Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Donnerstag, 28. April 2011

Friedhofsbummel – ein Lagebericht


Das Wetter war nicht das, was ich mir für mein Vorhaben gewünscht habe. Der Himmel hing zwar schlaff, grau und nass, wie ein ungebleichtes, 300 Jahre altes Leichenhemd zwischen den Bäumen, aber es war nicht das typische Beerdigungswetter, wie man es aus alten, englischen Schwarz/Weiß-Filmen her kennt. Es war auch nicht das kalte, graue Novemberwetter, bei dem man gewöhnlich Leichen im Stadtpark findet. Es hatte etwas von Beiden, war aber dem Leben zugewandter gestimmt. Das lag schlicht daran, daß wir Frühling haben und die Natur nunmal erwacht. Das macht sie auch auf einen Gottesacker, und sie ist die Einzige, die das tut ohne Angst und Schrecken zu verbreiten.

Die Idee für meine Exkursion stammt aus einem benachbarten – schräg gegenüber – Blog, dessen Inhaber gern auf bedeutenden Friedhöfen lustwandelt und dabei schöne Photos von schönen Gräbern macht. Die Ästhetik des Todes, des Dahinsiechens oder des plötzlich und unerwarteten Verbleichens – bzw. das, was die Hinterbliebenen und die Friedhofsverwaltung daraus machen – übt auch auf mich eine gewisse Faszination aus und so beschloß ich den Neuen Annenfriedhof, der bereits im besagten Blog eine lobende Erwähnung fand, zu besuchen.

Den Tod hatte ich auch lange nicht vor Augen – die letzte Beerdigung der ich beiwohnen mußte, ist schon etwas länger her und sie war auch völlig unspektakulär – und so machte ich mich, trotz des etwas unangepaßten Wetters, heute früh auf den Weg, um seinen Spuren zu folgen.

Sicher gibt es Dinge, die einem wichtiger erscheinen mögen, als am frühen Vormittag sich in die Schar der Rentner zu fügen, die mit Graberde, Grabgabelchen und Planztöpfchen voller Stiefmütterchen zu den Grabfeldern pilgern, aber wer weiß schon, wann ich wieder einmal dazu kommen werde, einen Friedhof freiwillig zu besuchen? Keiner.

Des Todes Spuren führten mich erstmal zu meinen Auto. Das soll nicht heißen, daß seine TÜV-Plakette unwiderruflich abgelaufen ist, nein, aber die Straßenbahnfahrkarte hätte mich ein kleines Vermögen gekostet, was ich mir nur zu verschleudern erlauben würde, wenn es meine letzte Fahrt auf einen Friedhof gewesen wäre. Aber so – sozusagen als Wiedergänger – sind die zwei Euro in etwas Nahrhaftes, vielleicht in eine Bockwurst mit Brötchen, besser angelegt. Obwohl der, der die zu diesen Wucherpreis anbietet auch auf den Friedhof gehört. Vielleicht haben sie ja tatsächlich dort eine Würstchenbude aufgemacht. Lohnen würde sich das, bei der Rentnerschwemme jeden Tag, bestimmt.

Diese letzte Beerdigung liegt wirklich schon eine Weile zurück. Die muß im Sommer 2006 gewesen sein, als es so brütend heiß war. Da lag er auf meinem Parkett und rührte sich nicht mehr. Hitzschlag. Vermute ich. Oder er ist verdurstet. Wasser hatte er ja keins mehr. Vergessen. Ich, das Wasser. Also habe ich ihn aufgehoben und zum Auto getragen. Der wog auch fast nichts mehr. Vielleicht ist er ja verhungert. Egal. In dem Kofferraum sah er so verloren aus, daß er mir beinahe leid tat. Kein Mitleid. Meine Schwester war im Urlaub, so daß ich auf ihrem Grundstück meinen Plan ungestört umsetzen konnte. Wenn sie da gewesen wäre, hätte ich sicher einen Kaffee trinken und ihr erzählen müssen, wie er umgekommen ist. Aber so konnte ich ihn auch an einem Ort meiner Wahl entsorgen, ohne ellenlange Diskussionen über das Für und Wider meiner Platzwahl führen zu müssen. Die Beerdigung an sich ging fix. Ohne Salutschüsse, ehrendes Gedenken und so einen Firlefanz zog ich sie in Minutenschnelle durch. Die Gehwegplatte habe ich hochgehebelt und den Vogel, den Wellensittich, aus 1,50m Höhe auf seinen letzten Freiflug geschickt. Etwas zerfledert trudelte er herunter, gehorchte aber den Gesetzen des freien Falls, was mich etwas besänftigte, fügte er sich doch zu Lebzeiten meinen Weisungen nie. Die Platte knallte herunter, ich trat sie wieder fest und die Festivität war beendet. Sicher hätte ich seinen Sargdeckel mit einem Permamentmarker und einem Kreuz markierend besudeln können. Aber für die vollgeschmierte Gehwegplatte hätte mich meine Schwester gesteinigt und den toten Vogel besucht höchstens eine hungrige Katze. Diese braucht keine Inschrift, sondern eine Idee, wie sie unter die Platte kommt.


Steinigen ist ein schöner Übergang. Der Friedhof lag vor mir und die Imbißbude hatte natürlich zu. Ich habe keine Ahnung, wann die aufmachen, denn Öffnungszeiten – wie sie eigentlich zwingend vorgeschrieben sind – konnte ich nirgendwo entdecken. Aber vor dem Kiosk kann man, wie der helfende Hinweis aus dem Nachbarblog beschrieb, wirklich gut wenden, und so ein Wendeplatz gehört, für mein Dafürhalten, eigentlich vor jeden Friedhof und damit in die Friedhofsordnung.


Geparkt habe ich meinen Wagen dann in einer Seitenstraße, und in den Friedhof bin ich über einen idyllischen Nebeneingang geschlüpft. Logisch. Ich war ja inkognito unterwegs. Solche verträumten Dienstboteneingänge machen sich ganz gut, wenn man in aller Stille beerdigt, oder, wie man so schön sagt, eine Ehe auf katholisch geschieden wird.


Gleich zu Beginn meiner Patrouille entdeckte ich meinen zukünftigen Sommerwohnsitz. Was kann es Schöneres geben, als bei der größten Hitze auf einer Bank, in einer kühlen Nische, zu sitzen und zu hören, wie es leise von unten gegen die Grabplatte pocht?


Die Toilette ist auch gleich nebenan. Kurze Wege sind im Alter wichtig. Mein Bermuda-Dreieck, in dem ich für diesen Sommer zu verschwinden gedenke, ist somit abgesteckt: Imbißbude, Bank in der kühlen Nische und Toilette. Perfekt! Nur Montags, vor 9.00 Uhr, muß ich ins Gebüsch pinkeln. Laut Schild wird da die Örtlichkeit hygienisch gereinigt. Was immer das auch sein mag. Hoffentlich wird sie dabei auch sauber.
20 Cent für einen Stuhlgang zu entrichten heißt, sich einer moderaten Preisgestaltung zu beugen. Hauptsache ist, die dafür installierte, moderne Technik funktioniert immer zuverlässig. Dies wage ich zu bezweifeln, denn das Schloß zeigt deutliche Spuren, die mehrere gewaltsame Aufbrüche nur mangelnd kaschieren.


Als vertrauensbildende Maßnahme wurde gleich daneben ein High-Tech Zahlenkombinationsschloß angebracht. Funktioniert der Münzeinwurf nicht mehr, weil er durch einen unpassenden Knopf von einer Dederonkittelschürze unsachgemäß blockiert wurde, kann man das Schloß durch die Eingabe des richtigen Zahlencodes wieder freischalten. Ein Schloß mit einem normalen Schlüssel hätte es zwar auch getan, aber was passiert, wenn der Schlüsselbevollmächtigte selbst einsitzt? Nichts. Den Schlüssel kann man nicht durch den Türspalt nach außen schieben, die Zahlenkombi aber einer zu Hilfe eilenden Fachkraft durchbrüllen.


Beeindruckend für mich ist die überdurchschnittlich, nach der Gaußschen Normalverteilung (siehe auch: Mathematik des Todes) errichtete, hohe Anzahl an Wasserspendern und Ausleihgießkannen. Für jedes Gräberfeld gibt es, je nach Belegung, mindestens eine Workstation. So wird ein ungezügeltes Drängeln und Schubsen verhindert.


Die Hydranten funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Rechts am Hahn drehen und vorn strömt das Wasser. Das geht ganz ohne zu erwerbende Metallchips, wie sie sonst bei den Duschen auf Zeltplätzen üblich sind. Herrlich! Jetzt muß ich nur noch herausbekommen, wie ich den Duschschlauch an den Hahn bekomme. Ein Gewinde dafür ist nicht zu entdecken. Mit einer Gummimuffe? Irgend etwas werde ich schon erfinden. Ich kann mich ja im Sommer unmöglich in der Hocke, gebückt oder halb liegend erfrischen. Was sollen denn die Leute von mir denken?


In den Workstation integriert ist auch eine kombinierte Abfallsammelstelle, die aufgrund ihrer Höhe einen etwas befremdlichen Wühltischcharakter zur Schau stellt. Eine grüne Tonne bietet Plastikmüll feil und Rechterhand sorgt ein Drahtverhau für die schnelle Kompostierung von organischen Abfall. Die Beschilderung ist für heranwachsendes, des Lesens kundigen Publikum, aufgrund dessen frühen Entwicklungsstadium geschuldeten, ungünstigen, weil zu niedrigen Blickwinkels, etwas irritierend. Aus ihrer Höhe betrachtet, können sie so schnell falsche Schlüsse über das Geschehen auf einem Friedhof ziehen. Das eine pädagogische Begleitung Heranwachsender gerade auf Gottes Äcker unabdingbar ist, wird einem so etwas schmerzlich vor Augen geführt.


Womit wir bei den Gräbern an sich wären. Kurz: Es gibt Wichtigeres auf einem für Leichen befriedeten Hain. Für mich zumindest. Auf den Grabsteinen steht eh immer das Selbe. Oben ein sinnfreier, frommer Spruch, darunter die Eckdaten des Verblichenen und im Zweifelsfall ein Hinweis auf seine Talentlosigkeit in beruflichen Dingen. Das war es dann schon. Meist verschleiern – oder führen vorsätzlich in die Irre – zusätzlich aufgestellte Plastiken das wahre Andenken an den teuren Toten. Auf dem Bild oben könnte man meinen, daß dort die Erfinderin des Handys ihre letzte Quasselrunde gefunden hätte, in Wahrheit aber, bei einer genaueren optischen Prüfung, handelt es sich wahrscheinlich um die Urheberin des Papiertaschentuches oder der Küchenrolle. Möglich ist aber auch, daß es nur ein Sinnbild stiller Trauer ist.


Diese Trauer bleibt dem modernen Hinterbliebenen leider meist verschlossen, wie das Übel der um sich greifenden Blitzbeerdigungen zeigt. Etwas ausgebrachter Grassamen würden den Spuren wütender Erdbohrer gut tun und es muß ja nicht der teure Sport- und Spielrasen sein – der empfindlichere Schattenrasen käme dem Anlaß sogar besser gerecht.



