Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Freitag, 8. April 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 7 (1. von 5)


geschrieben im Jahr des Herrn 2008

Großstadtdschungel, die selbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf fünf brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, und ein halbvoller Aschenbecher.
Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter, freundschaftlicher Abend werden.
Sie schaut aus dem Fenster, und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, wo bleibt der Frühling? Erst gab es keinen Winter, nur Regen, dann schneit es zu Ostern und nun regnet es wieder! Was soll das? Die spinnen doch! Wie du mit deiner Suppe! Seit September kriege ich hier nur noch Kürbissuppe! Jede Woche dasselbe! Dazu kommt, daß sie so schmeckt, wie ich sie kenne! Logisch! Die Rezepte sind ja von mir! Den Zucchini kann ich auch nicht mehr sehen! Igitt!«

»Ach? Kürbissuppe wäre doch lecker? Wenn man sie richtig zubereitet? Nach deinen Rezepten? Hast du selbst gesagt! Und wer hat den Zucchini mit angeschleppt? Du! Also löffle die Suppe auch aus, die du dir eingeschnippelt hast!«

»War klar! Der Herr hat, damit er nicht verhungert, noch eine Sicherheitsbockwurst im Kühlschrank! Wenn ich weg bin, kommt die dran! Das alles erinnert mich komischerweise an die Aleksa. Suppe auslöffeln, immer dasselbe und die geheime Sicherheitsbockwurst!«

»Aleksa? Ewig nicht gesehen. Gibts da etwas Neues? Schwanger wird sie ja kaum sein. Da bleibt nicht viel …«

»Sie heiratet!«

»Ach du Scheiße! Wen denn?«

»Na wen wohl? Machst du Witze? Natürlich den, wegen dem sie ins Fitti gerannt ist! Sie ist über dreißig! Die hat nicht mehr viel Zeit! Was soll sie da noch lange rumsuchen?«

»So gesehen – hast du natürlich recht. Aber warum gleich heiraten? Muß sie etwa? Ist sie wirklich schwanger? Von ihm oder der Sicherheitsbockwurst? Wie heißt der denn? Was ist das für ein Kerl?«

»Blödmann! Warum sie heiratet, weiß ich auch nicht. Schwanger ist sie jedenfalls nicht. Wie auch? Von was? Ob sie sich nebenbei noch spaßeshalber einen Kerl hält, weiß ich auch nicht. Mensch, ich habe sie nur kurz im Erotic-Sh…, äh beim Frisör getroffen. Sie mußte da auch dringend weg, und hatte keine Zeit für einen längeren Plausch.«

»Beim Frisör? Wenn ich dich so ansehe, muß euer Treffen über ein Jahr her sein! Oder hat der jetzt vertierte HARTZ IV Frisuren im Angebot?«

»Du Arsch! Setz endlich deine Brille auf! Oder ich verpasse dir eine Kürbissuppengesichtsmaske auf Zucchinigrundlage!«

»Reg dich nicht auf! Die Tiefkühltruhe habe ich gestern leergemacht. Das Frostgemüse ist in der Mülltonne gelandet. Nächste Woche gibt es wieder etwas ordentliches zum Essen. Keine Bockwurst. Gut siehst du aus. Warst du beim Frisör?«

»Du Schleimkeim! Das gibts doch gar nicht! Immer tust du so, als wären wir schon zwanzig Jahre verheiratet! Ich werde nie heiraten! Dich schon gar nicht! Ich bin doch nicht so blöd, wie die Aleksa!«

»Die Aleksa ist nicht blöd. Deswegen heiratet sie ja nicht mich, sondern ihren Heini. Und warum sie das tut, ist mir jetzt auch klar.«

»Klar wie Kloßbrühe. Auf deine Erklärung bin ich jetzt gespannt. Hast du noch Wein da?«

