»Also noch einmal langsam: Der Steilwinkel, nein, die Heizung mißt die Temperatur außen, damit sie weiß, ob sie innen heizen muß! Das weiß die wegen des Steilwinkels.«

Ist mir egal. Ich habe jetzt die klare Aussage, daß die Heizung ihren Zweck erfüllt. Also nicht nur heizt, wenn es sein muß, warum auch immer, sondern auch warmes Wasser bereitet. Mehr muß ich nicht wissen. Schön wäre es noch, wenn ich irgendwo einstellen könnte, bei welcher Innentemperatur die Heizung in Betrieb geht und zu welcher Tageszeit. Wie bei der alten Heizung.

»Das können sie! Hier ist die Bedienungsanleitung dazu. Wenn sie mal ein bißchen Zeit haben, lesen sie sich das einmal sorgfältig durch. Da steht drin, wie sie die Heizung einstellen können.«

Seltsam. Nun kann ich anscheinend doch die Innentemperatur bestimmen, obwohl die Heizung nur außen die Temperatur mißt.

»Wie ich schon sagte: Der Steilwinkel! Der Steilwinkel macht das!«

Ich mache das und nicht der Steilwinkel! Aber erst im Herbst. Oder der Knabe selbst, wenn ihn bis dahin nicht der Steilwinkel geholt hat.

»Sehen sie? Wasser läuft! Sogar das Warmwasser! Wollen sie mal fühlen?«

Irgendetwas hält mich davon ab.

»60° C habe ich eingestellt. Das ist so die gängige Temperatur für Warmwasser.«

Sagt der Steilwinkel.

»Der auch. Aber der ist mehr für die Heizung zuständig.«

Wie dem auch sei. Feierabend. Der Mann hat sein Werk getan, der Mann kann gehen.

»Ist schon Feierabend?«

Ja, das sagt der Steilwinkel.

»Nein, ihre Uhr. Was sie bloß immer mit dem Steilwinkel haben? Ich packe mal zusammen.«

Man kann froh sein, daß der Mann kein Chirurg im hiesigen Krankenhaus ist. Dort würde er, um nach dem Skalpell zu greifen, erstmal in einem Haufen mit OP-Besteck wühlen und es wahrscheinlich erst finden, wenn der Patient schon wieder aus der Narkose erwacht. Es ist unglaublich, was man alles braucht, um eine Heizung einzubauen. In der Küche, am Tatort, kann man nicht mehr treten, der Flur ist zugestellt und auf der Treppe bis zur Haustür türmt sich irgendwas Heizungstechnisches oder schlichter Verpackungsmüll. Aber was rege ich mich auf. Der Mann hat zwei Tage hier rumgemurkst und in meinen ganz jungen Jahren sah mein Kinderzimmer auch nicht besser aus, wenn ich etwas gebastelt hatte.

»Das wird jetzt ein bißchen dauern. Aber sie können derweile schon duschen gehen. Es ist alles schon angeschlossen. Da kann nichts mehr passieren.«

Der Mann denkt mit. Bei der Hitze giert mein Körper nach dem kühlen, erfrischenden Naß. Nur einen kleinen Schönheitsfehler muß ich noch bemängeln.

»Ach, der Temperaturfühler. Naja, angeschlossen ist er. Hier an der Strippe. Das weiß ich nun auch nicht. Eigentlich muß der raus, an die Außenwand. Ob ich da ein Loch durch das Fenster bohre? Oder durch die Wand? Ich dachte, sie hätten schon einen. Da müßte ich den nur wechseln. Aber so? Da liegt er eben drin. Das müßte theoretisch auch gehen. Aber da sparen sie keine Heizkosten, weil das dann mit dem Steilwinkel nicht mehr hinhaut. Wissen sie was? Ich frage mal den Vermieter. Der muß mir sagen, wo er den hin haben will. Ich bin morgen sowieso noch mal da. Da kann ich das mit erledigen.«

Denkt er. Ich werde die Wohnungstür heute Abend nicht nur zunageln, sondern auch verschrauben. Mein Bedarf an den Ausführungen von Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateuren ist bis auf weiteres gedeckt. Das Teil tacker ich selber an. Draußen. An der Außenwand. So wahr mir der Steilwinkel helfe!