Man kann natürlich auch auf Zeit spielen und der Natur freien Lauf lassen, wie es oben schön zu sehen ist. Ist alles erstmal von Efeu berankt, sind auch die Spuren längst vergessener Gräber getilgt, und man kann ohne Gefühlsduselei mit der Planierraupe darüberheizen und somit Wegbereiter für neue Erdlöcher sein, die wiederum Vergangenes tilgen.
Das schöne am Neuen Annenfriedhof ist auch seine offene und sehr freizügige Bebauung, die seinen parkähnlichen Charakter unterstreicht. Die Gräberverteilung erfolgt scheinbar über einen Zufallsgenerator und nicht über eine streng reglementierte Ordnung. Da laden große, freie Wiesen zum Verweilen ein. Ich darf im Sommer unter keinen Umständen mein Grillzeug zu Hause vergessen. Immer nur an der Imbißbude speisen, wird auf die Dauer doch zu langweilig.


Vielleicht nehme ich, zu meiner Zerstreuung und Erbauung, den einen oder anderen Vierbeiner aus der Nachbarschaft oder dem Freundeskreis mit in den Sommerurlaub, und gehe mit ihm eine gepflegt Hunderunde am Rande des bunten Treibens? Hier an der Mauer entlang? Ein bißchen Bewegung täte den Viechern ganz gut.


Hier müssen wir auch nur geradeaus laufen, was bei der zu erwarteten Hitze unseren Intellekt nicht zu überfordern verspricht. Dieser Weg ist bestimmt ein nach oben offenes Wurmloch, was direkt in die Lobby einer Abdeckerei führt. Ich werde mich gegebenenfalls – wenn das Verhalten des Köters nicht meinen bescheidenen Wünschen entspricht – daran erinnern und seinen letzten Gang begleiten. Ich gehe mal davon aus, daß der Besitzer des Tieres grundsätzlich nichts gegen meine Einstellung zu diesem Thema einzuwenden hat, sonst würde er mir das Tier nicht auf den Friedhof mitgeben.


Auf eine Besonderheit auf diesem Areal muß ich noch abschließend hinweisen. Die vielen ausgewiesenen Baustellen sind nur reine Dekoration und so alt, wie der Friedhof selbst. Da tut sich gar nichts.


Hinter einer aber verbirgt sich ein blühender Garten, der schwerst romantisch inmitten berstenden Zerfalls angelegt wurde. Eine wahre Augenweide tut sich einem da auf. Ich kann nur jedem empfehlen, beim nächsten Bummel über den Neuen Annenfriedhof darauf ein Auge zu werfen.


Was bleibt, ist Bockwurst. Auf die Imbißbude direkt vor dem Haupteingang ist scheinbar kein Verlaß. Die stoßfesten Jalousien sind immer noch unten, aber schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, bietet der Fleischer die Würstchen zu einem unschlagbaren Preis von sagenhaften 50 Cent an.

Eine, zwar noch ausfeilbare, schöne Grabinschrift gab es doch: Wenn ihr mich sucht, sucht mich in eurem Herzen.

Den Notausgang vom Ganzen hätte ich jetzt beinahe vergessen. Da ist er:

Freitag, 22. April 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 9 (3. von 5)


Großstadtdschungel, die selbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf sechs brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, und ein halbvoller Aschenbecher. Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter freundschaftlicher Abend werden. Sie schaut aus dem Fenster, und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, bei der Wärme und dem Regen müßten die Pilze ja nur so sprießen! Warste etwa mal im Wald? An der frischen Luft? Pilze sammeln? Die hier schmecken lecker! Wie selbst gefunden. Laß mich raten: Stein- und Birkenpilze!«

»Nö, das sind Lidl-Röhrlinge und Aldi-Trüffel. Also ganz normale Mischpilze aus der Konserve. Damit die überhaupt nach etwas schmecken, habe ich eine Tütensuppe untergemischt. Dazu noch Kümmel, Zwiebeln und viel Butter. Im Wald war ich deswegen also nicht.«

»Warum dann? Natur genießen? Weißt du, wie froh ich bin, dieses Jahr keine Schnecken im Garten sammeln zu müssen? Die finden eh nichts mehr, was sich zu fressen lohnt. Bei dem Regen habe ich sonst immer Millionen von den Viechern aus den Beeten geholt. In meinem industriellen Fettlösemittel wurden die dann in ein paar Stunden zu Brei.«

»Ja klar: Natur genießen. Meine Schnecken sammele ich aber nicht im Garten, sondern in der Single-Börse im Internet. Da passieren mir manchmal ein paar unschöne Mißgriffe. Nur kann ich sie nicht anschließend in den Fettlöser werfen, um sie zu entsorgen.«

»Anschließend? Du hattest ein Blind-Date-Outdoor-Schäferstündchen im Wald? Und sie hatte vorher keinen Fettlöser getrunken? Erzähle! Nein, warte mal kurz. Ich hole erstmal noch ein bißchen Wein.«

»Naja, ganz so schlimm war es nicht. Ich wußte schon, wie sie aussieht. Sie hatte ja ein Bild von sich im Profil. Nur, wie das immer so ist: Ein Photo verhilft einem nur, sich schnell ein falsches Bild von einem Menschen zu machen. Sie sah aus, wie eine Mischung aus einer frisch verbrauchten Porno-Queen und einer sozialpädagogischen Birkenstockschlampe. Schön lasziv aber doch irgendwie niedlich. Dabei kam sie via Mail ziemlich langweilig rüber. Aber ich dachte mir, daß der Teufel in der Not auch Fliegen frißt, und das langweilig auch pflegeleicht bedeutet. Dann am Telefon sprudelte sie nicht gerade über, aber sie war schwer begeistert von mir. Sie erzählte zwar immer dasselbe, aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, weil das ja alle Frauen so machen.«

»Blödmann! Was sagst du eigentlich zu diesem Wein?«

»Bißchen merkwürdig. So wie alle Frauen sind. Seit wann bringst du denn Wein mit? Schmeckt dir meiner nicht mehr?«

»Frauen sind nicht merkwürdig, sondern des Merkens würdig! Jede Frau ist einzigartig! Wie jeder Wein! Nein, dein Wein schmeckt mir schon, aber ich will auch mein Leben verändern und fange, wie du letztens, erstmal klein an. Mal etwas Neues ausprobieren. Ich finde, der Wein schmeckt niedlich.«

»Niedlich? Der schmeckt gewöhnungsbedürftig lasch. Wie Bonbonwasser, dem man als Droge Alkohol beigemischt hat. Entschuldige mich bitte, aber an das Zeug werde ich mich nicht gewöhnen können. Was willst du denn noch großartig in deinem Verleben ändern?«

»Dann trinke ich das Zeug eben alleine. Du hast ja noch genug von deiner Plörre da. Erzähl erstmal weiter! Das neueste Neu gibt es später!«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie hatte mich gleich Sonntags zum Mittagessen zu sich eingeladen. Das kann nicht gut gehen, dachte ich mir. Die Frau ist erst 26 Jahre alt. So jung und lahmarschig, kann die doch nicht mal vor Wut kochen, geschweige denn ein Mittagessen. Aber naja, ich bin trotzdem hingegangen, obwohl ich es beinahe verschlafen hatte.
An der Tür sah sie dann ganz gut aus. Es war zwar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, aber immerhin war sie ganz niedlich. Nur spricht und bewegt sie sich etwas zeitverzögert. Zuversichtlich stimmte mich die Familienpackung Kondome, die sie völlig offen in ihrem Flurregal stehen hat. Auf meine Frage, ob dies eine Einladung darstellt, staunte sie mich nur nicht verstehend an. In der Küche und im Bad lägen auch noch welche, da müsse sie nicht lange suchen, und warum ich sie das frage. Mannomann! Auf meine Antwort hatte sie gar nicht gewartet, sondern das Essen aufgetragen. Kürbissuppe und Zucchiniauflauf. Eigene Ernte und Tiefkühlkost vom vorigen Jahr. Spätestens jetzt hätte ich sie aus dem Fenster werfen sollen. Ich meine nicht die Suppe! Gib mir nochmal was von dem Bonbonwasser. Das paßt jetzt richtig gut.«

»Bitte schön! Und so, wie ich dich kenne, hast du in Erwartung einer Tiefenentspannung alles tapfer runtergewürgt.«

»Ehrlich, ich war mir nicht mehr sicher, ob ich den Job noch wollte. Ich bin ja ein feuriger Widder und sie ist eine glitschige Fischefrau. Wahrscheinlich mit dem Aszendenten Zeitlupe. Genau weiß ich das nicht. Ich habe sie nicht danach gefragt. Ihre Geburt hat sicher eine Woche gedauert – da kommen mehrere Gestirne in Frage. Egal, während dem Essen erzählte sie mir dasselbe, wie am Telefon. Natürlich zeitverzögert und entnervend. Da mußt du durch, dachte ich mir. Frauen sind nunmal so, und ansonsten komme ich ja nie zu einer ganz niedlichen.«

»Du Arsch, ziehe nur weiter meinen Wein durch den Dreck! Was für einen Aszendenten hast du eigentlich? Miststück oder was?«


»Nö, Aszendent Löwe, wie es sich gehört. Der Mond stand damals auch im Widder, wenn du es genau wissen willst. Das ist dreimal das Element Feuer!«

»Das heißt, daß du eigentlich genial bist, aber zu nichts zu gebrauchen. Das hätte ich dir auch so sagen können. Ohne Sternenfirlefanz. Bei drei gleichen Elementen bist du zumindest so ausgeglichen, daß Frauen in deiner Gegenwart einpennen. Paßt zu dir.«

»Dort wäre ich beinahe eingepennt. Deshalb habe ich ja auch den Waldspaziergang vorgeschlagen. Zum wieder munter werden. An der frischen Luft die Natur genießen und vielleicht ihre.«

»Und? Hast du? Mach doch nicht immer solche Kunstpausen! Ich hole noch eine Flasche Bonbonwasser. Damit du wieder ein bißchen aus der Hüfte kommst. Die Frau muß dich schwer beeindruckt haben, wenn du hier selber bald einschläfst!«

»Ach Quatsch! Ich bin nur so lange Spaziergänge nicht gewohnt und noch etwas angeschlagen. Ich habe sie also in mein Auto gepackt, und wir sind in den Stadtwald gefahren. Sommersonne mit einem Herbsteinschlag. Eine angenehme Temperatur, nicht zu warm und die Sonne knallt schon sinnlicher rein.
Ich dachte kurz an ein gemeinsames Pilze suchen, aber in ihren Stöckeldingern ist sie ja kaum über den Waldweg gekommen. Sie mußte sich bei mir unterhaken und ich habe sie halb getragen, halb mitgeschleift.«

