Samstag, 28. August 2010
Regenwetter – Zeit für Unfug
Welcher sorgfältige Heimwerker kennt das nicht? Da verweilt man gerade erst 3h vor dem Schraubenregal, wägt ab, prüft, kombiniert und komponiert immer neue Variationen der auserlesenen Kleinteile, um das heimige Projekt abschließend krönen zu können, da verliert die eigene Schrecksch... äh Frau die Nerven und verlangt kreischend nach dem Heimweg. So massiv gestört, kann sich kein Mann mehr konzentriert seinem Lebenswerk widmen. Das geht selbst mit jahrzehntelanger Erfahrung im autogenen Training dritten Grades nicht. Welch' geniale Regalkonstruktionspläne sind so wie bunte Blasen an der Realität, sprich Eheweib, zerplatzt, zerschellt und pulverisiert worden. Aus der Traum von der durchdachten Blumenbank, die, bei optimalen Lichteinfall, die Nachbarn grün vor Neid erblassen läßt, oder von dem massiven Raumteiler, der sich bei Bedarf auf Knopfdruck langsam gleitend, fast unsichtbar aber unüberwindlich, zwischen das Ehebett schiebt. Alles ungeschraubt bleibende Dinge nach denen die Welt giert, ihr aber vorenthalten werden, weil es den Frauen am Verständnis für metrische Gewinde fehlt.
Diese Problematik ist zwar jeder Baumarktleitung seit der Einführung der Langhausbauweise bekannt, aber erst jetzt wurde eine gut alte, aber unorthodoxe Lösung dafür wiederentdeckt. Am »Komm-gut-nach-Hause!«-Servicepunkt (Bild oben) kann jede Frau ein Shuttle nicht nur kostenlos nutzen, sondern auch der netten Vettel von Nebenan als Werbegeschenk vor die Haustür stellen.
Ein Gedanke, den andere Einkaufsmärkte dankbar aufgenommen haben. Hier läßt man sich das Utensil allerdings etwas kosten. Eine kleine Summe, die der vorausschauende Mann für seine Frau unbedingt investierend sollte. Auf den ersten Blick bekommt man scheinbar das gleiche Shuttle wie im Baumarkt. Den Mehrwert stellt das integrierte Navigationssystem dar. Für die Benutzerin nicht erkennbar, ist als feste Zieladresse »Wüste – da wo der Pfeffer wächst.« vorgegeben.
Da, wo es nur Pfeffer gibt, ist die moderne Küche nicht weit. Oder deren Helfer. Ich gebe zu, daß ich ohne eine Küchenhilfe ziemlich aufgeschmissen wäre. Aber für 1,99 Euro? Was ist denn das für ein Billigpfusch? Oder ist das die Leasingrate? Bei sekundengenauer Abrechnung? So ein Pfeffer! Eine Küchenhilfe muß so sein, wie meine eigene: Unbezahlbar! Die Frau die nach dem RG 28 kam. Codename »Connie«. Sie wurde von Haus aus multifunktional mit verschiedenen Adaptern ausgestattet, die miteinander kombinierbar sind aber trotzdem autonom arbeiten.
Stellvertretend dafür sieht man hier den Einsatz des Teigknet- und -formzubehörs im Außeneinsatz. Dieser ist problemlos möglich, weil sie nicht nur spritzwassergeschützt, sondern auch bis in eine Tiefe von 20m wasserdicht ist. Was dem Entwicklerteam als unnötiger Pfeffer angekreidet wurde. Denn, wer will schon mit seinem Küchengerät baden gehen? Erwähnenswert ist noch ihre sehr umfangreiche Rezeptdatenbank die bei Bedarf, falls doch die eine oder andere Lücke klaffen sollte, automatisch eine Verbindung zum Internet aufbaut und ihre Datensätze in bestehenden Bibliotheken ergänzt. Dabei nutzt sie ausgeklügelte Suchalgorithmen so, daß bestehende Ressourcen entsprechend abgewandelt neu kombiniert werden können. Überhaupt handelt ihr System intelligent nach Grundrichtlinien. Eine davon ist, zur Pflege und Wartung ihre eigene Wohnung aufzusuchen. Wie gesagt, ich bin sehr zufrieden.