Sonntag, 2. Juni 2013

Der erste Löbtauer Wochenmarkt – ein Kurzbericht



Schade, ich hätte gern einmal die Panoramafunktion meiner Kamera voll ausgereizt, aber der erste Löbtauer Wochenmarkt am vergangenem Donnerstag, in seiner spartanischen Fülle, gab das nicht her.



Dem Org.-Büro des Veranstalters ist es nämlich gelungen, den Markt sehr übersichtlich zu halten und den Schwerpunkt auf die Kinderfreundlichkeit zu setzen. Hinter dem Verkaufsgeschehen bot eine Wiese genug Platz für deren drei Komponenten: Spiel, Spaß und Spannung. Zwar hätte das sanfte Grün auch Platz für Händler und ihre Stände geboten aber man tat gut daran darauf zu verzichten.



Die Wiese hätte unter dem Ansturm der Löbtauer Bürger ebenso gelitten, wie die Fläche mitten im Gelände des Marktes, durch die sich schon drei Stunden nach dessen Eröffnung eine Spur der Verwüstung zog. Natürlich brachten diese, eigentlich marktwidrigen, Zugeständnisse an die Lebensqualität der Besucher und Anwohner auch eine Verknappung der Angebotsvielfalt mit sich. Was ich aber nicht als nachteilig empfunden habe. Zum Einkaufen war ich beim Lebensmittelkrämer gegenüber und unter seinem Dach boten auch verschiedene Fachverkaufshändler ihr Waren feil. Was einem nicht zu verwundern vermag, ist doch die angrenzende Kesselsdorfer Straße ein El Dorado für Einkaufszentren aller Art. Das Einzige, was man vermissen könnte, sind biologische Eier und chemisch einwandfreier Honig direkt vom Erzeuger. Aber da steigt man einfach in die Straßenbahn, fährt nach Dresden und besucht einen Wochenmarkt.

Wenn ich das Anliegen der Marktinitiatoren richtig verstanden habe, geht es ihnen ja auch nicht um das Einkaufen, sondern um das Begegnen. Davon zeugten die schön auf dem Areal verstreuten und mit dem Hintergrund dezent harmonierenden Buchstaben, die den Markt plakatierten. Wenn sie nicht ein Hauch von Ökumene verströmten, dann einen von Begegnungsstätte. Der Bürger giert nach Begegnung, warum auch immer. Früher war das kein Problem sich irgendwo zu begegnen. Heutzutage braucht es dafür eine Stätte. Warum auch immer. Ich wiederhole mich. Wahrscheinlich fehlt es mir auch an Begegnung. Egal, jedenfalls scheint mir, daß der Löbtauer Wochenmarkt als solche taugt.



Der Markt selbst bot schon genug Stoff, um einen geneigtem Bürger in ein Gespräch zu verwickeln. Tobende, lustige und zu Streichen aufgelegte Kinder auch. Wenn es dem Veranstalter gelingt, den Markt an sein ursprüngliches Ziel, die Friedenskirche, zu verlegen, gibt es auch den seelischen Beistand ganz in der Nähe. Ich konnte mich dem Eindruck nicht verwehren, daß die Händler diesen dringend nötig hatten. Warum auch immer.

Fazit: Man sieht sich nächsten Donnerstag auf dem Markt. Zum Quasseln.

Um mit den Worten eines, sein Name ist mir entfallenen, Autoren bezüglich des Marktes zu schließen: »Es ist schon erstaunlich, was man mit einer Petition alles erreichen kann.« Näheres dazu verrät Onkel Google.

Sonntag, 26. Mai 2013

Tantchen – es gibt Tage, da …


Scheiß Telefon.

»Mein Schunge! Habe ich dich geweckt?«

Es ist 17.00 Uhr. Hinter mir liegt ein Tag, wie er beschissener nicht sein kann. Schwamm darüber – das ganze Leben scheint aus deprimierenden Tagen zu bestehen. Mal mehr, mal weniger. Man verläßt früh geduscht das Haus, um abends angepisst wieder heimzukehren. Das ist eine Konstante im Leben, auf die man sich verlassen kann. Die unbekannte Variable in dieser Ungleichung sind Tantchens Heimsuchungen. Persönlich oder fernmündlich. Worauf man sich wiederum bei diesen verlassen kann ist, daß sie einen ereilen, wenn man sie am wenigstens gebrauchen kann – wenn man mit den Nerven sowieso schon am Ende ist – und das Tantchen noch ein letztes, brachliegendes Nervenbündel findet, was sie einen rauben kann.