»Körperkontakt! Jetzt wird es interessant! Willst du noch einen Schluck Wein?«

»Ja, gib mir gleich die ganze Pulle. Richtig, der erste Körperkontakt. Ansonsten wäre ich ja auch hocherfreut darüber gewesen. Nur schleppe mal einen stoischen Zementsack durch den Wald. Die kleine verträumte Lichtung mit ihrer sattgrünen Wiese, die mir zu unserer intensiveren Kontaktanbahnung vorschwebte, ist auch nicht gerade nahe gelegen. Also haben wir fast eine Stunde bis dahin gebraucht. Was mich nicht weiter gestört hat. Mein Körper hatte sich warm trainiert, er war bereit und lauerte auf Höchstleistung und ihrer war noch ausgeruht. Das ist in ihrem Alter wichtig, sonst überlebt sie keinen vernünftigen Sex.«

»Du spinnst total! Träume weiter, du alter Sack!«

»Jedenfalls wurde sie unterwegs zutraulich. Sie erzählte mir, diesmal in Echtzeit, wie sehr sie mir vertraut, und daß sie sich bei mir absolut sicher fühlt.«

»Bist du dir sicher, daß du sie in der Single-Börse kennengelernt hast? Und nicht in der Tagesklinik für psychisch Gestörte?«

»Nein, schon im Internet. Ich habe ja dann auch kurz überlegt – aber nein: Das war schon bei Elite-Verschmähte. Dort gibt es ja die niedlichen Frauen. Obwohl: Du kommst doch auch von dort. Egal.
Wir lagen dann da und ihre Fischeaugen signalisierten Bereitschaft zum Empfang. Zumindest habe ich das so interpretiert, und sie hat sich bereitwillig gefügt. Schlierig war sie auch, aber Begeisterung sieht anders aus. Sie schaute mich an wie ein Barsch, der auf einen Blinker hereingefallen ist und sie lag da, als hätte ich sie gerade ins Koma geprügelt.«

»Wundert mich gar nicht. Mach weiter!«

»Ich will ja bei jeder Frau einen guten Eindruck hinterlassen. Also habe ich kurz nachgedacht, und mir ist eingefallen, daß sie mal was davon gefaselt hat, daß sie von meiner Persönlichkeit gefesselt werden möchte. Mit Persönlichkeit ist es aber bei mir nicht weit her. Da ist mir mein Abschleppseil eingefallen, das ich als Maskottchen verehre. Es stammt aus dem rundgelutschten Trabant P 50 meines Vaters, als der schon verheiratet war.«

»Alles klar, verschone mich mit Geschichten aus der Fremdgehgruft, und daß mit über 40 Jahren alles sinnlos durcheinander vögelt. Weiter!«

»Da habe ich ihr von verschiedenen sexuellen Praktiken oder eben Experimenten aus dem einschlägigen Bereich erzählt, um sie vielleicht etwas in die Strömung zu bekommen.«

»Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Und? Hat sie angebissen?«

»Völlig! Sie hat sich angefühlt und geschmeckt wie eine heiße ungarische Fischsuppe! Voll der scharfe Paprika! Nur mußten wir jetzt den ganzen Weg wieder zurück. Das Seil lag doch noch im Auto. Es ist voll kuschlig aber nicht niedlich. Zurück haben wir dann zwar nur eine halbe Stunde gebraucht, aber eben die selben Kilometer geschrubbt.«

»Ja Bewegung und Fische sind gesund. Das Bonbonwasser lasse ich jetzt besser mal weg. Hast du noch richtigen Wein da?«

»Du weißt doch ... Jedenfalls hat die gute Frau sich dann eingebildet, daß ich sie an die einzige Birke binde, die auf unserer Lichtung steht. Da ging kein anderer Weg rein. Ich meine: Der Wald steht voller Bäume! Aber nein: Das muß unbedingt dieser eine sein!«

»Wir Frauen sind nunmal so. Wenn wir uns etwas in den Kopf gesetzt haben, muß das eben so sein. Ihr seid also wieder zurück auf die Lichtung.«

»Ja, mir blieb ja nichts anderes übrig. Dort habe ich sie, wie ich annahm, ordnungsgemäß an die Birke gebunden und halt losgelegt. Als alter Haudegen habe ich ja immer einen meiner Spezialkondome dabei.«

»Was soll daran spezial sein?«

»Die sind hoffnungslos überlagert. Wann brauche ich denn mal so eine Tüte?«

»Du mußt dir ja kein Zehner-Pack kaufen, wenn du neun davon eigentlich wegschmeißen kannst. Die Dinger gibt es auch einzeln oder verlasse dich einfach auf die Frau. Aus Notwehr haben die heutzutage eigentlich immer welche dabei. Es gibt nur keine zu. Du bist also ran an die Frau ...«

»Ja, da kam plötzlich Bewegung in das Fischlein. Erst hat sie geguckt wie eine Bachforelle, dann wie ein Zander und zum Schluß sah sie aus, wie ein gestrandeter Karpfen der nach Luft schnappt. Als würde sie Christians Morgensterns ›Fisches Nachtgesang‹ rezitieren. Kein Ton kam über ihre Lippen. Aber ihr schien es gut gefallen zu haben, und das Verb ›aufbäumen‹ hat seit dem eine neue Bedeutung für mich.
Dann wollte ich sie wieder losbinden. Ging nicht. Ich habe den Knoten einfach nicht mehr aufbekommen. Irgendwas hatte ich verwechselt und ich bekam keine Chance sie wieder freizubekommen. Was sollte ich jetzt machen? Ein Taschenmesser, zum zerschneiden des Seils, hatte ich ja nicht dabei. Mensch war das peinlich. Ich kann doch keinen Pilzsammler suchen und ihn bitten, mit seinem Pilzmesser eine Frau vom Baum zu schneiden! Das geht absolut nicht! Also habe ich sie mit ihrem Halstuch geknebelt, damit sie nicht rumschreit. Das hätte ich ihr zwar nicht zugetraut, aber sicher ist sicher. Dann habe ich sie noch mit Ästen zugedeckt, die ich schnell von den Bäumen gebrochen habe. Nicht das die einer findet!«

»Ich schmeiß mich weg! Du hast sie echt da liegen lassen? Nimm mal einen Schluck richtigen Wein!«

»Was sollte ich denn sonst machen? Ich brauchte dringend ein Messer. Im Auto hatte ich keins. Also bin ich nach Hause gefahren, eins holen. Es kam natürlich, was nun kommen mußte: Auf dem Rückweg blieb mein Auto liegen. Sprit alle. Ich tanke doch nur noch für 10 Euro bei den Preisen! Der Benzinkanister lag zwar im Kofferraum, aber der ist schon ewig leer. Den habe ich mir geschnappt und bin zur nächsten Tanke gelaufen. Geld hatte ich glücklicherweise dabei. Das alles hat nur eine Stunde gedauert aber inzwischen drohte es dunkel zu werden. Nun mußte ich wieder nach Hause fahren, eine Taschenlampe holen. Dann wieder zur Tanke, Batterien kaufen. In der Lampe waren ja keine mehr drin. Zurück in den Wald, die Frau suchen. Ehe ich die gefunden hatte! Ich war völlig fertig, und habe erstmal neben ihr eine geraucht. Dann habe ich den Knoten durchgeschnitten. Ich hätte heulen können! Ich zerschneide das Abschleppseil meines Vaters! Das kann doch gar nicht wahr sein! Dort drüben liegt es.«

»Ich habe mich schon gewundert, was das zerschnippelte Seil hier soll. Suizidgefährdet bist du ja eigentlich nicht. Und was sagte sie dazu?«

»Die ist völlig durchgeschnipst. Angeschaut hat sie mich, wie ein frisch verliebter Barracuda. Der Orgasmus muß ihr ein paar Synapsen durchgeschmort haben. So verblitzt kann man eigentlich gar nicht sein. Auf dem Heimweg plapperte sie dann in Echtzeit, daß sie so einen gigantischen Sex noch nie hatte und vor allem, daß sie das Nachspiel noch nie so lange genossen hätte. Daß diese Birke nun unserer Liebe geweiht wäre und daß sie, Dank mir, ihre Sexualität völlig neu entdeckt hat. Daß sie nun mit mir ihr Leben völlig neu gestalten will. Dabei hing sie an mir, wie eine Krake an ihrem Opfer. Ich habe gelitten und mir den ganzen Kram angehört, den frau einem Mann nach dem Beischlaf besser nicht erzählt. Entnervend! Ich habe mir sogar überlegt, ihr den Knebel wieder in den Mund zu schieben. Aber dann wäre ich dort gar nicht wieder weggekommen, und ich wollte nur noch eins: Nach Hause und das allein.«

»Geschieht dir recht. Wärste mal friedlich Pilze sammeln gegangen. Denn jetzt hast du ein Problem: Die Frau hat Blut geleckt. Die ist jetzt nicht mehr zu halten. Das was sie hatte, will sie immer wieder haben. Das Telefon hast du ja nicht umsonst aus der Dose gezogen. Ich bin gespannt, wie du aus der Nummer wieder raus kommen willst.«

»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollte ich sie langsam wieder auf Null fahren. Ich treffe sie einfach noch drei, vier mal in größeren Abständen. Einfach auf Zeit spielen. So schlecht war sie ja gar nicht. Es hat mir mit ihr schon Spaß gemacht auch wenn ich, um die Sache erfolgreich beenden zu können, an die Aleksa denken mußte. An damals als sie noch jung war.«

»Du bist so ein Arsch! Das gibt es gar nicht! Ich fasse es nicht! Erzähle ihr doch einfach, daß du bei ihr nur zum Ende kommst, wenn du an andere Frauen denkst! Vielleicht erschlägt sie dich gleich. Das würde ich sogar verstehen! Ich hole noch Wein.«

»Nein, mir ist noch kein Fall bekannt, wo eine Schlaftablette einen ausgewachsenen Mann erschlagen hätte. Eher nimmt sie davon eine Überdosis. Die wird sich schon wieder abkühlen. Das haben alle anderen Frauen vor ihr schließlich auch gemacht.
Apropos Aleksa: Hast du wieder mal was von ihr gehört?«

»Nö, die ist doch verheiratet. Also weg vom Fenster. Von der hörst du nichts mehr. Aus meinem Handy habe ich sie schon gelöscht. Sie nimmt dort nur Speicherplatz weg. Ich sehe sie nur noch zufällig im Vorbeigehen. Wie letztens bei der Gerda. Der Hersteller von unseren Spaßdingern hat uns doch neue Ersatzgeräte geschickt. Da sind wir natürlich gleich hin. Geguckt hat sie, als hätte sie einen Maulkorb um und ich habe sie fast nicht verstanden, so leise hat sie gesprochen. Sicher ist es ihr peinlich, als verheiratete Frau bei der Gerda gesehen zu werden. Aber eine Hochzeit tötet die Libido des Mannes eher ab, als daß sie die anregt. Das hast du selber gesagt!
Ich habe sie natürlich gleich gefragt, warum die kaputten Gehwegplatten nach 4 Monaten immer noch vor dem Haus liegen, und nicht durch neue ersetzt worden sind. Sie hat ja schließlich nun einen Mann dafür.«