Im Moment fliegt sie gerade für 2 Monate zur Jahresüberholung in den Urlaub. Das ist zwar für mich bitter, aber ich hoffe, daß sie im Spreewald beim Paddeln ausreichend Gelegenheit findet um mal richtig auszuspannen.
Die heutige Grillparty werde ich also alleine schmeißen. »Connie« hat mir noch fix dazu einen Einkaufszettel geschmiert. Genau so ein Machwerk, wie es nur eine Frau verzapfen kann, die momentan keine Freude an ihrer Arbeit empfindet und mit ihren Gedanken schon in den Ferien ist. Was soll ich damit anfangen? Gut, er ist übersichtlich gegliedert und enthält nicht mehr Stichpunkte als ein Mann gleichzeitig erfassen und abarbeiten kann. Das erspart mir das Zerschneiden des Zettels in mehrere Teile. Aber er enthält keinerlei Mengen- und Herstellerangaben. Somit ist er für mich unbrauchbar. Außerdem: Was soll ich mit Cornflakes und Knoppers? Die Gäste damit bewerfen?
Die erwarten sowieso nichts Umwerfendes von mir. Auch nicht, daß ich wegen ihnen grille. Es sind mir die liebsten, weil pflegeleichtesten Besucher. Sie sind immer pünktlich, genügsam, lassen nichts mehr anbrennen oder umkommen und halten ansonsten die Klappe. Man kann sich mit ihnen beschäftigen, muß es aber nicht. Die liebe Verwandschaft eben. Unsterblichkeit kann für die Hinterbliebenen auch angenehme Seiten haben.
Was haben wir noch? Die Draufsicht auf den Knusperkopf des nun 4jährigen Stadtkoboldes. Was will uns der Künstler (ich!) mit diesem Schnappschuß abschließend sagen? Das die Struktur des Gedankenumrühr eines, sich in der Entwicklung befindlichen kindlichen Gehirns und die Verwirbelung eines Tornados nahezu identisch ist.
So ein Tipptourettesyndrom, wohldosiert, ist eine brauchbare Sache Octa. ;-)
Sonntag, 8. August 2010
zeitlose
Aus aktuellem Anlaß folgt ein Text von Anno 2008. Den aktuellen Anlaß selbst werde ich wohl erst später aufarbeiten können. *g*
Herbstzeitlose spätnachmittägliche Schönwetterverstimmung am Rande eines Hochwaldes. Die Luft atmet feuchten Moos-, Moder- und Pilzgeruch. In der Hand halte ich die Zigarette danach und auf der Kühlerhaube liegt die spärliche Beute meines kleinen Ausfluges.
»Waren sie in den Pilzen? Und? Haben sie viele gefunden?«
Neben mir hält ein Fahrrad, mit einer mir seltsam vertrauten, aber völlig unbekannten Frau um die Sechzig. Sie lehnt sich über den Lenker und belächelt den Inhalt meines Pilzkorbes. Ihr männlicher Begleiter, in ihrer entsprechenden Altersklasse, radelt hochrot schwitzend, ohne mich eines Blickes zu würdigen, von der Straße in den Wald weiter.
»Naja, so üppig sieht das ja nicht aus. Wir haben zwar zunehmenden Mond aber es hat schon drei Tage nicht geregnet. Da dürften die meisten schon vergammelt sein. Da geht man eigentlich nicht mehr Pilze suchen junger Mann!«
Ich habe Mühe ein Augenverleiern zu unterdrücken und schaue einfach in den Himmel. Aber es stimmt: Die meisten Pilze die ich gefunden habe, waren vertrocknet oder verschimmelt.
»Kein Wölkchen am Himmel. Der Wetterbericht hat gesagt, daß es erst Ende der Woche wieder regnen soll. Da müssen sie es noch einmal versuchen. Da haben wir auch noch keinen Vollmond. Früher, zu meiner Zeit, waren wir – mein Mann und ich – öfters hier. Dort drüben haben wir immer viel gefunden. Da müssen sie mal hingehen, wenn es wieder geregnet hat!«
Sie zeigt die Straße hinauf, auf ein etwas entfernteres Wäldchen. Dabei fällt mir ein, warum diese Frau mir so vertraut vorkommt. Ihre Einheitsfrisur ist die einer alternden HO-Verkäuferin, wie sie zu DDR-Zeiten üblich war. Diese weiße Bluse und ihr hellbrauner Rock stammen wahrscheinlich aus dem Exquisit. Der Einheitsschick der späten siebziger Jahre für die etwas ältere Werktätige. Ihr Miniklapprad erinnert mich an mein eigenes, welches ich als Kind hatte. Auf dem Gepäckträger klemmt ein Henkelkorb, wie man ihn damals im Dorfkonsum zum einkaufen bekam.
