Schön, daß du dich wieder gefangen hast. Das ist alles ein bißchen viel Neues für dich. Alles so auf einmal ... kann ich ja verstehen. Jetzt trink noch einen Kaffee! Dann geht es dir auch wieder besser.
Also, oben an der Skihütte zeigen die Teilnehmer den Grenzern ihren Pass und dann geht es ab über den Schmuggelweg zu uns ins Tal! Der Gunnar hat doch ein Herz für die Jugend! Da können die sich hier austoben und ihren Körper stählen! Da brauchen die nicht mehr nach der Schule rumhängen oder Amok laufen. Da können die für das Rennen trainieren! Da machen die mal was sinnvolles! International geht das ab!
National geht schlecht. Es werden sich zwar genug Begeisterte dafür finden, meint der Gunnar. Aber er braucht auch ein paar, die wirklich hier unten ankommen.
Solche Talente findest du nur international. Da wird das Auswahlverfahren für unsere Rallye hart für alle Beteiligten. Das Fernsehen kommt doch her!
Der Sportsender will 6 Kamerateams und den Ü-Wagen schicken. Jeweils ein Team am Start und am Ziel. Drei Teams auf der Strecke und einer im Rettungswagen. Sie rechnen fest damit, daß da einer verunglückt. Da wollen sie live dabei sein. Sie würden es ja niemanden wünschen: Aber ein toter Märtyrer würde sich für unseren Bekanntheitsgrad gut machen und die Region stärken.
Die Wettkampfsprache ist erzgebirgische Mundart. Dank dem Testament des alten Holzmichels, mit seiner Vereinheitlichung, ist da die Verständigung kein Problem. Es hat ja auch etwas vom englischen.
Und wenn später der teilnehmende Neger seinem Häuptling von unseren Rennen berichtet, ihm was vom Schnee erzählt und abschließend trällert: AAAAAAAAAAAArzgebirg wie biste schie ..., abends machen wir ja auch ein Kulturprogramm mit den Übriggebliebenen, werden wir hier in der letzten Wüste bekannt.
An dem Rennwochenende kommt endlich mal die Kaufkraft ins Tal. Die läuft zwar erstmal ins Leere, aber Dank unseres internationalen Ewands*, entdeckt der Häuptling in Afrika vielleicht seinen Bedarf an Räuchermännern und die Ägypter werden scharf auf Pyramiden, die sich auch drehen können. Das haben die ja da unten nicht. Da siedelt sich dann die Industrie im Tal an. Die schafft Arbeitsplätze! Mensch, dann rennen die uns im Museum die Bude ein. Wir dokumentieren ja auch die Heimatgeschichte. Da wollen sie es wissen: Wie es war, damals am schweren Anfang!
Ach, ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob das alles wirklich eine gute Idee ist. Um die Röhnradralley überhaupt finanzieren zu können, braucht der Gunnar doch wieder einen Fördertopf. Sponsoren bekommt der frühestens nach dem ersten Rennen und nur dann wenn alles gut gegangen ist.
Also gründen die schon wieder einen Verein. Der heißt nicht, wie du vermuten wirst, ›Verein zur Förderung der Röhnraddichte im Osterzgebirge‹ sondern ganz einfach: ›Sportverein 2007 e.V.‹ Da lassen sie sich erstmal alles offen und können sich, je nachdem was sich so ergibt, in die eine oder andere Richtung entwickeln.
Aber das ist alles noch Zukunftsmusik und wir fangen erstmal klein an. Wie du gesehen hast, habe ich unten einmal aufgeräumt und Platz für neue Exponate geschaffen.
Die holen wir uns mit dem Barkas von den alten Leuten ab. Damit die wissen, daß die auf dem Boden nach Zeug, was sie nicht mehr brauchen, suchen müssen, schalten wir bei dem Horsti eine kostenpflichtige Anzeige. Hier, guck dir mal den Entwurf, den mein Schwiegersohn gemacht hat, an. Dann sagst du mir, was dir daran nicht so gefällt und was du anders machen würdest. Ich hole mir dann noch ein paar andere Meinungen ein. Wenn sich ein paar mehr Leute mit Ideen einbringen, kann das nicht schaden. Wir wollen ja keinen Murks machen.
Im Gegenzug will der Horsti uns redaktionell erwähnen. Der Knallkopf tut so, als wenn das eine Ehre für uns wäre. Dabei weiß der doch schon lange nicht mehr, was er schreiben soll. Ist doch nichts los hier!