»Ja, du weißt doch, wo er steht. Obwohl mir jetzt eher nach Wodka wäre. Oder Absinth. Ich fasse es nicht! Die Aleksa heiratet! Die spinnt! Wie immer! Wenn ich die zwischen die Finger bekomme! Da sollte sie sich warm anziehen!«

»Zwischen den Fingern hattest du sie schon. Hättest du mal ganze Arbeit geleistet, würde sie jetzt nicht heiraten. Gib mal dein Glas rüber!«

»Ach …, zwischen den Fingern ist gut. Das ist eine ganz alte Geschichte und diese ist schon lange verjährt. Wie die Aleksa. Über dreißig ist die Frau! Wie schnell die Zeit vergeht –. Wann heiratet sie denn? Gib mir gleich die ganze Flasche!«

»Alter Suffkopp! Das hilft auch nicht mehr! Am liebsten hätte sie im Frühling geheiratet. Da der eh nicht zu kommen scheint, wäre sie mit einem Termin im Sommer, am liebsten am 8.8.08, auch zufrieden gewesen. Nur ist auf dem Standesamt alles bis Ende Oktober ausgebucht. Also muß sie im November heiraten.«

»Zum Totensonntag womöglich? Der Spartag für schnell Entschlossene zum letzten Versuch? Soviel wie ich weiß, macht es da das Standesamt zum halben Preis und ein Termin ist immer zu bekommen. Wäre die Aleksa, oder ihr Macker, privat und nicht gesetzlich krankenversichert, würde sie nächste Woche einen Termin bekommen. Ich bin privat versichert! Warum bringst du immer nur eine Flasche Wein mit?«

»Ha-ha! Totensonntag! Du Spinner! Und wieso soll ich immer den Wein holen? Wir sind nicht verheiratet! Und jetzt gib mir die Flasche zurück. Die Kerzen sind auch runtergebrannt. Hast du noch welche da?«

»Wenn du mir versprichst sie auch in die Kerzenhalter zu stecken – im rechten Schieber.«

»Wo sollte ich sie denn sonst …? So sexuell frustriert bin ich nun auch wieder nicht.«

»Hätte sexuelle Frustration ein eigenes Gewicht, wäre schon manches Wohnhaus unter dieser Last zusammengebrochen. Deines zum Beispiel. Halt die Kerze gerade! Du kleckerst mir doch alles voll.«

»Das hat sie wahrscheinlich auch. Deshalb steht mein Haus ja auch noch und deins ist voller Risse. Ach Kleckerkram! Warum heiratet die Aleksa deiner Meinung nach nun? Erklärung!«

»Weil sie eigentlich gar nicht heiraten will.«

»Hä? Was? Du machst mich alle! Jetzt rede endlich!«

»Es ist doch ganz einfach. So, wie ich die Aleksa kenne, hat die gar keine Lust auf Familie, Kind und Kegel und so einen Kram. Aber alle Welt erwartet von ihr, als Frau, eine Familiengründung. Die wird erdrückt von der Erwartungshaltung ihrer Verwandten. Eine Familie ist doch so etwas schönes und das normalste von der Welt! Das gehört sich einfach. Dabei gibt es nur Mord und Todschlag quer durch ihre standesamtlich verbandelte Verwandschaft. Aber die kennen nichts anderes und halten verschiedene Straftatsbestandteile für Liebe. Freiheitsberaubung, Nötigung, Betrug, Erpressung und Unzucht mit Abhängigen. Das nur bestenfalls.
Die sind alle so etwas von glücklich und möchten unbedingt, daß die Aleksa das auch wird. Schließlich gehört sie zur Familie. Da steht man für einander ein und denen ist dabei auch jedes Mittel recht. Allen voran stürmt ihre Keifschwester. Natürlich verheiratet. Und das natürlich glücklich. Mit liebevollen aufgeweckten Kindern. Das können dir alle bestätigen. Angefangen beim Dorfsheriff bis hin zu Ihrer Kinderpsychologin.
Diese Giftnudel – du, die putzt sich die Zähne mit Zyankali und sie nimmt gegen Verdauungsbeschwerden Strychnin – bohrt schon seit Jahren in der Aleksa rum. Warum sie noch nichts Festes hätte? So schlecht sähe sie doch gar nicht aus! Ob bei ihr alles normal ist? Ob sie schon mal beim Arzt war? Das sie langsam mal zu Potte kommen muß. Sie würde bald dreißig werden. Da wäre das brauchbare männliche Material schon vergeben. Glücklich natürlich! Und so weiter ... Du kennst ja die Litanei.«