Ihre Gestalt, ihr Klappfahrrad, der Geruch des Waldes und mein aufsteigendes Hungergefühl lassen meine Gedanken in eine längst vergangene und vermeintlich vergessene Zeit zurückschießen.
Ich stehe in der Schlange zur Essenausgabe in der Baracke meines Kinderferienlagers und meine Gegenüber haut mir, in einer bunten Dederonkittelschürze, eine Portion Kochfisch mit Soße auf den Plasteteller, die ich gleich wieder in der Essensrestesatte entsorge. Das Fahrrad lehnt an der Baracke, ich schaue hungrig-wütend in den damals sommerlichen Wald und wünsche mich wieder nach Hause.
»Dort haben wir immer viele Pilze gefunden! Mein Mann und ich! Da gibts ein paar Stellen ... Körbeweise haben wir sie dort rausgetragen! Wenn man früh genug da ist, findet man auch welche! So spät wie jetzt geht man nicht mehr sammeln junger Mann!«
Ich schaue in den Himmel und wünsche mich nach Hause.
»Obwohl ... Wir waren zwar eine Weile nicht hier, aber die Pilze wachsen dort bestimmt immer noch. Als wir das letzte mal hier waren, gab es diese Straße noch nicht. Das war nur ein Schotterweg der die Nachbardörfer verbunden hat. Da sind sie eigentlich nur zur Erntezeit mit den Traktoren von der LPG durch. Sonst ist hier kaum einer langgefahren. Wozu auch? Es sei denn, man wollte in die Pilze.«
Eine Weile? Diese Straße gibt es seit über zwanzig Jahren!
»Ich sag ja: Wir waren eine Weile nicht hier. Erst wurde mein Mann krank und dann gab es Streit mit meiner Schwester wegen dem Erbe. Sie hätte, von mir aus, ja alles bekommen können! Aber so raffgierig wie die ist, konnte ich auch nicht anders! Da gings ums Prinzip! Jetzt ist sie selber tot. Krebs. Geschieht ihr Recht! Nun kloppen sich meine Nichten um alles! Eine Schande ist das!
Wissen sie: Was ihre Geschwisterliebe wert ist, erfahren sie erst, wenn ihre Eltern tot sind!
Aber schön ist sie geworden die Straße. Auch wenn sie keiner mehr braucht.«
Im Ferienlager mußte ich bleiben, heute kann ich in mein Auto steigen und nach Hause fahren.
»Ja, ich muß dann auch weiter! Mein Mann und ich wollen mal schauen, ob es da unten den Stausee noch gibt. Der ist schon vorgefahren. Ob der einmal auf mich warten kann? Egal bei was? Ich glaube es nicht mehr. Na dann: Gute Heimfahrt! Und vergessen sie nicht, die Pilze heute noch zu putzen und zu braten. Sonst vergammeln die!«
Zeitreisende und ich haben eines gemeinsam: Man sollte sie nicht aufhalten.
Herbstzeitlose spätnachmittägliche Schönwetterverstimmung am Rande eines Hochwaldes. Die Luft atmet feuchten Moos-, Moder- und Pilzgeruch. In der Hand halte ich die Zigarette danach und auf der Kühlerhaube liegt die spärliche Beute meines kleinen Ausfluges.
»Waren sie in den Pilzen? Und? Haben sie viele gefunden?«
Neben mir hält ein Fahrrad, mit einer mir seltsam vertrauten, aber völlig unbekannten Frau um die Sechzig. Sie lehnt sich über den Lenker und belächelt den Inhalt meines Pilzkorbes. Ihr männlicher Begleiter, in ihrer entsprechenden Altersklasse, radelt hochrot schwitzend, ohne mich eines Blickes zu würdigen, von der Straße in den Wald weiter.
»Naja, so üppig sieht das ja nicht aus. Wir haben zwar zunehmenden Mond aber es hat schon drei Tage nicht geregnet. Da dürften die meisten schon vergammelt sein. Da geht man eigentlich nicht mehr Pilze suchen junger Mann!«
Ich habe Mühe ein Augenverleiern zu unterdrücken und schaue einfach in den Himmel. Aber es stimmt: Die meisten Pilze die ich gefunden habe, waren vertrocknet oder verschimmelt.