»Der noch dazu ein Widder ist. Ein Wegbereiter im diesmal wahrsten Sinne des Wortes. Dem das nicht schnell genug gehen könnte. Eigentlich. Was hat die Aleksa für ein Sternzeichen?«

»Keine Ahnung. Zwilling oder Skorpion schätze ich mal. Irgend so etwas allgemeingefährliches. Die Aleksa meint dazu, daß er schon ein Widder sei, aber wahrscheinlich einen unschönen Aszendenten dazu hat. Lusche oder Grottenolm. Genau weiß sie das aber nicht. Sie würde sich nicht trauen ihn zu fragen.«

»Sie kann nur ein Skorpion sein. Der Widder symbolisiert den Anfang und der Skorpion das Ende vom Lied. Das paßt gut zusammen.«

»Außerdem erzählte sie, daß er die Gehwegplatte gar nicht wechseln könne. Hier wurde sie so leise, daß ich sie kaum noch verstanden habe. Er wäre doch die Woche über kaum zu Hause, und am Wochenende hat er in der einen Hand seine Kippe und in der anderen seine Tasse Kaffee. Da hat er keine Hand mehr frei für Gehwegplatten. Früher hätte er die Tasse Kaffee noch aus der Hand genommen, um ihr die Batterien zu tauschen. Das hätte er schon für sie getan.«

»Was für Batterien? Er hat ihr doch noch nie den Akku aufladen können?«

»Nicht ihren Energie-Akku meine ich! Sondern die Batterien für ihr Spaßteil. Halten können sie bei ihr nur maximal eine Woche. Da hat er sie Sonntags immer ausgewechselt, weil er der Aleksa so viel technisches Verständnis nicht zutraut. Dabei kann sie das blitzschnell, auch wenn es stockdunkel ist. Seit dem sie das neue Teil mit Docking-Station von ihm geschenkt bekommen hat, braucht er das eben nicht mehr machen.«

»Stimmt, als ich das letzte mal, rein förmlich, bei ihr zum Kaffee trinken war, habe ich mich schon gewundert, warum bei ihr Batterien auf der Heizung rumliegen.«

»Da warst du an einem Donnerstag dort. Mittwoch abends sind die Batterien gewöhnlich leergezutscht. Also legt sie die auf die Heizung, um sie zu erwärmen und damit die letzte Energie aus den Dingern herauszuholen.«

»Niedlich! Das mit den Batterien. Du, ich glaube, der will den Gehweg gar nicht reparieren. So hat er was worüber er sich aufregen kann, und der Aleksa kann er schnell ein schlechtes Gewissen einreden, weil sie doch zur Hochzeit den Fotografen eingeladen hat. Da steht die so unter Druck, daß sie gar nicht fragt, wann er die Dinger endlich mal wechselt. So hat er erstmal seine Ruhe. Der ist schlau, aber auf die Dauer eben nicht klug. Egal.
Du täusche dich mal nicht, wenn du meinst, daß die Frau jetzt weg vom Fenster ist.«

»Wo soll sie denn sein? Die pennt jetzt garantiert jeden Abend vor dem Fernseher ein. Keiner sieht die mehr.«

»Weil sie nicht gesehen werden möchte. Du erinnerst dich an das, was ich dir vom gutbürgerlichen Weg erzählt habe? Erst kommt die Pflicht und dann die Kür? Es gibt ein Naturgesetz: Vor der Ehe ist es, wie nach der Hochzeit. Es ändert sich nichts. Ich habe mal etwas recherchiert. Natürlich im Internet in der Single-Börse. Was glaubst du, wen ich dort gefunden habe?«

»Die Aleksa? Ach du Sch ...«

»Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie es ist. Auf dem Profilbild ist sie nicht richtig zu sehen. Aber ich brauche ja nicht ihr Gesicht zu sehen, um sie zu erkennen, da ich weiß, wie sie sonst noch aussieht. Ihr Text ist auf den ersten Blick harmlos aber letztendlich eindeutig im Schambereich angesiedelt. So, wie sie es immer gemacht hat. Es ist auch derselbe Schreibstil. Alle anderen Angaben sind natürlich falsch. Postleitzahlenbereich, ihr Alter, Sternzeichen usw. Das übliche wie immer.«

»Und wenn ihr Mann dort auch ein Profil hat? Das wäre dann der Supergau, wenn die sich dort über den Weg laufen.«

»Wieso? Der hat dort sicher auch eins. Schon um zu gucken, ob sie sich wieder angemeldet hat. Aber er wird sie nicht finden, dessen bin ich mir sicher. Der nimmt sie doch sonst nur wahr, und kennt sie eigentlich nicht. Und wenn doch? Dann passiert gar nichts. Er kann ihr nichts beweisen. Dafür ist die Aleksa zu schlau. Dann stellt sich noch die Frage, was er eigentlich dort will. Solche Spiele sind nunmal üblich.«

»Es ist ein Scheißspiel. So eine Beziehung ohne Vertrauen.«

»Ach, komm hör bloß auf. Du kennst doch selber nichts anderes. Was ist denn nun das neueste Neu?«

»Jetzt traue ich es mir fast nicht mehr zu erzählen: Ich hatte Sex!«

»Nein! Geil! Mit wem denn?«

»Naja, ich habe mir auch so eine Sicherheitsbockwurst angelacht. Deshalb auch der Wein. Leben ändern und klein anfangen. Mein Alter ist doch eigentlich schon längst Geschichte. Manchmal ist er ja ganz putzig. Scheiß Mitleid. Er weiß erstmal noch nichts davon. Ich lasse die beiden jetzt eine Weile parallel laufen. Mal schauen, was wird. Er ist ein bißchen jünger als ich, und total niedlich! Beim Sex zum Beispiel oder wie der hilflos guckt, wenn er nicht weiß, was er sagen oder machen soll. Total niedlich!«

»Also ist es wiedermal kein Mann. Niedliche Männer gibt es nicht. Nur niedliche Kerlchen. Aber das sind keine Männer! Wann lernst du endlich mal dazu? Dein amtierender Heini ist putzig! Der vorhergehende war auch ein ganz niedlicher! Das war ein emotional tiefergelegter 28jähriger Viertklässler! Dieses Weichei hat noch Matchbox' gesammelt und bei Mutti gewohnt! Der war so niedlich, daß er die Vitrinen voller Herr-der-Ringe-Figuren hatte. Sein niedliches, sauteures, geleastes Auto hat er nie gefahren, weil er sich das Benzin dafür nicht leisten konnte. Was haben dir diese Typen gebracht? Nichts als Ärger!«

»Aber immerhin war ich die ganze Zeit nicht so allein wie du. Ich bin glücklich! Ich bin glücklich mit ihm! Ich freue mich, wenn er zu mir kommt. Er ist niedlich! Er versucht mich zu verstehen! Ich habe das Gefühl wieder geliebt zu werden! Er ist so niedlich! Der Sex mit ihm ist göttlich, wenn er macht, was ich sage! Ich bin glücklich! Ich bin glücklich mit ihm! Er will mir seine Mutti vorstellen! ICH BIN GLÜCKLICH!«

»War das alles? Schon Schluß mit der Tirade? Das nennt man Autosuggestion oder Selbsthypnose! Früher hast du das bis zu 2 Stunden am Stück fabriziert. Das hat dann wohl auch nichts gebracht.«

»SADIST!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen ...

Donnerstag, 14. April 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 8 (2. von 5)


Großstadtdschungel, die selbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf sechs brennende Kerzen, zwei geleerte Flasche Rotwein, und ein voller Aschenbecher. Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter freundschaftlicher Abend werden. Sie schaut aus dem Fenster und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – das plumpt ja wie aus Kannen. Da spült es mir ja die Rasensaat aus dem Garten. Das Zuccinibeet habe ich doch plattgemacht, und Kürbisse gibt es auch nicht mehr. Dafür ist eine schöne Wiese geplant. Da kommt ein Liegestuhl drauf, und ich lasse mich von der Sonne verwöhnen. Jedes Jahr diese Plackerei wegen dem bißchen Gemüse. Ein paar Tomaten habe ich noch, und das war es dann auch schon. Lecker dein Schnitzel! Hast du noch eins da?«

»Ja, zwei. Die Pfanne steht noch hinter dir auf dem Herd. Die kannst du beide essen. Ihr paßt ja ganz gut zusammen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum habt ihr schon weit überschritten, aber trotzdem seht ihr noch ganz frisch aus.«

»Danke. Wie charmant! Mir so einen Uraltwitz anzubieten – dafür müßte ich dir ein paar reinhauen aber du hast Glück: Ich bin völlig fertig. Die letzten drei Tage waren echt hart. Früh war ich auf Arbeit, und dann im Garten. Bei der Hitze! Das ganze Gestrüpp am Zaun habe ich rausgezerrt. Dann die Hecke gepflanzt. Die Beete umgegraben, alles begradigt und den Rasen gesät. Nein, ich bin völlig breit.
So, geschafft. Satt. Zigarette …«

»Nein, ehrlich: Wenn du völlig am Ende bist, siehst du richtig gut aus. Du bist etwas schmaler im Gesicht und wirkst jünger. Mindestens 5 Jahre. Man könnte dich auf 33 schätzen.«

»Du Arsch! Ich bin 31! Hast du noch Wein …?«

»Du weißt doch wo … Nimm bitte den Aschenbecher mit. Der quillt schon über.«

»Dein Mülleimer ist doch immer noch voll! Da paßt nichts mehr rein! Hast du die Vase noch?«

»Die ist auch voll. Dann kipp ihn einfach aus dem Fenster auf die Straße. Das fällt nicht auf, weil dort eh immer die Penner vor dem Kiosk stehen. Vergiß den Wein nicht.«

»Du spinnst doch! Gib mir einfach eine leere Mülltüte! Und jetzt noch die Vase! Was ist denn das für ein Wein? Korkenzieher?«

»Keine Ahnung. Cabernet Dingsda aus dem Aldi. Irgendwie wollte ich mein Leben verändern und ich dachte mir, daß ich es am gefahrlosesten machen kann, wenn ich die Weinsorte wechsele.«

»Der ist aber lecker. Süffig. Du und Leben ändern. Vergiß es! Das geht eh schief! Wie die Hochzeit von der Aleksa! Das wollte ich dir eh noch erzählen. Warum warst du eigentlich nicht dabei?«

»Naja, da lief eine uralte Wiederholung im Fernsehen. Ein ›Wunschbriefkasten‹ mit Dagmar Frederick. Den konnte ich mir unmöglich entgehen lassen.«

»Blödmann! Da stimmt doch was nicht! Diesen Dackelblick hast du doch nur drauf, wenn du Bockmist gebaut hast! Raus mit der Sprache!«

»Hm, gut. Aber das bleibt unter uns. Ich hatte offiziell nur einmal was mit der Aleksa. Später, beim inoffiziellen Teil unserer Geschichte, war ihr heutiger Macker schon aktuell. Da war nichts weiter. Wir sind nur ab und zu zusammen ins Bett. Zwei- bis dreimal die Woche. Als sie dann dreißig geworden ist, habe ich die Sache beendet. Muß ja nicht sein. Da war sie ziemlich sauer. Naja, und nun weiß ich nicht, ob ihr Alter davon weiß oder nicht. Wäre ja blöd wenn …«

»Du bist die Sicherheitsbockwurst? Ich fasse es nicht! Steigst du mit jeder in die Kiste? Ich hole noch Wein.«

»Nein, mit dir nicht. Versprochen! Jetzt reg dich ab. Das ist vorbei. Sie ist über dreißig, und die Zeit, wo sie bei mir Bauklötzer gestöhnt hat, war auch zu Ende.
Und nun erzähl schon. Was ist schiefgegangen? Gib mir eine Pulle davon rüber.«

»Bitte. So ziemlich alles. Es hätte wirklich nur noch gefehlt, daß du dort aufgetaucht wärst.«

»Also weiß der alles?«

»Keine Ahnung. Zumindest wußte der Fotograf von dir nichts.«

»Der was?«

»Fotograf. Ich fange am besten von vorn an. Den Polterabend haben die im Garten gefeiert. Aleksas Verwandte kommen doch vom Lande. Die verschütten immer was, kleckern rum oder stoßen etwas um. Damit sie sich nicht die Wohnung ruinieren, haben sie die Feier in den Garten verlagert. Da kann nicht viel passieren, dachte sich die Aleksa.