»Ja, warte mal. Ich gehe Wein holen. Wieviel Flaschen? Hast du Absinth da? Oder Wodka?«

»Gut, beeile dich! Zwei Flaschen! Leider nein! Nimm bitte den Aschenbecher zum Ausleeren mit.«

»Dein Mülleimer ist voll! Hast du nicht noch einen anderen Ascher? Wo ist der Korkenzieher?«

»Dann nehmen wir die Vase hier. Die tut es auch und den Korkenzieher habe ich. Gib mir mal eine Pulle rüber!«

»Welche? Also jetzt ist sie dreißig ...«

»Über dreißig! Und noch nicht verheiratet! Gib mir einfach alle beide Flaschen, damit ich sie aufmachen kann.«

»Dann eben über dreißig! Mein Gott! Quatsch weiter!«

»Sie ist also über dreißig und nicht verheiratet. Das ganze Dorf zerfetzt sich das Maul über sie. Das sie dabei auch noch kinderlos geblieben ist, kommt erschwerend dazu.
Da kann doch etwas nicht stimmen!
Verheiratet zu sein, und keine Kinder zu haben, erregt nur Mitleid. Aber ledig, balglos und über dreißig? Gibt es nicht! Nicht auf dem Dorf. Wenn man mit über dreißig noch kinderlos ist, bedeutet das, im gesundem Volksempfinden, daß nicht mal der letzte Dorftrottel zum Zuge gekommen ist. Der Zug für sie also abgefahren ist. Das wirft kein gutes Licht auf die ganze Familie, sondern einen dunklen Schatten, den die Dorfgemeinschaft, bei allen sich bietenden Gelegenheiten, wie Kirmes, Arztbesuch, Plausch über den Gartenzaun usw. durch gezielte höhnische Fragen, erhellen möchte. Fragen, die eine Entschuldigung für Aleksas abartiges Verhalten fordern.
Das nervt! Dieser Demütigung kann ihre Familie nur entgehen, wenn sich Aleksa ergebnisorientiert paart oder zumindest heiratet.«

»Die Aleksa wohnt schon lange nicht mehr auf ihrem Dorf, und ihre Familie ist ihr ziemlich schnuppe.«

»Richtig. Aber selbst die Stadt besteht nur aus Dörfern, und Aleksa ist nunmal schon über dreißig!«

»Du machst mich alle, mit deinem ›über dreißig‹! Ich bin Anfang dreißig! Und? Wenn ich mal heirate, dann nicht weil mir meine Familie tierisch auf den Geist geht, sondern weil ich es als ein sehr romantisches Symbol sehe, zu zeigen, daß man zueinander gehört, und sich die ewige Treue verspricht.«

»Genau wie die Aleksa. Die ist sich wahrscheinlich auch nicht mehr sicher, ob der Knabe noch zu ihr gehört. Deshalb läßt sie sich sein Versprechen gleich mal amtlich beglaubigen. Versprochen hat er bestimmt schon viel …«

»Naja, sie meinte, daß langsam mal was passieren mußte …«

»Also hat sie, um ein wenig Schwung in ihre Beziehung zu bringen, die Hochzeit eingeleitet. Clever die Frau! Mit der Heirat gilt sie im Dorf und bei ihrer Familie wieder als geheilt, es ändert sich auch nichts, sie kann ihr Leben weiterverwuseln wie bisher und die Sicherheitsbockwurst ist ja auch noch am Start.«