»Du klingst so verpennt. Aber jetzt werde mal munter. Ich rufe gerade an!«

Wen?

»Dich! Mein Gott, um diese Uhrzeit solltest du aber fit sein. Jetzt höre mal zu! Du hast doch eine Waage. Die Personenwaage, die ich dir mal geschenkt habe.«

VEB Junkalor Dessau. Die liegt original verpackt unter meinem Schrank. Seit genau 28 Jahren.

»Stelle dich mal darauf. Die Schuhe kannst du anlassen.«

Widerstand zwecklos.

»Schau mal nach unten! Siehst du was?«

Ja, die Waage.

»Ich meine: Ob du was erkennen kannst! Dein Gewicht! Die Zahl auf der Scheibe, die sich dreht, wenn du darauf steigst und die stehen bleibt, wenn du aufhörst mit zappeln!«

Ohne Brille nicht.

»Hm, die Gustl auch nicht. Aber die sieht sie auch mit Brille nicht. Komisch.«

So expandiert, wie Gustls Körperfülle sich ergießt, wird sie nicht einmal die Waage sehen können.

»Stimmt. Wie weit geht deine Waage eigentlich? Maximallast?«

125kg.

»Das wird nicht reichen. Gut, diese Waage war für DDR-Bürger gedacht. Wir wogen ja nichts. Besonders nach dem Krieg …«

Vor dem Krieg gab es keine DDR-Bürger.

»… Da gab es auch ja auch kaum was zu essen. Nichts gab es da. Nur Lebensmittelmarken …«

Bla, bla, bla. Damals wußten sie nicht, wie sie das Fett auf die Hüften bekommen und heute jammern sie herum, weil sie welches darauf haben.

»Stelle dir doch mal spaßeshalber vor, du wärst die Gustl und mache dich ein bißchen schwerer. So um die 150kg müßtest du dann wiegen.«

Wie soll ich das machen? Spontan meine Dichte erhöhen, damit die Nachbarschaft mit auf die Waage paßt? 150kg? Wo soll ich jetzt 60kg hernehmen?

»Laß dir was einfallen! Stelle dich nicht so an! Da rufe ich dich schon mal an, weil ich einmal deine Hilfe brauche …«

Einmal? Einmal? Wer ruft ständig an und will irgendwas? Ach, egal. Da lasse ich mir eben was einfallen. Die Waage brauche ich dafür nicht.

»Und? Was siehst du? Steht da jetzt eine 25? Zeigt die jetzt 25kg an?

Nein. Warum sollte sie?

»Ich dachte, die überdreht vielleicht. Die Anzeige geht bis 125kg und wenn man 150kg darauf packt, zeigt sie wieder 25kg an. Das wäre doch möglich gewesen!«

Möglich ist alles. Nur eins nicht: Das ich das Telefon jetzt in die Ecke schmeiße. So sehr, wie ich mir das wünsche. Aber das traue ich mich nicht.

»Na gut, dann eben nicht. Mir hätte das sowieso nicht weiter geholfen, weil die Gustl die Waage eh nicht sehen kann.«

Klasse. Ich breche mir hier einen ab und ihr hilft das sowieso nicht weiter. Wie wäre es mit einer sprechenden Personenwaage? Die gibt es in der Kaufhalle nebenan für 12 Euro? Das ist auch eine Waage für Bundesbürger. Die schafft bis 180kg! Hören wird die Gustl ja noch was. Wozu braucht die eigentlich noch eine Waage? Für den Sargtischler? Macht der neuerdings Schwerlasterdmöbel?

»Die hört eben nichts mehr! Mein Schunge! Du mußt mich doch für total von gestern halten!«

Bestimmt nicht. Tantchen ist zwar streng genommen von gestern, aber im hier und heute angekommen.

»Was denkst du, was ich der Gustl vor sechs Wochen zu ihren Geburtstag geschenkt habe? Eben diese sprechende Waage! Die will plötzlich wieder schlank und fit werden! Die spinnt! Die ist fast einhundert Jahre alt! Seitdem habe ich keine ruhige Minute mehr! Ständig ruft die mich an, und will wissen, ob sie zu- oder abgenommen hat!«

Was? Woher soll Tantchen das wissen?