Als die ersten Gäste lospolterten, war vom Catering-Service noch nichts zu sehen. Der kam erst viel später und mußte wieder abziehen, weil er die Lieferung verwechselt hat. Statt Spanferkel und kaltem Buffet, hatte er nur das Zeug für den Veganer-Kongreß an Bord. Bier gab es auch noch keins. Die Fässer wollte der Bräutigam in spee am Nachmittag persönlich von seiner Lieblingsbrauerei abholen. Was er auch gemacht hat. Nur ist das Auto, 30km von hier, mit einer Panne liegengeblieben. Kein Bräutigam, kein Essen, kein Bier nur Wein, Schnaps und Polterabend.

Wenn der Bauer meint, er will ein Fest feiern, dann heißt das saufen bis zur Bewußtlosigkeit. Das kalte Buffet kam erst, als keiner mehr essen konnte. Inklusive Aleksa. Die war spätestens dann mit dem Nerven am Ende, als sie den zerpolterten und verwüsteten Vorgarten gesehen hat. Dort war gerade der Fotograf am Werk. Der fotografierte nicht, sondern versuchte, wie ein Wilder ein Klobecken klarzubekommen. Inmitten eines Scherbenberges, stemmt er das Teil immer wieder hoch, um es auf den Weg knallen zu lassen. Immer und immer wieder. 30 bis 40 mal. Dann gab er auf. Wie bei der Aleksa damals. Der hatte mal was mit ihr. Aber sie wollte dann nicht mehr, und hat ihm die kalte Schulter gezeigt. Was die Kloschüssel erklärt. Sie hatte ihn eingeladen, damit er ihr preisgünstig die Hochzeitsbilder am nächsten Tag schießen kann. Aber dazu kam es nicht. Der Typ verehrt die Aleksa immer noch, und hat sich vor Liebeskummer konsequent die Kante gegeben.

Was nicht weiter schlimm gewesen wäre, hätte er dabei nicht den Alleinunterhalter gemimt. Groß und breit hat er von seiner Zeit mit Aleksa erzählt. Wie schön es war. Was sie alles zusammen unternommen hatten. Wie sie es zusammen im Bett getrieben haben, und was der Aleksa dabei am besten gefallen hat. Die Aleksa war der Ohnmacht nahe, und ihre Schwester, die Giftnudel, war aufmerksam am mitmeißeln. Dann legte er der gelähmt-besoffenen Verwandschaft dar, was für Versager seine Nachfolger wären. Der Mann ist erstaunlich gut informiert, und Aleksas Hang zu Männern, bei denen man nicht so recht weiß, ob sie nun urig oder einfach nur peinlich sind, machte ihm das Spiel einfach.
Aleksa hatte sich schon in die Handlungsunfähigkeit getrunken und die Bauern folgten ihren Beispiel, weil sie die Welt nicht mehr verstanden. Einzig Aleksas Schwester hatte an diesem Abend ihren Spaß. Als dann der Bräutigam mit dem Bier eintraf, war alles zu spät.

Du mußt dir vorstellen: Der wird vom Abschleppdienst viel zu spät und völlig entnervt am Tor abgeliefert. Als erstes sieht er seinen geschändeten Vorgarten. Damit kann er noch leben, bildet er sich erstmal schnell ein. Dabei ist seine Schmerzgrenze schon weit überschritten. Hast du noch Wein da?«

»Blöde Frage. Klar! Ich eile! Erzähl weiter!«

»Danke. Also, der biegt ums Haus und sieht die ersten Gäste in der Hecke liegen. Dann stürzt der los, und stolpert fast über das unausgepackte Spanferkel und das unangerührte, sauteure kalte Buffet.
Ziellos herumwankende Bauern. Allesamt Aleksas verhaßte Familie. Seine Verwandschaft kommt zu seinen Hochzeiten schon lange nicht mehr. Es wäre zu langweilig und immer dasselbe. Wären sie mal zu diesen Polterabend gekommen!

Dann entdeckt er, die nicht mehr ansprechbare, hysterisch kreischende Aleksa. Er verliert den Boden unter den Füßen, und wird von der Giftnudel zu einem Stuhl geführt. Dabei unterrichtet sie ihn genüßlich über den Verlauf des Abends, und besonders über die Ausführungen des Fotografen. Sie war zwar auch ziemlich hinüber, aber ihre Instinkte, die dazu da sind um Menschen zu vertoxen, arbeiten unter allen Umständen zuverlässig.

Als der Knabe wieder Luft bekam, weil sich Aleksas kleiner Bruder über seinem Knie erbrach, nahm er auch die gespielte Musik wahr. Der Fotograf fühlt sich nur noch bei den ›Murder Ballads‹ von ›Nick Cave and the Bad Sees‹ wohl. Also hat er diese CD in den Player geworfen. Das alles, und besonders die Erkenntnis, daß er mit dem 25 Jahre jüngeren, durchtrainierten Fotografen unmöglich eine Schlägerei anfangen kann, ließ ihn völlig ausflippen.

Erst kippte er sich die letzte Flasche Wodka auf ex rein. Dann schrie er, oben auf dem Apfelbaum, daß er nicht mehr leben will, weil die Aleksa sein Leben zerstört hätte. Das die Aleksa nur auf der Welt wäre, um ihn umzubringen. Im Sturzflug unten angekommen, besann er sich eines Besseren. Das er dringend hier weg müßte. Am besten auf eine Brücke über einer Autobahn. Oder in eine Schrottpresse. Letzteres paßt gut zu ihm, aber er dachte eher an Aleksas Auto. Das schnappte er sich und zertrat dabei Aleksas Oma gehörendes, ausgekotztes Gebiss. 20m ist er mit dem Auto gekommen. Bis in die Telefonzelle. Ausnüchterungshaft. Fleppen weg.

Am nächsten Morgen haben die Beiden einen neuen Anfang gewagt und die Scherben beseitigt. Erstmal die aus dem Vorgarten. Dabei mußten sie feststellen, daß der Fotograf mit seinem Klobecken ganze Arbeit geleistet hatte. Von den Gehwegplatten ist keine ganz geblieben. Des Bräutigams unterdrückte Aggressionen bekamen ihren freien Lauf und sie schrien sich an, als wären sie schon verheiratet. Das wiederum erinnerte sie an ihr Vorhaben, und sie beschlossen ihren Plan unter allen Umständen durchzuziehen. Also habe ich sie dann mit meinem Auto zum Standesamt gefahren.

Dort warteten die Bauern schon. Allesamt mehr untot und kreidebleich aber bis auf Aleksas Oma waren sie vollzählig. Der Bräutigam ließ voll den Routinier raushängen. Jovial begrüßte er die Standesbeamtin mit Handschlag, und sie sprach ihn mit du an. Sie machte aus der Eheschließung auch kein Drama und faßte alles kurz und schmerzlos zusammen. Beim: ›Sie dürfen ihre Frau jetzt küssen!‹ Zögerte er nur kurz und war ansonsten die Ruhe selbst. Ich habe keine Ahnung, wie oft der schon verheiratet war.«

»Ich auch nicht. Aber er ist ein bißchen älter als die Aleksa. Da können es schon einige Hochzeiten gewesen sein.«

»Ein bißchen älter? Der hat doch vorher einen Gentest machen lassen, um sicher zu sein, daß er nicht versehentlich mit der Aleksa eine seiner eigenen Töchter ehelicht! Egal, jedenfalls war die Aleksa im Gegenteil ganz aufgelöst und ihr stand das Wasser in den Augen.«

»Vielleicht hat sie seine Kontoauszüge gefunden?«

»Nein, die bewahrt er in seinem Büro auf. Da kommt die Aleksa nicht ran, sagt sie. Nein, sie war einfach gerührt und aufgelöst deshalb, weil der Fotograf vorsichtshalber gar nicht erschienen ist. Aber das war auch nicht das Problem. Die Frau Rot-Weiß-Erfurt hatte ihre Knipse mit, und sie hat die Bilder geschossen. Allesamt aus der Froschperspektive, weil ihre Eltern am falschen Ende gespart haben und sie etwas zu kurz geraten ist. Aber genau der Blickwinkel von unten macht die Bilder erhaben. Das auf jedem Foto dasselbe zu sehen ist, stört auch niemanden.«

»Das Brautpaar? Das haben Hochzeitsbilder so an sich. Auch das sie nur einmal angeschaut und nach drei Jahren zerrissen werden.«

»Quatsch! Wenn die Aleksa nicht mit drauf wäre, könnte man meinen, der hat seine Zigaretten geheiratet. Nach der Trauung, hat der sich eine Kippe nacheinander reingezogen, so nervös war der plötzlich geworden.«

»Vielleicht kam ihm der Film mittlerweise bekannt vor, in dem er sich befand und er wußte plötzlich, wie der immer wieder endet?«

»Keine Ahnung. Die sind dann in die Sportlerklause am Fußballplatz zum Kaffee trinken gelaufen. Dort gab es gerade ein wichtiges Punktspiel in der zweiten Liga. Aber davon habe ich nicht viel mitbekommen. Den ganzen Nachmittag war ich damit beschäftigt, das Spanferkel und das kalte Buffet vom Vorabend in kleine Portionen zu verpacken, und sie in die Tiefkühltruhen meiner Freunde und Verwanden zu verteilen. Die beiden haben ja kaum welche. Bis auf die Bauern. Aber das wollten sie nicht riskieren. Das Zeug war teuer.