»Das ist doch Quatsch! Wenn sich eh nichts ändern soll, brauch sie ja nicht ihren Heini heiraten! Warum nimmt sie dann nicht gleich die Bockwurst? Falls es die, besser den, überhaupt gibt? Da gibts vielleicht später auch ein Kind?«

»Weißt du, ob der will? Vielleicht ist er ja selber schon verheiratet, hat massenhaft Kinder aber keinen Sex? Du hast selber gesagt, daß die Aleksa in ihrem Alter nicht mehr ewig Zeit hat, um nach Heiratskandidaten zu suchen. Also nimmt sie den, den sie schon ausprobieren konnte. Da weiß sie, was sie hat und was nicht.«

»Du bist krank. Total. Mach mal die nächste Pulle auf!«

»Wenn du noch eine holst?!«

»Gib mal schnell den Öffner! Aber du wirst sehen: Ich heirate aus Liebe!«

»Ach auf einmal? Ich denke, du heiratest nie?«

»In einem wunderschönen, cremefarben Kleid! Mit einem dezenten Schleier!«

»Das wirst du auch müssen! Das Bundesamt für Umweltschutz hat vor zehn Jahren erlassen, daß Frauen über dreißig einen Schleier bei der Trauung tragen müssen, und ihre Hochzeitkleider nicht weiß sein dürfen, weil sie ja selber nicht mehr so frisch sind. Der Verbraucherschutz steht wie ein Mann hinter der Verordnung, und es gibt verschärfte Kontrollen, mit hohen Bußgeldern bei Nichteinhaltung!«

»Du! Du! Du bist … ach egal. Und zum Standesamt fahren wir mit einem gemieteten Oldtimer. Ich habe im Internet schon mal nachgeschaut. Da gibts, ganz preisgünstig, so einen kleinen rundgelutschten Mercedes. Niedlich sag ich dir!«

»Eine Isetta? War die nicht von VW? Egal, wenn ihr dann rückzu die Döner-Allee mit 90 km/h runterbrettert, gibt es gleich preisgünstig die Hochzeitsbilder dazu. Der Blitzer dort arbeitet rund um die Uhr!«

»Hast du irgendwann in deinem Leben, ich betone: Einmal! Einen konstruktiven Beitrag abgegeben? Von dir kommt nur Gülle! Nichts als Knete! Null! Nichts! Zero!«

»Nö! Aber ich kann es ja einmal versuchen: Möchtest du noch Wein?«

»Ja, verdammt!«

»Wenn du welchen holst?«

»Ornee, du Arsch! Ich könnte dich ...«

»Rege dich ab. Ich habe noch eine Flasche hier. Eigentlich ist es schade, daß wir beide nicht verheiratet sind.«

»Rück die Pulle raus!«

»Dann würden uns alle dafür bewundern, wie offen, ehrlich, direkt und vor allem: Wie herzlich wir in unserer Ehe miteinander umgehen.«

»Wieviel Jahre an Lebenserwartung habe ich dank deiner Gegenwart eigentlich schon vergeigt?«

»Keine Ahnung. Aber ich tue, was ich kann und gebe mein Bestes! Das weißt du doch! Vertrau mir! Dein Telefon …«

»Klingelt nicht. Der Organizer erinnert mich nur daran die Pille zu nehmen.«

»Ja, ich habe es lange nicht gehört. War das nicht immer 21.30 Uhr? Wieso jetzt 22.00 Uhr? Ist das ein Kompromiß zwischen Sommer- und Winterzeit?
Und überhaupt! Was ist los mit euch Weibern? Du weißt genau, daß du nie heiraten wirst! Du hast aber deine Hochzeit schon minutiös geplant und durchrecherchiert. Beide wollt ihr unbedingt ein Kind! Aber du nimmst die Pille und die Aleksa heiratet gleich, um garantiert keines zu bekommen. Dabei habt ihr beide keinen Sex! Laß mich raten: Als du die Aleksa das letzte mal gesehen hast, wollte sie dringend weg! Hast du gesagt! Sie sah aus, wie ein Junkie auf Entzug, stimmts?«

