Ehrlich, der Laden geht mir langsam auf den Keks. Ich würde schon ganz gern mal wieder über etwas anderes berichten, als über den neueröffneten Edeka in Dresden-Cotta, aber irgendwie gelingt mir das noch nicht. Aber ich bin zuversichtlich. Jeder Laden geht früher oder später pleite, wird umbenannt, einer neuen Bestimmung zugeführt oder schlicht wieder abgerissen. Das schreibt zumindest das Wolfsgesetz des Kapitalismus und dessen Durchführungsbestimmung über die soziale Marktwirtschaft so vor. Da wird es für mich als Hofberichterstatter nicht langweilig, und zwischendurch bleibt noch Platz für das Eine oder Andere.
Hofberichterstatter ist ein gutes Stichwort. Damit wären wir beim Hofbrauhaus zu Dresden. Heute früh wollte ich dem Geheimnis, des in der Kaufhalle feilgebotenen, und letztens ausverkauften Bieres, auf den Grund gehen und so eine Buddel erbeuten. Schon am Fußgängerübergang an der Warthaer Straße hätte ich wieder umdrehen können. Der Typ vor mir entsprach vollkommen allen in meiner Erwartungsbibliothek vorhandenen Informationen über konsequente erfolglose Unterfangen. Sein Einkaufswagen stammt aus einer Zeit, wo er selbst wahrscheinlich noch als niedlich galt, und mit dem er zum Buddelkasten gezogen ist. Über die Jahre ist der Wagen dann sein einziger Begleiter, seine feste, rollende Größe auf seinem Lebensweg geblieben. Mit dem Teil hat er den Umzug vom Hotel Mutti in seine Junggesellenbude gemeistert und heute geht er damit einkaufen und sein Leergut wegschaffen. Die Beutel dazu sehen zwar aus, als wäre Karl der Große damit schon einkaufen gewesen, aber sie stammen aus der Zeit, als im Diska noch ein Plus Markt war. Ersteren gibts hier nun auch nicht mehr, also muß er in den Edeka. Auf dem Bild ist auch schön der unbedingte Reflex zu sehen, der passiert, wenn solche Mannen an einer roten Ampel, an der Kneipentheke oder an einer Haltestelle warten müssen: Wie unter Zwang wird eine Zigarette aus der Brusttasche herausgefummelt und angezündet. Die haben selbst auf T-Shirts, oder besser auf ihren Nickis, so eine unelegante Tasche, in die sie ihre Kippenschachtel reinquetschen können. Eine Ausnahme bilden ihre Feinrippunterhemden. Da werden die Zigaretten in der Turnhose versenkt oder in den Hosenbund geschoben.
Dann wird die sogenannte Wartepose eingenommen. In der linken Hand klebt die Kippe, und die rechte ruht auf dem Wichtigen im Leben – der ganze Körper signalisiert die Bereitschaft zum sofortigen Handeln. In dem Fall, das sofortige, zielgerichtete Überqueren der Straße. Ob ihm dies gelungen ist, weiß ich nicht. Meine Reaktion auf das Umschalten der Ampel erfolgte schneller, so daß ich ihn, ohne ihn umzuschubsen, überholen und ihm dabei meine Kippe vor die Füße schmeißen konnte.
Am Konsum-Tempel angelangt, mußte ich erstmal den neuen Schilderwald sichten. Das kann mitunter wichtig sein. Wenn zum Beispiel da steht: Wir räumen für sie um! Kann man getrost wieder umkehren oder den Rest der Tagesplanung ad Acta legen. Drin herrscht das Chaos, man findet nichts, und die Verkäuferinnen starren einen an, als würde man mit einer Schrotflinte bewaffnet Amok laufen. Vielleicht deshalb, weil sie selbst kurz davor sind. Wie dem auch sei. Post Modern scheint neue Briefkästen zu haben. Zumindest steht neben dem Hinweisschild einer. Die alten haben mir besser gefallen. Aber wie jeder Kunde, so weiß auch ich, daß es nicht nach mir geht.
Der Fehrmann-Bäcker bleibt also am Mittwoch und am Donnerstag geschlossen. Ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich war bei ihm noch nicht einkaufen.
Er hat auch größeres vor, als kleine Brötchen zu backen. Das sieht mir nach einem Café aus, was auch Sonntags zu Kaffee und Kuchen einlädt. Das wird dem Café-West auf der Warthaer Straße nicht entgangen sein, denn es hat die Segel gestrichen und somit seinen Schankbetrieb für beendet erklärt. Am 21. und am 22. Mai wird dann die Eröffnungsparty des Hofbrauhaus-Fehrmann-Bäcker-Cafés zu Dresden sein. Sicher, wie beim Edeka, mit einer flotten Sause und einem erhöhten Maskottchenaufkommen. Ob Bernd das Brot sich dabei die Ehre geben wird, wage ich zu bezweifeln.
So so, ein netter kleiner Streik im Edeka-Lager. Da erkläre ich mich doch solidarisch. Schon deshalb, weil es nicht so schnell zu Fehlartikeln kommen wird. Die Regale sind bis zur Oberkante vollgeknallt und ich habe keine Ahnung, wer das alles kaufen soll. Falls doch etwas leergeräumt sein sollte – um die Ecke wartet schon der Kollege Lidl. Der hat seine Truppenteile fester im Griff oder unter der Knute. Dort wird garantiert nicht gestreikt, und so die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet.
Womit wir wieder beim Bier wären. Die Betonung liegt auf wären, denn ich sah nur zwei leere Kästen und ein Preisschild am Hofbraubrunnen. Aus dem Off hörte ich eine Stimme: Man hätte nicht mit so einem Ansturm auf das Bier gerechnet und es wäre, nach nicht mal einen Tag, schon wieder ausverkauft. Na toll! Der Mann an der Ampel ist vermutlich dafür verantwortlich. Ich hätte es wissen müssen.
Tatsächlich. Die Bierkühle ist gähnend leer. Aber wieso hat die Flasche darauf so einen komischen Verschluß? Das waren doch mal Kronenkorken und DDR-Pfandflaschen? Und wieso steht da Zwickel drauf? Ist das nicht ein schnelles Einfachbier? Was man fix braut, fix verkauft und fix wegschüttet?
Aus Recherchegründen werde ich den Edeka wohl noch einmal heimsuchen müssen. Womöglich brauen die hier wirklich selbst. Dem Kapitalisten ist ja alles zuzutrauen. Auch, daß er als Startkapital 20 leere Kästen sein Eigen nennt. Obwohl selbst die geleast sein können.
Unverrichteter Dinge verbleibe ich nun mit einem schicken Photo von der Startrampe zur Araltankstelle und einem von den modernisierten Abfahrtshinweisschildern. Bei letzterem haben die sich so eine Mühe gegeben, daß man direkt ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken bekommt, nicht die Autobahn und 5 Stunden Fahrt zu brauchen, um wieder nach Hause zu kommen.
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