Das Abendessen war in der Jägerklause bestellt. Ich war schon eher da und sah den Hochzeitspulk um die Ecke biegen. Alle sahen etwas zerknittert und gerupft aus. Den Bräutigam zierte ein blaues, zugeschwollenes Auge und sein Gesicht war blutverschmiert. Die Aleksa sah völlig verheult aus und sie zitterte am ganzen Körper. Irgendwie sind die am Fußballplatz in eine Schlägerei zwischen Hooligans geraten. Das tat der Feier aber keinen Abbruch, und das Essen war eben schon bestellt. Passiert ist ja eigentlich auch nichts.

Dann wurde es sogar ganz schön. Relativ gesehen. Nach dem Essen sorgte ein Barde mit seiner Klampfe für Stimmung. So ein Kauz mit eingebautem Kopier- und Klonschutz. Der war auch ganz seltsam unterwegs. Früher hatte der auch mal was mit der Aleksa und auch er verehrt sie heute noch. Den Bräutigam kannte er noch nicht. Als er ihn sah, wurde er merkwürdig ruhig und in sich gekehrt.

Nach dem 5. Bier hatte er seine Betriebstemperatur erreicht. Er ließ erst seinen wissenden Blick durch die wild saufende Kneipe schweifen, bevor er ihn auf des Gatten Matschauge heftete. Er begann seinen Job mit: ›Die Gedanken sind frei! Wer kann sie verbieten ...‹ Gefolgt von: ›Am Tag, als Conny Kramer starb, und alle Glocken läuten …‹ Dabei hat er den Namen Conny Kramer nicht ein einziges mal herausbekommen. Ständig mußte er an dieser Textstelle husten und dabei blöde grinsen.

Überhaupt hat der nur Sauflieder gespielt. Gepaßt hat das zu einer seriösen Hochzeit überhaupt nicht. Aber die Bauern waren begeistert! Geschunkelt haben die und mitgegrölt! Dabei ist hier und da eine Vase heruntergefallen oder ein Bier umgekippt.
Der Wirt wurde langsam stinkig und die Aleksa und ihr Göttergatte hatten sich deswegen wieder in den Haaren. Getankt hatten beide ja schon genug. Aleksa stand kurz vor dem Traumzauberwald und ihr frisch Angetrauter war schon drin.

Dann wurde getanzt! Dabei ging wieder einiges zu Bruch. Aleksa hatte plötzlich einen lichten Moment und sie warf den Brautstrauß ins Getümmel. Den bekam die Frau Rot-Weiß-Erfurt so unglücklich auf den Fuß, daß er wie ein Eckball in die Masse schoß. Das erinnerte die Bauern an ihren schönen Nachmittag und ein rasantes Gebolze fing an. Geendet hat es, als der Kronleuchter runterkam und der Wirt explodiert ist. Der wollte jetzt dem Bräutigam an die Wäsche, weil er in ihn den Verantwortlichen vom Ganzen sah. Nüchtern war der ja auch nicht mehr.
In dem nun folgenden Handgemenge schnappte sich der Barde die Aleksa und beide verschwanden im Wald. Was an sich in Ordnung ist. Auch die Aleksa hat ein Recht auf Sex.

Der Bräutigam zog daraufhin wieder seine bewährte Polterabend-Nummer durch: Er will nicht mehr Leben und die Aleksa wolle ihn nur umbringen. Dabei schmiß er mit den Stühlen nach den noch verbliebenen Bauern. Für ihn endete der Abend wie der Vorabend: Ausnüchterungszelle, Strafanzeige.«

»Schade, das ich nicht dabei war. Willst du noch Wein? Ich hole noch eine Flasche! Hast du die Aleksa in der Zwischenzeit noch einmal wiedergesehen?«

»In der Kaufhalle. Ganz rot ist sie geworden und sie konnte mir nicht so richtig in die Augen sehen. Aber sie meinte nur, ganz kurz angebunden, daß sie jetzt ganz, ganz toll glücklich wäre.
Laß mal den Wein. Ich muß jetzt dringend los.«

»So zeitig? Hast du etwa noch Aussicht auf Sex?«

»Ach, mein Alter ist doch gar nicht zu Hause.«

»Na und? Den brauchst du doch sonst auch nicht dafür!«

»Sadist!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen …

Es ist vielleicht jetzt nicht ganz passend *g* aber ich möchte meinen Hühnerhaufen endlich mal für die Inspiration danken.

Dienstag, 12. April 2011

Hausmitteilung – allgemeine/besondere Danksagung


Mein Dank gilt allen Teilnehmern unserer diesjährigen Jahreshauptversammlung und besonders dem Special-Guest Peg, die keine Mühen gescheut hat (Tankstelle aufgekauft, Mann überzeugt), um hier, bei uns, für 2 Stunden aufzuschlagen. Es war schön, dich mal wieder zu sehen.

Der Danksagung schließen sich vorbehaltlos an: Frau Rot-Weiß-Erfurt und CN »Connie«

Freitag, 8. April 2011

Der Boden der Realität kann so etwas von hart sein ... Teil 7 (1. von 5)


geschrieben im Jahr des Herrn 2008

Großstadtdschungel, die selbe gemütliche Hinterhofküche wie immer, mit einem Küchentisch, darauf fünf brennende Kerzen, eine geleerte Flasche Rotwein, und ein halbvoller Aschenbecher.
Es wird wieder ein durchlachter und verlaberter, freundschaftlicher Abend werden.
Sie schaut aus dem Fenster, und er lehnt sich müde zurück.

»Ist das wieder ein Scheißwetter heute – Mensch, wo bleibt der Frühling? Erst gab es keinen Winter, nur Regen, dann schneit es zu Ostern und nun regnet es wieder! Was soll das? Die spinnen doch! Wie du mit deiner Suppe! Seit September kriege ich hier nur noch Kürbissuppe! Jede Woche dasselbe! Dazu kommt, daß sie so schmeckt, wie ich sie kenne! Logisch! Die Rezepte sind ja von mir! Den Zucchini kann ich auch nicht mehr sehen! Igitt!«

»Ach? Kürbissuppe wäre doch lecker? Wenn man sie richtig zubereitet? Nach deinen Rezepten? Hast du selbst gesagt! Und wer hat den Zucchini mit angeschleppt? Du! Also löffle die Suppe auch aus, die du dir eingeschnippelt hast!«

»War klar! Der Herr hat, damit er nicht verhungert, noch eine Sicherheitsbockwurst im Kühlschrank! Wenn ich weg bin, kommt die dran! Das alles erinnert mich komischerweise an die Aleksa. Suppe auslöffeln, immer dasselbe und die geheime Sicherheitsbockwurst!«

»Aleksa? Ewig nicht gesehen. Gibts da etwas Neues? Schwanger wird sie ja kaum sein. Da bleibt nicht viel …«

»Sie heiratet!«

»Ach du Scheiße! Wen denn?«

»Na wen wohl? Machst du Witze? Natürlich den, wegen dem sie ins Fitti gerannt ist! Sie ist über dreißig! Die hat nicht mehr viel Zeit! Was soll sie da noch lange rumsuchen?«

»So gesehen – hast du natürlich recht. Aber warum gleich heiraten? Muß sie etwa? Ist sie wirklich schwanger? Von ihm oder der Sicherheitsbockwurst? Wie heißt der denn? Was ist das für ein Kerl?«

»Blödmann! Warum sie heiratet, weiß ich auch nicht. Schwanger ist sie jedenfalls nicht. Wie auch? Von was? Ob sie sich nebenbei noch spaßeshalber einen Kerl hält, weiß ich auch nicht. Mensch, ich habe sie nur kurz im Erotic-Sh…, äh beim Frisör getroffen. Sie mußte da auch dringend weg, und hatte keine Zeit für einen längeren Plausch.«

»Beim Frisör? Wenn ich dich so ansehe, muß euer Treffen über ein Jahr her sein! Oder hat der jetzt vertierte HARTZ IV Frisuren im Angebot?«

»Du Arsch! Setz endlich deine Brille auf! Oder ich verpasse dir eine Kürbissuppengesichtsmaske auf Zucchinigrundlage!«

»Reg dich nicht auf! Die Tiefkühltruhe habe ich gestern leergemacht. Das Frostgemüse ist in der Mülltonne gelandet. Nächste Woche gibt es wieder etwas ordentliches zum Essen. Keine Bockwurst. Gut siehst du aus. Warst du beim Frisör?«

»Du Schleimkeim! Das gibts doch gar nicht! Immer tust du so, als wären wir schon zwanzig Jahre verheiratet! Ich werde nie heiraten! Dich schon gar nicht! Ich bin doch nicht so blöd, wie die Aleksa!«

»Die Aleksa ist nicht blöd. Deswegen heiratet sie ja nicht mich, sondern ihren Heini. Und warum sie das tut, ist mir jetzt auch klar.«

»Klar wie Kloßbrühe. Auf deine Erklärung bin ich jetzt gespannt. Hast du noch Wein da?«

»Ja, du weißt doch, wo er steht. Obwohl mir jetzt eher nach Wodka wäre. Oder Absinth. Ich fasse es nicht! Die Aleksa heiratet! Die spinnt! Wie immer! Wenn ich die zwischen die Finger bekomme! Da sollte sie sich warm anziehen!«

»Zwischen den Fingern hattest du sie schon. Hättest du mal ganze Arbeit geleistet, würde sie jetzt nicht heiraten. Gib mal dein Glas rüber!«

»Ach …, zwischen den Fingern ist gut. Das ist eine ganz alte Geschichte und diese ist schon lange verjährt. Wie die Aleksa. Über dreißig ist die Frau! Wie schnell die Zeit vergeht –. Wann heiratet sie denn? Gib mir gleich die ganze Flasche!«

»Alter Suffkopp! Das hilft auch nicht mehr! Am liebsten hätte sie im Frühling geheiratet. Da der eh nicht zu kommen scheint, wäre sie mit einem Termin im Sommer, am liebsten am 8.8.08, auch zufrieden gewesen. Nur ist auf dem Standesamt alles bis Ende Oktober ausgebucht. Also muß sie im November heiraten.«

»Zum Totensonntag womöglich? Der Spartag für schnell Entschlossene zum letzten Versuch? Soviel wie ich weiß, macht es da das Standesamt zum halben Preis und ein Termin ist immer zu bekommen. Wäre die Aleksa, oder ihr Macker, privat und nicht gesetzlich krankenversichert, würde sie nächste Woche einen Termin bekommen. Ich bin privat versichert! Warum bringst du immer nur eine Flasche Wein mit?«

»Ha-ha! Totensonntag! Du Spinner! Und wieso soll ich immer den Wein holen? Wir sind nicht verheiratet! Und jetzt gib mir die Flasche zurück. Die Kerzen sind auch runtergebrannt. Hast du noch welche da?«

»Wenn du mir versprichst sie auch in die Kerzenhalter zu stecken – im rechten Schieber.«

»Wo sollte ich sie denn sonst …? So sexuell frustriert bin ich nun auch wieder nicht.«

»Hätte sexuelle Frustration ein eigenes Gewicht, wäre schon manches Wohnhaus unter dieser Last zusammengebrochen. Deines zum Beispiel. Halt die Kerze gerade! Du kleckerst mir doch alles voll.«