»Naja, schon eher etwas gehetzt. Sie hatte ja gerade die frischen Brötchen eingepackt und wollte rechtzeitig zur Frühstückspause wieder auf Arbeit sein.«

»Ach? Seit wann gibts beim Frisör frische Brötchen? Bei der Porno-Gerda seit ihr euch über den Weg gelaufen! In ihrem Spielzeugladen! Nachschub ordern! Und das am frühen Morgen! Aber nun weiß ich, daß die Aleksa nicht mehr ins Fitti rennt.«

»Das ist gar nicht wahr! Kein Nachschub! Die Aleksa hat zu Weihnachten den selben Vibrator von ihrem Heini geschenkt bekommen, wie ich von meinem! Die Herstellerfirma hat eine Rückrufaktion gestartet! Also mußten wir da hin! Und es stimmt! Die Aleksa geht nicht mehr ins Fitti! Sie meint, daß dort irgendwie die Luft raus ist und es keinen Spaß mehr macht.«

»Dort ist nicht die Luft raus, sondern der letzte männliche Trainer ist in Rente gegangen. Unkomplizierter Sex mit Teilnehmerinnen gilt in jedem Fitti, was etwas auf sich hält, als Serviceleistung und ist in der Teilnehmergebühr mit inbegriffen. Was soll sie dann dort noch? Da muß sie eben auf den Vibrator und zur Rückrufaktion zurückgreifen.
Ist die Pulle schon alle?«

»Ja, ich hole gleich noch eine Flasche. Also gibt es auch keine Sicherheitsbockwurst für sie? So spaßeshalber?«

»Nein, die Aleksa ist da scheinbar sehr konservativ und nimmt doch den gutbürgerlichen Weg.«

»Den was? Flaschenöffner?«

»Gib mir lieber die Flasche. Bei euch Frauen weiß ich ja nun, daß ihr alles unternehmt nur damit keine Änderung eintritt. In dieser Situation möchte ich aber eine Änderung herbeiführen. Sprich die Flasche öffnen. Also her damit!«

»Den was? Den gutbürgerlichen Weg?«

»Gib mir mal dein Glas rüber! Ja, den gutbürgerlichen Weg. Seine Tradition reicht bis in das Mittelalter zurück, und wird seit dem in jeder guten Familie auf das heftigste gepflegt. Das Prinzip ist ganz einfach: Erst kommt die Pflicht, also die Heirat, dann die Kür, das wäre die Affaire oder wie Realisten es gern bezeichnen: KGVMSWP.«

»KaaGeeWas?«

»Konspirativer Geschlechtsverkehr mit ständig wechselnden Partnern. Unter Pragmatisten wird er auch Seitensprung genannt. Warum nimmst du eigentlich die Pille, wenn du eh keinen Sex hast?«

»Die Hoffnung stirbt zuletzt! Manchmal ist er ja auch ganz willig. Wenn er bowlen war oder nach der Vertreterversammlung. Aber ich weiß nicht so recht – richtig geklappt hat es dann ja bei ihm auch nicht. Umsonst schenkt er mir ja nicht so ein teures Teil.
Manchmal ist er ja ganz einfühlsam.
Er ist aus unzerstörbaren High-Tech Kunststoff. Den Vibrator meine ich. Das Material benutzt angeblich die NASA bei ihren Space-Shuttle als Hitzeschild. Das Teil ist wasserdicht bis hundert Meter unter Normalnull! Mit Docking-Station! Und über das Laptop via USB-Schnittstelle programmierbar! Du gibst, je nach Anlaß, einen oder mehrere Musiktitel ein und die Software generiert dem Chip im Spaßteil ein Vibrationsmuster. Letztens habe ich die ›kleine Nachtmusik‹ mit der ›Nußknackersuite‹ und dem ›armenischen Säbeltanz‹ kombiniert. HALLELULJA! Aber die Erfüllung ist es auch nicht. Und ein Kind? Mit Ihm? Ich weiß nicht …«