»Weil sie den Telefonhörer an die Waage hält! Die versteht ihre eigene Waage nicht! Mein Gott! Die ruft mich an, dann steigt sie auf die Waage und bückt sich. Das dauert ewig, ehe die unten ist! Meistens ist die Waage da schon fertig mit quasseln. Also fängt das Spiel von vorne an! Manchmal verstehe ich die Waage nicht. Dann muß die Gustl auch noch mal darauf!«

Ich schmeiße nicht das Telefon, sondern mich weg! Köstlich! Und wenn sie sich erst bückt und dann auf die Waage steigt?`

»Haha! Hast du das einmal versucht? Das geht nicht! Da fällt sie um!«

Da bleibt nur die Variante übrig, erst den Telefonhörer neben die Waage zu legen und dann hinaufzusteigen.

»Soweit sind wir jetzt auch schon. Nach sechs geschlagenen Wochen. Aber eine Lösung ist das auch nicht. Eigentlich wollte ich ihr deine Waage vermachen. Du brauchst die ja sowieso nicht.«

Stimmt. Ich brauche sie nicht und traue mich nicht, seit 28 Jahren, sie wegzuschmeißen, weil sie ein Geschenk von Tantchen ist. Ein Geschenk, was ich bekommen habe, weil ich es sowieso nicht brauche. Prima.

»Aber, wie wir herausgefunden haben, eignet sie sich ja nicht für Gustls Ansprüche.«

Ansprüche ist gut. Man ist nicht zu fett, sondern hat nur andere Ansprüche.

»Eigentlich brauche ich nur eine Waage, die nur mehr oder weniger anzeigt. Kannst du mal im Internet gucken? Den Spaß würde ich mir auch was kosten lassen. Ich dachte da so an die zwanzig Euro. Das ist mir die Gustl wert.

Mehr oder weniger anzeigen? Was soll das sein?

»Na, der Gustl würde reichen, wenn sie wüßte, ob sie zu- oder abgenommen hat. Das genaue Gewicht darf ich ihr gar nicht verraten. Sie meint, daß würde sie zu sehr mitnehmen. Ich sage immer nur: mehr als heute früh, mehr als nach dem Mittagessen oder eben weniger als gestern Abend.«

Da brauche ich nicht im Internet suchen. Der Schrotthändler um die Ecke hat so ein Teil. Man hängt ein Gegengewicht, meist 200kg oder mehr, ein und knallt die Ladefläche mit alten Schrauben, Altmetall eben, voll. Der Zeiger bewegt sich nur, wenn man nahe an dem vorgegebenen Gewicht ist. Ich glaube, plus oder minus 20kg. Das müßte reichen. Die Skala ist in Augenhöhe und mit bloßen Augen, auch mit -20 Dioptrien, gut zu erkennen. Das Gegengewicht kann man ja abdecken, so das man nicht erkennt, wie viel es wiegt, wenn das die Gustl zu sehr mit nimmt. Einfach eine alte Socke darüber ziehen.

»Ich glaube, du läßt es etwas an der Ernsthaftigkeit bei der Lösung für Probleme älterer Menschen fehlen. Ich brauche etwas handliches und nicht eine halbe Schrottpresse! Du guckst jetzt sofort im Internet nach etwas brauchbaren und rufst mich in 2h zurück. Wenn du nichts findest, klingelst du den Schrotthändler an und fragst, was er für das Teil haben will und ob er es auch anliefert. Dann muß ich eben in den sauren Apfel beißen und ihr das Ding kaufen. Noch eine Woche halte ich das Theater nicht aus. Platz dafür hat sie sicher noch, wenn sie den Schrank aus dem Schlafzimmer neben dem im Korridor stellt. Das heißt, wenn du ihn dort hinstellst. Wann hast du morgen Zeit? Aber das müßte schon am Vormittag sein. Morgen ist Donnerstag, da halten wir nachmittags unser Kaffeekränzchen ab. Da hat die Gustl keine Zeit. Apropos Kränzchen: Der Bäcker bei dir hat doch solche leckeren Erdbeerschnittchen. Bringst du bitte 5 Stück davon, es können auch ein paar mehr sein, der Gustl mit, wenn du ihren Schrank umstellst? Dann haben wir gleich was Gutes zum Kaffee trinken. Und wenn du einmal beim Bäcker bist, gegenüber ist doch …«

Es gibt Tage, da nimmt man frisch geduscht den Telefonhörer ab, um ihn ein paar Stunden später …