»Das hat sie wahrscheinlich auch. Deshalb steht mein Haus ja auch noch und deins ist voller Risse. Ach Kleckerkram! Warum heiratet die Aleksa deiner Meinung nach nun? Erklärung!«

»Weil sie eigentlich gar nicht heiraten will.«

»Hä? Was? Du machst mich alle! Jetzt rede endlich!«

»Es ist doch ganz einfach. So, wie ich die Aleksa kenne, hat die gar keine Lust auf Familie, Kind und Kegel und so einen Kram. Aber alle Welt erwartet von ihr, als Frau, eine Familiengründung. Die wird erdrückt von der Erwartungshaltung ihrer Verwandten. Eine Familie ist doch so etwas schönes und das normalste von der Welt! Das gehört sich einfach. Dabei gibt es nur Mord und Todschlag quer durch ihre standesamtlich verbandelte Verwandschaft. Aber die kennen nichts anderes und halten verschiedene Straftatsbestandteile für Liebe. Freiheitsberaubung, Nötigung, Betrug, Erpressung und Unzucht mit Abhängigen. Das nur bestenfalls.
Die sind alle so etwas von glücklich und möchten unbedingt, daß die Aleksa das auch wird. Schließlich gehört sie zur Familie. Da steht man für einander ein und denen ist dabei auch jedes Mittel recht. Allen voran stürmt ihre Keifschwester. Natürlich verheiratet. Und das natürlich glücklich. Mit liebevollen aufgeweckten Kindern. Das können dir alle bestätigen. Angefangen beim Dorfsheriff bis hin zu Ihrer Kinderpsychologin.
Diese Giftnudel – du, die putzt sich die Zähne mit Zyankali und sie nimmt gegen Verdauungsbeschwerden Strychnin – bohrt schon seit Jahren in der Aleksa rum. Warum sie noch nichts Festes hätte? So schlecht sähe sie doch gar nicht aus! Ob bei ihr alles normal ist? Ob sie schon mal beim Arzt war? Das sie langsam mal zu Potte kommen muß. Sie würde bald dreißig werden. Da wäre das brauchbare männliche Material schon vergeben. Glücklich natürlich! Und so weiter ... Du kennst ja die Litanei.«

»Ja, warte mal. Ich gehe Wein holen. Wieviel Flaschen? Hast du Absinth da? Oder Wodka?«

»Gut, beeile dich! Zwei Flaschen! Leider nein! Nimm bitte den Aschenbecher zum Ausleeren mit.«

»Dein Mülleimer ist voll! Hast du nicht noch einen anderen Ascher? Wo ist der Korkenzieher?«

»Dann nehmen wir die Vase hier. Die tut es auch und den Korkenzieher habe ich. Gib mir mal eine Pulle rüber!«

»Welche? Also jetzt ist sie dreißig ...«

»Über dreißig! Und noch nicht verheiratet! Gib mir einfach alle beide Flaschen, damit ich sie aufmachen kann.«

»Dann eben über dreißig! Mein Gott! Quatsch weiter!«

»Sie ist also über dreißig und nicht verheiratet. Das ganze Dorf zerfetzt sich das Maul über sie. Das sie dabei auch noch kinderlos geblieben ist, kommt erschwerend dazu.
Da kann doch etwas nicht stimmen!
Verheiratet zu sein, und keine Kinder zu haben, erregt nur Mitleid. Aber ledig, balglos und über dreißig? Gibt es nicht! Nicht auf dem Dorf. Wenn man mit über dreißig noch kinderlos ist, bedeutet das, im gesundem Volksempfinden, daß nicht mal der letzte Dorftrottel zum Zuge gekommen ist. Der Zug für sie also abgefahren ist. Das wirft kein gutes Licht auf die ganze Familie, sondern einen dunklen Schatten, den die Dorfgemeinschaft, bei allen sich bietenden Gelegenheiten, wie Kirmes, Arztbesuch, Plausch über den Gartenzaun usw. durch gezielte höhnische Fragen, erhellen möchte. Fragen, die eine Entschuldigung für Aleksas abartiges Verhalten fordern.
Das nervt! Dieser Demütigung kann ihre Familie nur entgehen, wenn sich Aleksa ergebnisorientiert paart oder zumindest heiratet.«

»Die Aleksa wohnt schon lange nicht mehr auf ihrem Dorf, und ihre Familie ist ihr ziemlich schnuppe.«

»Richtig. Aber selbst die Stadt besteht nur aus Dörfern, und Aleksa ist nunmal schon über dreißig!«

»Du machst mich alle, mit deinem ›über dreißig‹! Ich bin Anfang dreißig! Und? Wenn ich mal heirate, dann nicht weil mir meine Familie tierisch auf den Geist geht, sondern weil ich es als ein sehr romantisches Symbol sehe, zu zeigen, daß man zueinander gehört, und sich die ewige Treue verspricht.«

»Genau wie die Aleksa. Die ist sich wahrscheinlich auch nicht mehr sicher, ob der Knabe noch zu ihr gehört. Deshalb läßt sie sich sein Versprechen gleich mal amtlich beglaubigen. Versprochen hat er bestimmt schon viel …«

»Naja, sie meinte, daß langsam mal was passieren mußte …«

»Also hat sie, um ein wenig Schwung in ihre Beziehung zu bringen, die Hochzeit eingeleitet. Clever die Frau! Mit der Heirat gilt sie im Dorf und bei ihrer Familie wieder als geheilt, es ändert sich auch nichts, sie kann ihr Leben weiterverwuseln wie bisher und die Sicherheitsbockwurst ist ja auch noch am Start.«

»Das ist doch Quatsch! Wenn sich eh nichts ändern soll, brauch sie ja nicht ihren Heini heiraten! Warum nimmt sie dann nicht gleich die Bockwurst? Falls es die, besser den, überhaupt gibt? Da gibts vielleicht später auch ein Kind?«

»Weißt du, ob der will? Vielleicht ist er ja selber schon verheiratet, hat massenhaft Kinder aber keinen Sex? Du hast selber gesagt, daß die Aleksa in ihrem Alter nicht mehr ewig Zeit hat, um nach Heiratskandidaten zu suchen. Also nimmt sie den, den sie schon ausprobieren konnte. Da weiß sie, was sie hat und was nicht.«

»Du bist krank. Total. Mach mal die nächste Pulle auf!«

»Wenn du noch eine holst?!«

»Gib mal schnell den Öffner! Aber du wirst sehen: Ich heirate aus Liebe!«

»Ach auf einmal? Ich denke, du heiratest nie?«

»In einem wunderschönen, cremefarben Kleid! Mit einem dezenten Schleier!«

»Das wirst du auch müssen! Das Bundesamt für Umweltschutz hat vor zehn Jahren erlassen, daß Frauen über dreißig einen Schleier bei der Trauung tragen müssen, und ihre Hochzeitkleider nicht weiß sein dürfen, weil sie ja selber nicht mehr so frisch sind. Der Verbraucherschutz steht wie ein Mann hinter der Verordnung, und es gibt verschärfte Kontrollen, mit hohen Bußgeldern bei Nichteinhaltung!«

»Du! Du! Du bist … ach egal. Und zum Standesamt fahren wir mit einem gemieteten Oldtimer. Ich habe im Internet schon mal nachgeschaut. Da gibts, ganz preisgünstig, so einen kleinen rundgelutschten Mercedes. Niedlich sag ich dir!«

»Eine Isetta? War die nicht von VW? Egal, wenn ihr dann rückzu die Döner-Allee mit 90 km/h runterbrettert, gibt es gleich preisgünstig die Hochzeitsbilder dazu. Der Blitzer dort arbeitet rund um die Uhr!«

»Hast du irgendwann in deinem Leben, ich betone: Einmal! Einen konstruktiven Beitrag abgegeben? Von dir kommt nur Gülle! Nichts als Knete! Null! Nichts! Zero!«

»Nö! Aber ich kann es ja einmal versuchen: Möchtest du noch Wein?«

»Ja, verdammt!«

»Wenn du welchen holst?«

»Ornee, du Arsch! Ich könnte dich ...«

»Rege dich ab. Ich habe noch eine Flasche hier. Eigentlich ist es schade, daß wir beide nicht verheiratet sind.«

»Rück die Pulle raus!«

»Dann würden uns alle dafür bewundern, wie offen, ehrlich, direkt und vor allem: Wie herzlich wir in unserer Ehe miteinander umgehen.«

»Wieviel Jahre an Lebenserwartung habe ich dank deiner Gegenwart eigentlich schon vergeigt?«

»Keine Ahnung. Aber ich tue, was ich kann und gebe mein Bestes! Das weißt du doch! Vertrau mir! Dein Telefon …«

»Klingelt nicht. Der Organizer erinnert mich nur daran die Pille zu nehmen.«

»Ja, ich habe es lange nicht gehört. War das nicht immer 21.30 Uhr? Wieso jetzt 22.00 Uhr? Ist das ein Kompromiß zwischen Sommer- und Winterzeit?
Und überhaupt! Was ist los mit euch Weibern? Du weißt genau, daß du nie heiraten wirst! Du hast aber deine Hochzeit schon minutiös geplant und durchrecherchiert. Beide wollt ihr unbedingt ein Kind! Aber du nimmst die Pille und die Aleksa heiratet gleich, um garantiert keines zu bekommen. Dabei habt ihr beide keinen Sex! Laß mich raten: Als du die Aleksa das letzte mal gesehen hast, wollte sie dringend weg! Hast du gesagt! Sie sah aus, wie ein Junkie auf Entzug, stimmts?«

»Naja, schon eher etwas gehetzt. Sie hatte ja gerade die frischen Brötchen eingepackt und wollte rechtzeitig zur Frühstückspause wieder auf Arbeit sein.«

»Ach? Seit wann gibts beim Frisör frische Brötchen? Bei der Porno-Gerda seit ihr euch über den Weg gelaufen! In ihrem Spielzeugladen! Nachschub ordern! Und das am frühen Morgen! Aber nun weiß ich, daß die Aleksa nicht mehr ins Fitti rennt.«

»Das ist gar nicht wahr! Kein Nachschub! Die Aleksa hat zu Weihnachten den selben Vibrator von ihrem Heini geschenkt bekommen, wie ich von meinem! Die Herstellerfirma hat eine Rückrufaktion gestartet! Also mußten wir da hin! Und es stimmt! Die Aleksa geht nicht mehr ins Fitti! Sie meint, daß dort irgendwie die Luft raus ist und es keinen Spaß mehr macht.«

»Dort ist nicht die Luft raus, sondern der letzte männliche Trainer ist in Rente gegangen. Unkomplizierter Sex mit Teilnehmerinnen gilt in jedem Fitti, was etwas auf sich hält, als Serviceleistung und ist in der Teilnehmergebühr mit inbegriffen. Was soll sie dann dort noch? Da muß sie eben auf den Vibrator und zur Rückrufaktion zurückgreifen.
Ist die Pulle schon alle?«

»Ja, ich hole gleich noch eine Flasche. Also gibt es auch keine Sicherheitsbockwurst für sie? So spaßeshalber?«