»Da bleibt dir eigentlich auch nur eine Sicherheitsbockwurst.«

»Ach, ich lerne doch keinen kennen. Wo denn? Auf Arbeit? Vergiß es! Und sonst? Wenn ich mal weggehe, dann mit meinem Heini. Da gehen wir schick essen und das war es dann auch schon.«

»Bleibt das Fitti.«

»Da war ich doch schon. Vergiß es! Die ausgelaugten Heinis bringen es nicht mehr. Außerdem haben die alle den dreihundertersten Offenbarungseid am Hals. Das Jugendamt will schließlich seine Unterhaltsvorschußzahlungen für jedes von ihnen gezeugte Kind zurückhaben. Das geht den Jugendämtern inzwischen an die Existenz. Die sind pleite und müssen zu machen, wenn sie nicht die Berufsgruppe der Fitnesstrainer bald verbieten lassen. Die Fittfische haben auch unmögliche Arbeitszeiten, genau wie mein Heini. Wo ist da der Unterschied? Finanziell am Ende ist mein Heini noch nicht ganz – es besteht Hoffnung – und bei ihm weiß ich ja was ich habe, oder besser: was nicht. Ich bin über dreißig und was soll ich da noch groß rumsuchen. Also bleibt mir nur die Pille.«

»Und kein Kind.«

»Im Moment zumindest nicht. Mein Heini ist nie zu Hause und bei mir auf Arbeit sieht es auch mau aus. Ich habe keine Ahnung, ob der Laden noch lange läuft. Der Audi, für das geschaffte Abi von der Tochter des Chefs, hat ein Riesenloch in die Kasse gesprengt. Wenn der pleite geht, stehe ich ohne Arbeit da. Da können wir uns kein Kind leisten. Ein Kind braucht doch ordentliche Eltern, die Arbeit haben und immer für sie da sind!«

»Erzähl das mal den Stadtteilbonobos vom Kiosk gegenüber. Die leben nach dem dualen Prinzip. Da gibt es strenge Regeln, die nur zwei Verhaltensmuster zulassen: Saufen und Kinder zeugen. Was da manchmal los ist! Erst gestern hat mir in der Kaufhalle so ein halbverwahrlostes Kind auf die Hose gekotzt.«

»Kinder kotzen nun mal ab und zu.«

»Ja. Besonders wenn man sie verkehrt herum hält, und sie ihren Erzeugern beim Einkaufen zuschauen müssen. Willst du los?«

»Ja, es ist schon spät. Diese Katze in deinem Hof geht mir auch tierisch auf den Senkel. Ich bekomme Kopfschmerzen von dem Gejaule! Bei mir zu Hause läuft auch so ein Vieh rum. Seit über einem Monat habe ich keine ruhige Nacht mehr wegen ihr.«

»Das da unten ist dein Kater. Nicht kastriert und im Frühlingsfieber.«

»Quatsch, ich besitze keine Katze.«

»Kater, es ist ein Kater. Der ist nur hier wenn du mich besuchst. Er heißt Fox.«

»Ich besitze auch keinen Kater!«

»Aber er würde dich gern besitzen. Deine erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit hat deinen Körper dazu veranlaßt, ein Breitbandpheromon auszuströmen, was sogar Katzen anspricht. Oder besser: In den Wahnsinn treibt. Und genau deshalb wirst du auch nie heiraten. Männer, die du kennenlernen kannst und die dich mögen müssen, kommen eh nicht gegen den Kater an.«

»Sadist!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen …

2 Kommentare:

  1. Bei Kaminer hieß diese Art von Dialog »Mitternachtstalk mit Alkohol«. Trifft es wohl perfekt...

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  2. Ja, nur mit viel Alkohol. Was die beiden so in sich reinschütten ... unglaublich. *g*

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