Die Klöppelwoche ist zwei Monate her und die Schnitzerspartakiade war vor einem halben Jahr. Die geben nichts mehr her zum berichten und über die Jahrhunderte Flut von 2002 kann er auch nichts mehr schreiben. Fünf Jahre hat der Horsti mit der Flutberichterstattung durchgehalten. Der wäre immer noch am tippen, wenn die ihn nicht in Hamburg gestoppt hätten. Auf und davon wäre der mit dem U-Boot! Der Horsti hat ja die Flut hier eingeführt, weil der nicht wußte, was er noch schreiben soll. Wenn die nicht gewesen wäre, hätte er den Eichhörnchen erst deutsch beigebracht und sie dann interviewt. Hat er selbst gesagt! Der meint natürlich nicht deutsch, sondern die erzgebirgische Mundart.
Unten im Tal hat der gesehen, wie eine Mülltonne im Bach lag, als die ersten Katastrophenmeldungen reinkamen. Die Tonne haben irgendwelche Halbstarke in den Bach geschmissen. Die muß dort gleich auf Grund gegangen sein. Das war so eine schwere DDR-Blechmülltonne. Die kommen nicht weit!
Über Nacht hat der die verschwinden lassen und von da ab darüber berichtet, was die Tonne so erlebt wenn sie hilflos vor sich hin treibt. Wie ihre Gefühle sind, wenn es erst den Bach runter geht und dann die Elbe lang bis hoch nach Hamburg. Besser: Was die Tonne so erlebt und gefühlt haben könnte!
So, ich muß mal kurz unterbrechen: Ich erzähl gleich weiter, aber wir müssen uns mal kurz um die Anzeige kümmern. Was sagst du nun dazu?
Bei: ›Wir suchen alte Gegenstände‹ willst du das ›suchen alte‹ richtig groß und fett machen? Damit das gleich ins Auge fällt? Schöne Idee. Ich faxe deinen Änderungswunsch gleich mal meinen Schwiegersohn. Der überarbeitet das gleich und faxt sie uns zurück, damit wir sehen können, wie es aussieht.
Schöner wäre es ja, wenn wir es gleich hier am PC selber machen könnten. Aber ohne Paßwort? Außerdem habe ich, ehrlich gesagt, keinen blassen Schimmer, wie das Ding funktioniert. Du auch nicht? Schöne Scheiße. Egal, wir kriegen das schon raus.
So weg ist sie.
Also der Horsti prahlte damals, daß er sich richtig in eine Mülltonne reinversetzen könne. Aber das ist kein Kunststück. Das können alle Zeitungsfritzen.
Dann hat der geschrieben und geschrieben! Was hat der sich ins Zeug gelegt! Die Elbe hoch und runter hat der recherchiert! Der Fördertopf hat gezahlt und gezahlt, weil die Elbe das immer noch geteilte Deutschland vereint und damit der Friedensstiftung, zwischen den alten und den neuen Bundesländern dient.
Wenn einer darüber schreibt.
Und der Horsti hat geschrieben! Dabei hat er die Zeit völlig außer acht gelassen. Da sind Napoleons Truppen übergesetzt, ein LPG Mähdrescher ist in den Fluß gerutscht, die Tonne hat bei der Bergung mitgeholfen und so weiter und so fort. Alles hinter einander weg. Man muß alles in historischen Dimensionen sehen, hat er gesagt. Es war ja auch eine Jahrhunderteflut.
Also ist der in Wittenberg dem Luther begegnet, wie der sich im Fluß die Hände gewaschen hat. Die hatte er sich an einer Kirchentür dreckig gemacht und der Tonne erzählt, wie es dazu gekommen ist.
In Magdeburg hat sie zugeschaut, wie der Otto von Guericke sein Experiment mit den Halbkugeln gemacht hat. Allgemeinwissen vermitteln wolle der Horsti! Hat er gesagt. Wenn das jemand gelesen hätte, würde derjenige jetzt wissen, daß Leuten mit einem Vakuum im Kopf nicht beizukommen ist.
Das waren jetzt nur ein paar Beispiele von vielen. Mensch! Fünf Jahre hat der das getrieben!
Wie gesagt: In Hamburg war dann Zick. Als der mit dem U-Boot über den Skagerrak nach Narvik wollte, weil die Tonne dort noch deutschen Müll vermutet, den sie begleichen wollte, haben sie die Reißleine gezogen und ihn den Geldhahn zugedreht.