»Kein Wölkchen am Himmel. Der Wetterbericht hat gesagt, daß es erst Ende der Woche wieder regnen soll. Da müssen sie es noch einmal versuchen. Da haben wir auch noch keinen Vollmond. Früher, zu meiner Zeit, waren wir – mein Mann und ich – öfters hier. Dort drüben haben wir immer viel gefunden. Da müssen sie mal hingehen, wenn es wieder geregnet hat!«
Sie zeigt die Straße hinauf, auf ein etwas entfernteres Wäldchen. Dabei fällt mir ein, warum diese Frau mir so vertraut vorkommt. Ihre Einheitsfrisur ist die einer alternden HO-Verkäuferin, wie sie zu DDR-Zeiten üblich war. Diese weiße Bluse und ihr hellbrauner Rock stammen wahrscheinlich aus dem Exquisit. Der Einheitsschick der späten siebziger Jahre für die etwas ältere Werktätige. Ihr Miniklapprad erinnert mich an mein eigenes, welches ich als Kind hatte. Auf dem Gepäckträger klemmt ein Henkelkorb, wie man ihn damals im Dorfkonsum zum einkaufen bekam.
Ihre Gestalt, ihr Klappfahrrad, der Geruch des Waldes und mein aufsteigendes Hungergefühl lassen meine Gedanken in eine längst vergangene und vermeintlich vergessene Zeit zurückschießen.
Ich stehe in der Schlange zur Essenausgabe in der Baracke meines Kinderferienlagers und meine Gegenüber haut mir, in einer bunten Dederonkittelschürze, eine Portion Kochfisch mit Soße auf den Plasteteller, die ich gleich wieder in der Essensrestesatte entsorge. Das Fahrrad lehnt an der Baracke, ich schaue hungrig-wütend in den damals sommerlichen Wald und wünsche mich wieder nach Hause.
»Dort haben wir immer viele Pilze gefunden! Mein Mann und ich! Da gibts ein paar Stellen ... Körbeweise haben wir sie dort rausgetragen! Wenn man früh genug da ist, findet man auch welche! So spät wie jetzt geht man nicht mehr sammeln junger Mann!«
Ich schaue in den Himmel und wünsche mich nach Hause.
»Obwohl ... Wir waren zwar eine Weile nicht hier, aber die Pilze wachsen dort bestimmt immer noch. Als wir das letzte mal hier waren, gab es diese Straße noch nicht. Das war nur ein Schotterweg der die Nachbardörfer verbunden hat. Da sind sie eigentlich nur zur Erntezeit mit den Traktoren von der LPG durch. Sonst ist hier kaum einer langgefahren. Wozu auch? Es sei denn, man wollte in die Pilze.«
Eine Weile? Diese Straße gibt es seit über zwanzig Jahren!
»Ich sag ja: Wir waren eine Weile nicht hier. Erst wurde mein Mann krank und dann gab es Streit mit meiner Schwester wegen dem Erbe. Sie hätte, von mir aus, ja alles bekommen können! Aber so raffgierig wie die ist, konnte ich auch nicht anders! Da gings ums Prinzip! Jetzt ist sie selber tot. Krebs. Geschieht ihr Recht! Nun kloppen sich meine Nichten um alles! Eine Schande ist das!
Wissen sie: Was ihre Geschwisterliebe wert ist, erfahren sie erst, wenn ihre Eltern tot sind!
Aber schön ist sie geworden die Straße. Auch wenn sie keiner mehr braucht.«
Im Ferienlager mußte ich bleiben, heute kann ich in mein Auto steigen und nach Hause fahren.
»Ja, ich muß dann auch weiter! Mein Mann und ich wollen mal schauen, ob es da unten den Stausee noch gibt. Der ist schon vorgefahren. Ob der einmal auf mich warten kann? Egal bei was? Ich glaube es nicht mehr. Na dann: Gute Heimfahrt! Und vergessen sie nicht, die Pilze heute noch zu putzen und zu braten. Sonst vergammeln die!«
Zeitreisende und ich haben eines gemeinsam: Man sollte sie nicht aufhalten.
Sonntag, 1. August 2010
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