»Nein, die Aleksa ist da scheinbar sehr konservativ und nimmt doch den gutbürgerlichen Weg.«

»Den was? Flaschenöffner?«

»Gib mir lieber die Flasche. Bei euch Frauen weiß ich ja nun, daß ihr alles unternehmt nur damit keine Änderung eintritt. In dieser Situation möchte ich aber eine Änderung herbeiführen. Sprich die Flasche öffnen. Also her damit!«

»Den was? Den gutbürgerlichen Weg?«

»Gib mir mal dein Glas rüber! Ja, den gutbürgerlichen Weg. Seine Tradition reicht bis in das Mittelalter zurück, und wird seit dem in jeder guten Familie auf das heftigste gepflegt. Das Prinzip ist ganz einfach: Erst kommt die Pflicht, also die Heirat, dann die Kür, das wäre die Affaire oder wie Realisten es gern bezeichnen: KGVMSWP.«

»KaaGeeWas?«

»Konspirativer Geschlechtsverkehr mit ständig wechselnden Partnern. Unter Pragmatisten wird er auch Seitensprung genannt. Warum nimmst du eigentlich die Pille, wenn du eh keinen Sex hast?«

»Die Hoffnung stirbt zuletzt! Manchmal ist er ja auch ganz willig. Wenn er bowlen war oder nach der Vertreterversammlung. Aber ich weiß nicht so recht – richtig geklappt hat es dann ja bei ihm auch nicht. Umsonst schenkt er mir ja nicht so ein teures Teil.
Manchmal ist er ja ganz einfühlsam.
Er ist aus unzerstörbaren High-Tech Kunststoff. Den Vibrator meine ich. Das Material benutzt angeblich die NASA bei ihren Space-Shuttle als Hitzeschild. Das Teil ist wasserdicht bis hundert Meter unter Normalnull! Mit Docking-Station! Und über das Laptop via USB-Schnittstelle programmierbar! Du gibst, je nach Anlaß, einen oder mehrere Musiktitel ein und die Software generiert dem Chip im Spaßteil ein Vibrationsmuster. Letztens habe ich die ›kleine Nachtmusik‹ mit der ›Nußknackersuite‹ und dem ›armenischen Säbeltanz‹ kombiniert. HALLELULJA! Aber die Erfüllung ist es auch nicht. Und ein Kind? Mit Ihm? Ich weiß nicht …«

»Da bleibt dir eigentlich auch nur eine Sicherheitsbockwurst.«

»Ach, ich lerne doch keinen kennen. Wo denn? Auf Arbeit? Vergiß es! Und sonst? Wenn ich mal weggehe, dann mit meinem Heini. Da gehen wir schick essen und das war es dann auch schon.«

»Bleibt das Fitti.«

»Da war ich doch schon. Vergiß es! Die ausgelaugten Heinis bringen es nicht mehr. Außerdem haben die alle den dreihundertersten Offenbarungseid am Hals. Das Jugendamt will schließlich seine Unterhaltsvorschußzahlungen für jedes von ihnen gezeugte Kind zurückhaben. Das geht den Jugendämtern inzwischen an die Existenz. Die sind pleite und müssen zu machen, wenn sie nicht die Berufsgruppe der Fitnesstrainer bald verbieten lassen. Die Fittfische haben auch unmögliche Arbeitszeiten, genau wie mein Heini. Wo ist da der Unterschied? Finanziell am Ende ist mein Heini noch nicht ganz – es besteht Hoffnung – und bei ihm weiß ich ja was ich habe, oder besser: was nicht. Ich bin über dreißig und was soll ich da noch groß rumsuchen. Also bleibt mir nur die Pille.«

»Und kein Kind.«

»Im Moment zumindest nicht. Mein Heini ist nie zu Hause und bei mir auf Arbeit sieht es auch mau aus. Ich habe keine Ahnung, ob der Laden noch lange läuft. Der Audi, für das geschaffte Abi von der Tochter des Chefs, hat ein Riesenloch in die Kasse gesprengt. Wenn der pleite geht, stehe ich ohne Arbeit da. Da können wir uns kein Kind leisten. Ein Kind braucht doch ordentliche Eltern, die Arbeit haben und immer für sie da sind!«

»Erzähl das mal den Stadtteilbonobos vom Kiosk gegenüber. Die leben nach dem dualen Prinzip. Da gibt es strenge Regeln, die nur zwei Verhaltensmuster zulassen: Saufen und Kinder zeugen. Was da manchmal los ist! Erst gestern hat mir in der Kaufhalle so ein halbverwahrlostes Kind auf die Hose gekotzt.«

»Kinder kotzen nun mal ab und zu.«

»Ja. Besonders wenn man sie verkehrt herum hält, und sie ihren Erzeugern beim Einkaufen zuschauen müssen. Willst du los?«

»Ja, es ist schon spät. Diese Katze in deinem Hof geht mir auch tierisch auf den Senkel. Ich bekomme Kopfschmerzen von dem Gejaule! Bei mir zu Hause läuft auch so ein Vieh rum. Seit über einem Monat habe ich keine ruhige Nacht mehr wegen ihr.«

»Das da unten ist dein Kater. Nicht kastriert und im Frühlingsfieber.«

»Quatsch, ich besitze keine Katze.«

»Kater, es ist ein Kater. Der ist nur hier wenn du mich besuchst. Er heißt Fox.«

»Ich besitze auch keinen Kater!«

»Aber er würde dich gern besitzen. Deine erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit hat deinen Körper dazu veranlaßt, ein Breitbandpheromon auszuströmen, was sogar Katzen anspricht. Oder besser: In den Wahnsinn treibt. Und genau deshalb wirst du auch nie heiraten. Männer, die du kennenlernen kannst und die dich mögen müssen, kommen eh nicht gegen den Kater an.«

»Sadist!«

Und schlagartig hört es auf mit regnen …

Donnerstag, 7. April 2011

Hausmitteilung – Bericht zur Testphase/E-Fall


Die geplante Testphase mußte gleich dem Ernstfall weichen. Nach der gestrigen, spielerischen Begegnung zwischen den beiden Fußballgiganten Dynamo Dresden und dem FC Rot-Weiß-Erfurt, der für die gastgebenden Kämpen der SGD etwas nachteilig verlief, wurde ich von Frau Rot-Weiß-Erfurt via ICQ darüber informiert, daß sie den Spielausgang und damit das Endergebnis begrüßt und dies zum Anlaß nimmt etwas zu feiern. Im Original las sich das in etwa so: »BAAAAAAARRRDDDIIEEEEE!«. Dann brach der Kontakt abrupt ab. Erfahrungsgemäß pflegt sie dann in einen Baumarkt ihrer Wahl zu fahren und auch dort zu nächtigen. Da muß man sich keine Sorgen weiter machen. Allerdings fällt mir am nächsten Morgen die Aufgabe zu, sie dort wieder herauszuholen. Sonst habe ich mir immer einen halben Wolf gesucht ehe ich der Frau wieder habhaft werden konnte. Aber heute: Kein Problem! Dank ihren schicken neuen Rucksack hatte ich sie sofort am Kanthaken. (siehe oben) Blöd nur, daß die Preistafeln auch in orange gehalten sind. Ohne Brille hätte ich mir beinahe so ein Teil unter den Arm geklemmt und die Frau wäre im Baumarkt verblieben. Aber zur Fehlerkorrektur sind ja Testphasen da und es ist ja alles gut gegangen. *g*

Montag, 4. April 2011

Hausmitteilung – zur allgemeinen Freude


Die B/A-Kammer gibt bekannt: Es ist vollbracht! Die Verteilung der guten Stücke erfolgt zu unserer Jahreshauptversammlung. Mein Dank gilt Mutti, der Spenderin des Stoffes (@Mali: Keine Panik! Deinen habe ich nicht zerschnippelt), der Nähmaschine und vor allem dem Schneider der Roten- bzw. der Sowjetarmee für die Inspiration.

Samstag, 2. April 2011

Hausmitteilung – zur Anteilnahme


Was sehen wir? Im Hintergrund dümpelt ein temporär blühender Busch vor sich hin. Er versinnbildlicht sehr authentisch die Kurzweiligkeit und Vergänglichkeit weiblicher Frische und deren anmutigen Liebreiz. Bald – morgen – werden seine Blüten bräunlich schrumpelnd fallen, und er wird nur noch wild wuchernd die Landschaft verdunkeln. Ergötzen wir uns heute an seinem Anblick, im Gedenken der Tatsache, wie kurz dieser sein wird.

Rechts dringt mahnend eine Mauer aus gebrannten Ziegeln ins Bild. Sie gehört zu einem Gebäude, welches seine Blütezeit schon längst hinter sich hat. Ein von der Sonne verblichenes und vom Regen verwaschenes Maklerschild ruft seit Jahren unerhört ins Land. Niemand wird sich seiner erbarmen. Irgendwann wird es unter dem Schutt begraben werden, den das Haus hinterläßt, wenn es endgültig zusammenbricht.

Tote Briefkästen schauen mit leeren Augen erwartungsvoll dem bunten, vor Lebensfreude sprühenden Treiben auf der Straße zu. Nebenan warten Klingeln vergebens auf eine zärtliche Berührung, auf das Gefühl, eine frohe Botschaft in das alte Haus übermitteln zu dürfen. Kraft- und stromlos bleichen sie im Wandel der Zeit.

Der Zaun, einst umfassende Zierde für den im Schein der Sonne des Lebens stehenden Neubaus, grenzt nichts mehr ab. Die Zeiten der goldenen Umfriedung liegt im Dunkel der Geschichte. Geschichte, die niemanden zur Ehre gereicht. Stumm und fahl zerbricht er an sich selbst. Nur Algen und Moos, vom Regen der Traurigkeit genährt, geben ihm noch etwas Farbe.

Hat Tschernobyl, hat Fukushima oder Biblis eine Hausnummer? Verdienen ausgebrannte Reaktoren mit überreagierenden Brennstäben eine? Wenn ja, dann ist es die Nummer 3, wie sie an dieser Ruine zu sehen ist. Die 3 steht für den GAU, den jede Frau erlebt, wenn sie früh aufwacht, und der kleine und große Zeiger des Lebens erst auf der 3 und im Quantensprung danach auf der 0, auf dem Nichts, unwiderruflich stehen bleibt. Festgefressen im Rost stagnierender Zellteilung quietscht das Uhrwerk und des Zeigers Schatten schreibt, nein, er fräst ein »Game Over« in ihr Antlitz. Nur radioaktive Stoffe erreichen ihre Halbwertszeit strahlend.

Was ich damit sagen will: Frau Rot-Weiß-Erfurt und CN »Connie« feiern heute ihren Geburtstag. Standes- und dem Anlaß gemäß in einer Wüstung, in der es keine Bäume mehr, aber dafür jetzt zu viel Wasser gibt. Möge Eure Feier gelingen und meine, unsere Glückwünsche hoch übers schattenlose Land Euch zufliegen. Kurz: Alles erdenklich Liebe und Gute!

Blümchen gibt es natürlich auch.