Wahrscheinlich waren die sauer weil die Tonne vorher in Hamburg den Teddy, also den Kommunistenführer Ernst Thälmann besuchen war, zu einer Zeit als der noch nicht so sauer auf Stalin war. Überhaupt ist denen in die Nase gestoßen, daß der Horsti nicht wie gedacht, in der Gegenwart zwischen Ost und West vermittelt, sondern sie vollständig außer acht gelassen hat. Naja, der Horsti weiß eben, was wirklich wichtig ist.
Also hat der Horsti die Tonne dort stranden lassen und seit dem steht sie anonym in irgendeiner Altmetallhandlung. Dort wartet sie auf ein neues Leben. Welches, wisse er noch nicht und den genauen Standort hält er geheim, damit die Leute dort nicht hinpilgern. Dabei steht die bei ihm im Schuppen.
Schade, daß das kaum einer gelesen hat. Ich habe es mir ja auch nur vom Horsti ab und zu erzählen lassen. Immer mußte ich dem versprechen, daß ich alles mal durcharbeiten werde. Bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen. Das hat den Horsti schon ein wenig gekränkt. Deshalb bezahlen wir auch die irre Kohle für die Anzeige, um den Horsti milde zu stimmen.
Eigentlich ist das schade, daß den kaum einer liest. Der gibt sich so eine Mühe! Aber wenn du Interesse hast und ein wenig Luft ist bei der Arbeit: Alle Ausgaben der Zeitung hab ich archiviert. Die liegen sicher unten im Keller.
So, die Anzeige. Eigentlich ist die ein bißchen sinnlos. Wenn keiner in Horstis Zeitung guckt, sieht auch keiner unsere Anzeige und keiner liest den Artikel über uns. Egal, die Hoffung stirbt zuletzt und irgendwas müssen wir schließlich machen. Nicht das es wieder so ein Reinfall wird wie im vorigen Jahr. Da hab ich eine ähnliche Aktion gestartet.
Keiner hat angerufen...
Ach, du wirst sehen: Das wird schon ein toller Erfolg.
Früh kommen wir her. Da klingelt das Telefon. Daran hängt einer alter Mensch, der sagt: Du beim Horsti im Blatt habe ich gelesen, daß ihr noch altes Zeug sucht. Vielleicht habe ich ja was für euch...
Dann schnappen wir uns den Barkas und fahren los. Erstmal zum Karli frühstücken. Wenn wir dort einen Kaffee kaufen, hat der nichts dagegen, wenn wir uns die Schnitten mitbringen. Sonst könnten wir uns auch nicht jeden Tag dort ein Frühstück leisten. Ist klar.
Dann fahren wir zu dem Anrufer und lassen uns seine Schätze zeigen. Vielleicht ist ja der Klöppelsack von Barbara Uthmann mit dabei? Das war diejenige, die das Klöppeln hier bekannt gemacht hat. Auf den bin ich ganz scharf! Die hat zwar als Verlegerin für Klöppelmuster gearbeitet aber so einen Sack wird die schon zu Hause gehabt haben. Der Sage nach konnte der von alleine klöppeln. Was natürlich Quatsch ist. Aber ich als Bastler und Pfriemler werde den dann schon ein bißchen zum zappeln bringen. Warum muß ich dir ja nicht mehr erklären.
Das wird ein Leben! Wenn wir beide dann früh mit dem Barkas ...
Horch mal: Das Faxgerät piept! Das ist mein Schwiegersohn mit der Änderung. Fix ist der ja. Im Bett leider auch, meint meine Tochter.
Da wollen wir mal gucken, wie es ausschaut.
Hm, ›suchen alte‹ ... Das fällt richtig ins Auge. Aber nein! Das können wir nicht machen. Wenn die das im Altersheim lesen oder meiner Frau fällt das in die Hände! Nein, da bekomme ich Ärger.
Aber schön, daß du dich mit in die Sache eingebracht hast. Das war schon wichtig für Dich: Das Gefühl zu bekommen gebraucht zu werden.
So Schluß für heute. Feierabend! Für heute haben wir uns genug geschunden. Ich gehe mir jetzt noch ein paar Meinungen zur Anzeige einholen, dann sehen wir weiter. Bis Morgen! Komm gut nach Hause!
Jetzt hat der wieder eine gesunde Farbe im Gesicht! Warum denn nicht gleich so?
Ach so: Wenn du jetzt denkst, daß ich ein bißchen viel quatsche, hast du recht. Aber macht dir mal keine Sorgen. In einer Woche hast du dich daran gewöhnt. Dann hörst du mich gar nicht mehr. Und bis dahin habe ich dich schon genau in unsere Arbeit eingewiesen.«
7 Tage später:
Fortsetzung folgt ...
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